Gastkommentar:
Es herrscht Aufruhr bei den etablierten Parteien von links bis rechts, spätestens seit den Landtagswahlen im Saarland, wo die „Piraten“ auf Anhieb die 5-Prozent-Hürde nahmen und in den Landtag einzogen. In Schleswig-Holstein wie in Nordrhein-Westfalen wird ihnen das bei dem günstigen Meinungs- und Stimmungsklima wohl auch spielend gelingen. Doch ob sich damit auch generell das gesellschaftliche und politische Klima ändert, das darf arg bezweifelt werden.
Doch wer sind die Piraten, die überall wie Pilze aus dem Boden schießen und mit etwa Zehn Prozent der Stimmen bei den nächsten Bundestagswahlen nach Meinungsumfragen rechnen können? Sie werden gerne als „Kinder des Zeitgeistes“, als „wilder Haufen Nonkonformisten“ als „Kämpfer für die digitale Freiheit“ beschrieben. Sind sie die späte Verwirklichung des Ideals des US-Präsidenten Abraham Lincoln (1809-1865), der die Devise vertrat: „Vom Volk, durch das Volk und für das Volk.“ Wenn das so leicht wäre, eine weniger anstrengende und kompliziertere Demokratie und zugleich eine menschlichere und transparentere Politik, sie wäre wohl längst verwirklicht. Es liegt einzig an uns Menschen, die wir die verschiedensten und nicht unter einen Hut zu bringenden Interesse und Wünsche haben. Verkörpern die Piraten das, was Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) den „volonté générale“, den „Gemeinwillen“, bezeichnete? Das sicher nicht!
Wo liegt ihre Faszination, worin ihre Kraft? Wollen sie verhindern, was George Orwell (1903-1950) in seinem 1949 erschienenen Buch „1984“ beschrieb, die Dämmerung eines totalitären Präventions- und Überwachungsstaates, bei dem den Individuen jegliche Freiheiten genommen werden, durch repressive soziale Kontrollen? Ein „Ministerium für Wahrheit“ überwacht die Gedankenkontrolle, verfolgt bereits Gedankenverbrechen! Kommt daher die Forderung nach egalitärer Nutzerfreiheit, nach digitaler Freiheit im Netz? Sie werden es schwer haben, die Piraten. Renate Künast, Fraktionschefin der Grünen, meinte: „Auch Piraten kann man resozialisieren.“ Nun, asoziale Elemente sind die Piraten sicher nicht, Frau Künast, wenn sie auch einer gewissen Kontrolle entglitten scheinen!
Claudia Henzler erinnerte in einem Artikel „Politik als Spiel“ in der Süddeutschen Zeitung vom 4. April 2012 an den Science-Fiction-Film von 2009 „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ des Regisseurs James Cameron, an das Online-Computerspiel „Second Life“. Die Piraten hätten eine Art Neuauflage des Spiels erfunden, aber „das Spiel blendet die Komplexität der Welt einfach aus, in Pirates‘ Life lassen sich Probleme ganz leicht lösen.“ Jeder Spieler sei aufgeklärt, friedlich und konstruktiv und darf deshalb machen, was er will. Doch: „In einer virtuellen Realität ist das möglich, man kann die Rahmenbedingungen entsprechend programmieren.“ Da gibt es die fiktive Gleichheit der Teilnehmer. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus, da kann man mit einem virtuellen Hammer keinen Nagel in die Wand schlagen. Die Welt ist nicht spielend berechenbar, wie die Trefferquote bei den täglichen Wettervorhersagen deutlich beweist.
