Sarrazin und die späte Reue der Wochenzeitung „Die Zeit“

Leser meines Blogs wissen, daß ich bestimmten Medien nicht sonderlich zugetan bin. Dazu gehört selbstverständlich auch die Wochenzeitung „Die Zeit“, die nach Erscheinen seines Buches gar nicht genug Schimpf und Schande über Sarrazin ausgießen konnte. Aber Hut ab, die „Die Zeit“ ist lernfähiger, als ich dachte. In einem ungewöhnlich selbstkritischen und groß aufgemachten Artikel korrigiert die ZEIT (Nr.51/2010) ihre Sarrazin-Reaktionen. Unter der Überschrift „Was ist bloß mit uns los?“ – mit „uns“ sind die Journalisten gemeint – schreibt Bernd Ulrich u. a., das Jahr 2010 habe „eine weitere Niederlage für das Gutgemeinte“ mit sich gebracht. Auf Sarrazins Buch gemünzt meint Ulrich, „auch falsche Bücher können echte Defizite aufdecken – in der Integration und im Journalismus“. Man müsse berücksichtigen, daß in den meisten Redaktionen keine Migranten arbeiteten, so daß ihnen deren Lebenswelt fremd sei. Und dann kommt ein Satz, der mir wie Öl die Kehle runterrinnt: „Darum wurde Kenntnis allzu oft durch Correctness ersetzt.“ Man wollte den „Ausländern“ nicht schaden, weswegen zu wenig über Mißstände berichtet werde. Ulrichs Folgerung: „So entstand durch die ethnische Homogenität der Zeitungsredaktionen ein Vakuum, in das Sarrazin hineinstieß“. Ulrich schreibt dann noch von einer denkbaren „Kartellbildung“, von „gemeinsamer Sache zwischen Medien und Politik“. Er fragt dann schuldbewußt, warum sich die traditionellen Medien von den wütenden Reaktionen (gegen die Verteufelung Sarrazins) so beeindrucken ließen. Und auch seine Antwort dazu läßt aufhorchen: „Weil sie oft das Gespür fürs Volk verloren haben.“

Das braucht man eigentlich nicht mehr zu kommentieren, die „Die Zeit“ sollte den Ulrich-Artikel allen Redaktionen im Land zur Verinnerlichung geben. Aber bitte mit einer Erläuterung dessen, was Ulrich mit „falsche Bücher“ meint. Sarrazins Buch kann er nicht meinen; denn nirgends in seinem Artikel erklärt Ulrich, was falsch an Sarrazin sein könnte. Also doch wieder typisch „Zeit“?

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