Die Grünen sind äußerst schmerzhaft zurück in die politische Wirklichkeit geworfen worden. Mitsprache, Bürgerbeteiligung, Basis-Demokratie – Sprüche von gestern! Wenn´s um die (Kandidaten-) Wurst geht, ist sich jeder selbst der Nächste.
„Basisdemokratische Elemente“ – das war einst das Credo der Grünen, Lang, lang ist´s her. Wenn es um den kommenden Kanzler, äh die Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland geht, kriegt die grüne Parteiführung kalte Füße. „Urwahl!“ schallt der Ruf der Basis angesichts von vier veritablen Kandidaten. „Urwahl!“ rief die grüne Roth zunächst zurück. Urwahl? Wie denn, wo denn, was denn?
Wenn es drauf ankommt, wer der/die Kanzlerkandidat(in) der Grünen im kommenden Bundestagswahlkampf werden soll, versagen die Basis-Reflexe. Die „Basis“ ist offensichtlich zu blöd, die Balance zwischen Realos und Fundis einerseits und zwischen Männlein und Weiblein andererseits auszutarieren. Und so geht es bei den Grünen wie bei allen – bisher bekämpften – Parteien: Die Entscheidung wird doch lieber in die Hinterzimmer der (grünen) Machthaber verlagert und die geplante Urwahl abgesagt.
Das Experiment, festzustellen, wie und ob eine direkte Beteiligung von Bürgern bzw. Parteimitgliedern erfolgreich sein kann, ist nunmehr an die „Piraten“ delegiert – den Erzfeinden der Grünen. Denn die stürzen sich – wie vor dreißig (!) und mehr Jahren die Grünen – unbekümmert in ein Direktbeteiligungsmodell mit unklarem Ausgang, und das Wahlvolk schaut amüsiert, ja begeistert der Aufführung dieser Freibeuter zu.
Angesichts von 14-15 Prozent Umfrageergebnissen für die Grünen und 7-10 Prozent für die „Piraten“ sollte dies nicht weiter interessieren. Aber es lohnt sich, über die Ausgangslage tiefer nachzudenken: Die Grünen hatten, und die Piraten haben, Zulauf, weil sich der „gemeine Bürger“ bzw. das „einfache Parteimitglied“ von den Alt-Parteien nicht ernstgenommen fühlte. Und das gilt von der Bundestagsfraktion über den Bundesvorstand bis hinunter zu den Kreisvorständen für nahezu alle Entscheidungen. Keine Wahl ohne vorbereitete „Vorschlagsliste“ der Etablierten. Wer dagegen aufmotzt, ja dagegen kandidieren will, gilt als Störenfried und hat kaum Aussicht auf Erfolg.
Ein Geheimnis der Erfolgswelle der Piraten ist eben, daß dort jeder mitmachen kann. (Ob das funktioniert, ist eine ganz andere Frage.) Jedenfalls suggerieren die Piraten: „Du kannst, Du darfst, Du wirst respektiert!“ Genau das fehlt bei den etablierten Parteien – inklusive der Grünen. Wenn nun die Urwahl bei den Grünen abgeblasen wird, ist das eine Bankrotterklärung ihrer eigenen Ideologie: Hinterzimmer statt Basis!
Die Grünen sind in der rauhen Wirklichkeit angekommen und müssen sich wieder hinten anstellen.