Die Piraten mögen zwar im Moment die Gefühle bewegen, doch wer sich nur noch im Netz bewegt und aus dem Netz seine Weisheiten zieht, der hat im Grunde schon verloren. Man kann das Prinzip „Google“ oder „Wikipedia“ weder auf das Leben noch auf die Politik übertragen. Wer nach der Devise lebt, man muß nicht alles wissen, sondern nur wissen, wo etwas steht und wen man fragt, der ist hoffnungslos verloren, mag er sich auch allwissend fühlen. Wer nichts authentisch weiß, muß alles glauben. Die Piraten schweben in einer Wolke eines trügerischen Idealismus. Die Landung auf dem Boden der Realitäten wird hart sein, und schmerzhaft. So salopp und „cool“ auch ihre Umgangssprache sein mag, im Netz herrscht schon längst Gedankenkontrolle und Zensur, wird das „Neusprech“ intensiv praktiziert. Der berechtigte Aufschrei der Piraten kommt zu spät, das Netz lenkt und manipuliert sie, führt sie am unsichtbaren Faden.
Im Netz hat längst – ich erwähne als Beispiel die Klimapolitik – eine nahezu perfekte Vernetzung stattgefunden. Da wachen die Klimaexperten spätestens seit 1986 darüber, daß ihnen niemand mehr die Hoheit über die „Klimakatastrophe“ entreißt. Die permanente Angst davor ist ihr Kapital, das ihnen politischen Einfluß garantiert. Da werden permanent Szenarien von Angst und Hoffnung wie Hollywoodfilme nach Drehbuch produziert. Da wird der Klimawandel als Weltuntergang inszeniert, da wird von Kevin Parker, Chef des Assetmanagements der Deutschen Bank, der Klimawandel als größter Investmenttrend aller Zeiten beschrieben: „Zehn Billionen wird die Umwandlung zu einer klimafreundlichen Weltwirtschaft kosten.“ Während das Wetter auf der Erde macht, was es will, hat der Mensch das vergangene Wetter zu „Klima“ verdichtet und spielt im Computer mit ihm. Im Gegensatz zum Wetter ist das tote Klima gehorsam und macht, was die Klimaexperten wollen. Und diese sind international vernetzt, lange bevor Piraten das Netz entdeckten. Die Piraten sind in ein System weitgehender Gedankenkontrolle hinein geboren. Sie sind unbewußt Gefangene des Netzes.
Wer sich nur im Netz bewegt und „twittert“, verhält sich wie eine Mücke, die zwar zittert, aber im Netz gefangen bleibt. Sie kann ihm nicht entrinnen. Auch Menschen, die sich ganz dem Netz anvertrauen, es als Wahrheitsinstanz akzeptieren und dessen Angebote ungeprüft übernehmen, mögen zwar untereinander lustig kommunizieren, sie bleiben aber vorgestanzten Meinungen verhaftet. Die Piraten fühlen sich als Gutmenschen, als Weltverbesserer, die wie der Google-Chef Larry Page daran glauben, „daß es möglich ist, Geld zu machen, ohne böse zu sein“. Unter dem Vorwand, bloß das Wissen der Welt zu ordnen und allgemein zugänglich zu machen, werden die Nutzer nicht nur zu transparenten, sondern ausspionierten, ferngesteuerten, gleichgerichteten Konsumenten. Auch das Netzwissen muß überprüft werden, um Information und Desinformation streng zu trennen. Nur der kann das Netz sinnvoll nutzen, der zuerst hart investiert – in seinen eigenen Verstand.
Beispielsweise hat sich bei den Piraten noch kein Proteststurm dagegen erhoben, daß Klimaexperten die Erde in einen Glaskasten gesperrt und sie daraufhin zu einem Treibhaus deklariert haben. Schlimmer, sie haben die Erde zu einem „geschlossenen Ökosystem“ gemacht, obgleich jeder weiß, daß die Erde ein offenes System und nur als offenes System lebensfähig ist. Alles Leben auf der Erde ist auf die Zufuhr von Sonnenenergie angewiesen, auf den Befehl „Es werde Licht!“. Nur die hochenergetische Solarenergie bringt Licht und Wärme, damit Pflanzen wachsen können. Auch Mensch und Tier leben von der Energie der Sonne, die über die CO2-Assimilation in den Pflanzen gespeichert wurde. Die Erde hat zur Sonne ein stets offenes Strahlungsfenster, das von etwa 0,4 bis zu 3 Mikrometer reicht. Einen Raum, in dem Durchzug herrscht, kann man kaum als geschlossen ansehen.
