Man mag es drehen und wenden, wie man will: Die Haltung der Grünen zu „Stuttgart 21“ will so gar nicht zum Kernprogramm dieser vorgeblichen Öko-Partei passen. Die Verlegung des Stuttgarter Hauptbahnhofs unter die Erde ist ökologisch sinnvoll; denn sie entlastet die baden-württembergische Hauptstadt von Lärm und bietet Raum für neue grüne Stadtzonen.
Grüne Biedermänner und Brandstifter
Es geht aber nicht nur um die Stadt Stuttgart, sondern auch um eine umweltfreundliche, schnelle Bahnverbindung in den Süden des Landes und die Fortsetzung der Achse Paris-Stuttgart-Prag. All dies entlastet die Umwelt – eigentlich ein Hauptanliegen der Grünen. Doch plötzlich stehen sie mittendrin in der Protestfront. Die Frage nach dem Warum läßt sich leicht beantworten. In Baden-Württemberg gibt es in wenigen Monaten Landtags-Neuwahlen. Und da möchten die Grünen gerne zulegen. Getreu ihrem vielfach praktizierten Motto: „Wo gibt´s was zu protestieren? Wir machen mit!“ setzten sie sich flugs an die Spitze der Protestbewegung gegen „Stuttgart 21“ und erwarten sich damit Zulauf bei der Wahl. 15 lange Jahre war die Planung für dieses Großobjekt durch alle zuständigen demokratischen Gremien gelaufen, entschieden Parlamente und Gerichte. Dazu sind sie legitimiert und an Verfahren gebunden, deren Vorgehen letztlich in Wahlen vom Volk bestätigt wird (oder nicht). Trotzdem war im aufgewühlten Wahlvolk von Stuttgart der Eindruck entstanden, über all die langen Jahre sei praktisch nur in den Hinterstübchen der Demokratie diskutiert und entschieden worden. Was schlicht gelogen ist – und durch die Propaganda der Aufhetzer nicht etwa wahrer wird. In x-parlamentarischen Beratungen, Experten-Hearings und Gerichtsverfahren wurde seit Ende der 1980er Jahre über „Stuttgart 21“ verhandelt und letztlich positiv entschieden. Gerade die Grünen tun aber so, als sei „Volkes Wille“ übergangen worden. Eine merkwürdige Haltung – und ein Stück grüner Camouflage. Wer genau beobachtete, weiß, was Grüne wirklich wünschten: „Grüne Vorschläge zu Stuttgart 21“. Damit gaben sie – entgegen ihrer heute gezeigten Haltung – den eigentlichen Anstoß für „Stuttgart 21“.
Die Grünen – Geburtshelfer für „Stuttgart 21“
Die grünen Heilsbringer in Stuttgart handeln offensichtlich nach der Devise Konrad Adenauers: „Was kümmert mich mein dummes Geschwätz von gestern“. Gestern – das war in den 1990er Jahren. 1992 bis 1995 hatten die Grünen eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die den Namen trug „Alternativen sind machbar“ und die dann „Grüne Vorschläge zu Stuttgart 21 und dem Entwicklungskonzept Filder“ vorlegte. Das war keine Arbeitsgruppe für ausrangierte Spinner oder Altvordere. Im Gegenteil, an der Spitze standen Winfried Herrmann (damals Landesvorsitzender der Grünen BW und heute verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag), Fritz Kuhn (zu der Zeit Fraktionsvorsitzender der Grünen im Landtag BW) und weitere Führungskräfte der Partei, also die „Crème de la crème“ der Ökos. In ihrem 35-seitigen Arbeitspapier legte die Arbeitsgruppe u. a. eine „Planskizze“ vor, die mit dem heutigen (bekämpften) Entwurf nahezu übereinstimmt. Um es klarer zu sagen: Vorgeschlagen wurde eine Untertunnelung des Stuttgarter Hauptbahnhofs mit vier Gleisen und einem Tunnel entlang der heutigen Strecke durch den Schloßgarten – das meist umkämpfte Gebiet der Krawallmacher – auf die Filder und von dort nach Ulm. Um ihre (heute bekämpfte) Absicht zu bestärken, würdigten die Grünen in einer eigens abgestimmten Resolution die Vorteile ihres Tunnelprojektes. Man höre und staune: Zu den von den Grünen erarbeiteten Vorteilen gehörten nicht nur die wirtschaftlichen Vorzüge, sondern auch die ökologischen, womit sie dem Ausbau des vorhandenen Kopfbahnhofes einen Tritt gaben. Ja, und Ordnung muß sein, auch bei den Grünen: Die Resolution der Arbeitsgruppe wurde natürlich in den Gemeinderat der Stadt Stuttgart eingebracht und endete mit der Forderung, die Deutsche Bundesbahn möge „sich unverzüglich und unmißverständlich auf eine Unterfahrung des Stuttgarter Hauptbahnhofs für den Personenschnellverkehr festlegen…“. Die Fraktion der Grünen hat natürlich diesem Beschluß des Stuttgarter Gemeinderates einstimmig (!) zugestimmt. Das war gestern. Heute, nachdem von Radikalen Proteste geschürt wurden und werden, wollen die Grünen ihren eigenen Beschluß gerne schnell vergessen machen und biedern sich bei den Krawallmachern an. Gemeinhin nennt man das „Populismus“ – oder prosaisch: Biedermann und Brandstifter. Es wird Zeit, den Grünen die Maske abzureißen.