Bonjour tristesse – oder das Elend der Liberalen

Nein, es besteht kein Anlaß zu Häme und Schadenfreude. Was die einst stolzen Liberalen uns zur Zeit vorführen, ist weit weg von liberalen Idealen. Und das ist – losgelöst von Prozent-Erwägungen für die FDP – höchst bedenklich. Denn liberales Gedankengut war beim Aufbau unseres Staates eine wichtige Säule, wenn auch nicht immer unumstritten. Die FDP hat über viele Jahre ihre liberale Führungsposition nach und nach verspielt – aus eigener Unvollkommenheit, aber auch, weil liberale Grundgedanken inzwischen bei fast allen anderen Parteien zuhause sind. Werte wie Bürgerrechte, Freiheit, Toleranz, soziale Marktwirtschaft usw. finden sich bei den großen Parteien mindestens ebenso stark vertreten wie bei der FDP. Der Führung dieser zur Kleinstpartei verkommenen FDP scheint derweil aber jeder Bezug zur Realität abhanden gekommen zu sein. Trotzig stampft sie mit dem Fuß auf und erhebt den Alleinvertretungsanspruch aufs Liberale. Das klingt dann so: „…nur die einzig liberale Partei würde hierzulande auf Freiheit achten“. Du liebe Güte! Stirbt denn jetzt etwa die Freiheit, weil die FDP im Saarland nicht mehr mitregieren darf? Oder stirbt gar die Freiheit, wenn die FDP sich auflöst? Schon in der Bibel steht: „Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden.“ Erniedrigungen spürt die liberale Traditionspartei schon jetzt zuhauf.

Wofür steht die FDP? Die Kernfrage lautet: Wofür steht denn diese FDP? Oder man kann auch fragen: Wer braucht die FDP  bzw. wozu braucht man die FDP noch? Glaubt man der öffentlichen Meinung, liegt die Antwort mit knapp zwei Prozent bei den Umfragen auf der Hand. Vielleicht verkündet der neue Generalsekretär dieser Splitterpartei in Kürze stolz, die FDP arbeite mit allen verfügbaren Kräften daran, die 1-Prozenthürde zu knacken – wie der Berliner Tagesspiegel höhnt. Nein, diese Partei taugt nicht einmal mehr zum „liberalen Korrektiv“. Der Umgang  Kramp-Karrenbauers im Saarland und Merkels im Bund zeigen, wie sehr die Liberalen ernstgenommen werden, nämlich kaum noch. Die FDP hat sich weitgehend als regierungsunfähig erwiesen, und wo sie noch an einer Regierung beteiligt ist, dient sie allenfalls als Wurmfortsatz. Die FDP hat nicht „geliefert“, wie es ihr Vorsitzender Rösler versprochen hatte, nicht umgesetzt, was möglich gewesen wäre. Aber sie hat geliefert, was kein Mensch haben wollte: Streit, Zank, Personalquerelen. Und es sieht so aus, als wäre das Theater noch nicht beendet. Die FDP hat nicht das Führungspersonal, das in der Lage wäre, ihre inhaltlichen Grundsätze für die Bürger verständlich und glaubhaft darzustellen. Vielleicht weil sie sich den bewährten liberalen Grundsätzen nicht mehr verpflichtet fühlen? Die FDP könnte wieder eine ernstzunehmende liberale Partei werden, deren Stimme gehört würde – wenn sie sich ihrer liberalen Tradition besänne und danach handelte. Das erfordert aber eine geistige Erneuerung von oben und keine inhaltslosen Versprechen und hohle Sprüche. Die Rede des neuen Generalsekretärs in Stuttgart läßt erhebliche Zweifel aufkommen. Zumindest die Skizze einer liberalen Konzeption hätte man von einem liberalen Generalsekretär erwarten dürfen. Es reicht nicht, „gute Bildung“ zu fordern, aber nicht darzulegen, mit welchem Konzept in der Schulpolitik dies umgesetzt werden soll. Es reicht auch nicht, „wachstumsfreundliche Regelungen in der Wirtschaftspolitik“ zu fordern, aber sich an der Frage vorbeizumogeln, wie die Finanzmärkte besser kontrolliert werden könnten. Stimmt ja, Rösler hat „Fortschrittsoptimismus“ und „Zukunftschancen“ gerufen! Aber was heißt das, und wie unterscheiden sich bei der Antwort – so gegeben – die Liberalen von den anderen Parteien? Apropos andere Parteien: Es hat den Anschein, als ob sie die FDP sozusagen still und heimlich untergehen lassen wollen. Denn die Liberalen selbst sind die Einzigen, die in der letzten Zeit die Partei getreten und dann atomisiert haben. Das Schlimmste, was der Partei derzeit widerfährt, ist das Mitleid der anderen Parteien. Schade, denn der Niedergang der FDP bedeutet wieder ein Stückchen lebendige Demokratie weniger.

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