Und wenn in das Erdsystem ständig gigantische Mengen von Energie einströmen, dann muß auch ein Abfluß vorhanden sein, damit es zu keinem Hitze- oder Wärmetod kommt. Die überschüssige, das Leben durch Wärmestau gefährdende Energie wird von der Erde als Abwärme in das Weltall entsorgt, das nach Albert Einstein (1879-1955) im Gegensatz zur menschlichen Dummheit nicht unendlich sein soll. Die Abwärme entweicht unsichtbar durch das offene Infrarot-Fenster zwischen 7 und 13 Mikrometer, so die Bundestags-Enquete-Kommission Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre in ihrem Bericht vom 2. November 1988. Alle Wärmestrahlung der Erde zwischen -50 und +100°C geht mit Lichtgeschwindigkeit, ohne absorbiert zu werden, ins Weltall. Dieses von Natur offene Strahlungsfenster ermöglicht die Fernerkundung der Erde aus dem Weltraum. Nur deswegen ist es möglich, mittels Wetter- oder Spionagesatelliten mit entsprechenden Wärmebildkameras über die Körperstrahlung die Temperaturen von Objekten zu messen, seien es Autos, Gebäude, Menschen, Radaranlagen, Raketenstellungen oder Panzer. Nichts bleibt dem Infrarot-Auge verborgen.
Würden die Piraten das Stichwort „Treibhauseffekt“ eingeben und www.kernfragen.de anklicken, dann würden sie folgendes als Basisinformation lesen: „Als Ursache für den Klimawandel wird der sogenannte Treibhauseffekt angesehen. Mit dem Begriff Treibhauseffekt wird die Erwärmung eines Planeten durch Treibhausgase und Wasserdampf in der Atmosphäre umschrieben. Der Begriff kommt aus dem Gartenbau: Ein Gewächshaus, das nur aus Glasscheiben besteht und dessen Innenraum bei Sonnenstrahlung stark erwärmt wird, nennt man Treibhaus. Durch diese Wärme können Pflanzen vorzeitig austreiben, blühen und fruchten. Wissenschaftlich betrachtet steht der „atmosphärische“ Treibhauseffekt für einen Wärmestau auf der von der Sonne angestrahlten Erde. Hier werden unstatthafte Vergleiche angestellt, wird in hohem Maße Volksverdummung betrieben. Welch ein Unsinn wird da unter dem Deckmantel der Wissenschaft im Netz angeboten! Wo ist der Pirat, der feststellt, daß erst die Existenz der Atmosphäre den „Wärmestau“ verhindert, durch thermischen Auftrieb, durch Konvektion?
Diese Tatsachen sind schulisches Physik-Allgemeinwissen, doch den Piraten bleiben diese offensichtlich verborgen, weil sie sich gläubig ganz auf das Netz verlassen. Doch im Netz dominieren die Treibhaus-Fanatiker und unterdrücken massiv gegenteilige Meinungen. Sie sind dabei nicht zimperlich und bedienen sich aller Mittel der Demagogie, der üblen Nachrede, der Ehrabschneidung und des „Mobbing“. Ihre Intoleranz ist grenzenlos, ein Diskurs mit Austausch fachlicher Argumente unmöglich. Dabei ist seit 2000 der Geist aus der Flasche durch das mutige Bekenntnis des Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft Hubert Markl: „Lug und Trug sind integrale Bestandteile des Forschens“. Wissenschaftler sind keine Götter sondern gemeine Menschen! Im Netz haben die Mächtigen das Sagen, und die Piraten können sich nur in dem Rahmen frei bewegen, der vorher abgesteckt worden ist. Ihr Anspruch, die Gesellschaft zu verbessern, ist ein Wunsch, der an der Realität scheitert. Die Hirten haben ihre Herden fest im Netz! Und die Maschen werden immer enger.
Die Grünen habe die Piraten-Gefahr erkannt. Sie beanspruchten bisher das alleinige Gutmenschenmonopol. Offensichtlich haben sie zu spät gemerkt, daß sich außerhalb ihrer ideologischen Fangnetze Subkulturen entwickelt haben, die nun zu einer ernsthaften Konkurrenz heranwachsen können. Auch in den anderen etablierten Parteien ist das Unmut-Potential so groß, dass die Piraten zunächst von allen Seiten regen Wählerzuspruch erhalten. Das ist ja auch der ursprüngliche Sinn der Piraterie wie der Straßenräuberei, sich ohne Arbeit und großen Aufwand den Besitz fremden Eigentums anzueignen. Dies gelingt am besten zu Zeiten, wo die „Politikerkaste“ insgesamt, mag sie es auch noch so abstreiten und leugnen, nach dem Kirchenvater Augustinus (354-430) eine „Räuberbande“ bildet, die es auf die schützende Wolle ihrer Schafe abgesehen haben, um dann den schutzlos frierenden Schafen Plastiksäcke umzuhängen.
Daß die Piraten hieran etwas ändern werden, ist beim besten Willen nicht zu erkennen. Seit Jahren verfolgen sie, wie das für alles Leben notwendige Kohlenstoffdioxid-Molekül CO2 zum „Klimagas, Treibhausgas, Klimakiller oder Umweltgift“ abgestempelt, bekämpft wird. Die Piraten können nicht aufbegehren und protestieren, weil sie ihre Weisheit aus dem Netz haben, sie die Lügen nicht als Lügen erkennen. Darin sind alle Meinungsgegner derart diskreditiert, so daß man sich mit ihnen tunlichst nicht am Tage blicken läßt. Es ist das Netz, das solch einen Betrug nicht verhindert, sondern eher begünstigt, weil das Netz das gedankenlose Abschreiben fördert und belohnt. Wer abschreibt, nicht zitiert und erwischt wird, über den sinkt das Fallbeil der Pharisäer. Der wer Unsinn blind abschreibt, ihn zitiert und im Netz verbreitet, der ist des Lobes des politisch mächtigen Zeitgeistes sicher. Bedenke: Die Spinnen, die das Netz gesponnen haben, sind schlauer als die in ihnen gefangenen Fliegen!
Die Piraten bringen zwar buntes Leben und mehr Vielfalt in das Spektrum der politischen Parteien, aber leider haben sie (noch) nicht die Reife und das Format, auch ob ihres allzu egoistischen und engstirnigen Freiheitsbegriffes, das Ruder rumzureißen und den Kurs zu steuern, der das allgemeine Wohl befördert und nicht die Partikularinteressen einzelner gesellschaftlicher Gruppen. Auch die Piraten sind Produkte der Zeit. Sie wollen auf den Zug der Zeit aufspringen, aber ob sie ihn wirklich steuern können, das ist die große Frage. Diese müßten sich vor allem die bestehenden Parteien stellen, denn Neues wächst dann am Rande, wenn der Innenbereich geistig ausgedorrt ist.
Solange die Fiktion von der Erde als Treibhaus im Netz dominiert, die Erde bildhaft in einer Glaskugel steckt, ist ein fruchtbringender „geistiger Regen“ nicht zu erwarten. Energie, Wasser und CO2 sind die Grundsubstanzen, aus denen per Photosynthese pflanzliches Leben erwächst. Richtig bei obiger Definition des „Treibhauseffektes“ ist, daß ein Gewächshaus innen durch Sonneneinstrahlung erwärmt wird. Falsch ist dagegen die Aussage, daß die „Erwärmung eines Planeten“ nicht durch die Sonne, sondern durch „Treibhausgase“ erfolgt. Diese Gedankenlosigkeit beim Lesen von Texten müssen wir teuer bezahlen!
Normalerweise sollte man ja nicht mit Steinen werfen, wenn man im Glashaus sitzt, doch in der jetzigen Situation ist es zwingend notwendig. Steine als geistige Wurfgeschosse findet man im Buch „Propheten im Kampf um den Klimathron – Wie mit Urängsten um Geld und Macht gekämpft wird“ (ISBN 978-3-00-035070-2). Es ist auch im Netz über Amazon zu beziehen!
Dr. Wolfgang Thüne, Dipl.-Meteorologe
Oppenheim, 8. April 2012