Viel schneller als üblich hatte Deutschlands Kanzlerin ihr Urteil gebildet – und ihr Ziel durchgesetzt: Die Energiewende muß her! Dieser Imperativ war unter dem Eindruck der Fukushima-Katastrophe entstanden – und führte zu hektischen Aktionen.
Nun zeigt sich immer deutlicher, daß die Konsequenzen nicht ausreichend bedacht wurden. Bei Klimaschutz, Energie (-Preisen) oder Importabhängigkeit sind mehr Fragen offen als geklärt. Diese Bundesregierung stellt sich bei der Bewältigung der Probleme immer wieder neu ein Armutszeugnis aus.
Quasi „aus dem Bauch heraus“ wurde die „Energiewende“ ausgerufen, die vor allem aus dem überhasteten Abschalten der Atomkraftwerke ihre Entsprechung fand. Doch postwendend entstand die Frage, wo denn der „abgeschaltete“ Strom so plötzlich herkommen und wie er zu uns Bürgern (und Industriebetrieben) gelangen könnte. Hätte Merkel nicht nach dem Bauchgefühl, sondern nach der reinen Vernunft gehandelt, hätte sie mit ihren Gefolgsleuten erst einmal die Alternativen beraten müssen.
Nun ist der Katzenjammer groß. Der Leitungsausbau (für den Transport der „alternativen“ Energien) wird kaum in der nötigen Geschwindigkeit herzustellen sein – heute eine Binsenweisheit. Neu ist die Frage der Haftung. Und diese Haftung wird schwupp-die-wupp auf die Verbraucher, also auf die Bürger, übertragen.
Warum? Das erkennt man schnell, wenn man sich die Vorgeschichte anschaut: Der holländische (staatliche!) Netzbetreiber Tennet hatte sich zum Netzanschluß aller Windparks in der Nordsee verpflichtet. Im letzten November (2011) schrieb er der Regierung, daß er das „leider nicht mehr leisten“ könne – und schob die (unausgesprochene) Drohung nach, daß „dann die Energiewende scheitern“ werde. Ende Februar dieses Jahres legte Tennet nach – in einem Schreiben an den FDP-Umweltexperten(?) Philipp Rösler, der unschuldigerweise auch Wirtschaftsminister Deutschlands ist: Es müsse „vor weiteren Aufträgen für den Anschluß von Offshore-Windparks bei der Haftung neue Regeln geben“. Tennet schob eine an Deutlichkeit nicht zu überbietende Klarstellung nach: „Wo Versicherungen nicht mehr einspringen, muß es eine Sozialisierung der Schäden geben.“
Die Drohung hatte Erfolg: Wirtschafts- und Umweltminister erarbeiteten eine entsprechende Gesetzesvorlage, die am letzten Freitag im August als Kabinettsvorlage beschlossen wurde. Sie erlaubte den Windparkbetreibern und Netzgesellschaften, den größten Anteil aller Risiken (also Schäden) auf die Stromverbraucher abzuwälzen. Dazu zählen z. B. der Ausfall der Einnahmen bei verzögertem Netzanschluß oder auch technische Schäden.
Verbraucherschutzministerin Aigner, anfangs eine Gegnerin der Belastung der Verbraucher – Originalzitat: „Die Neuregelung (zu Lasten der Stromverbraucher) sind kaum beherrschbar und mit marktwirtschaftlichen Prinzipien nicht zu vereinbaren“ – strich bereits nach acht Tagen die Segel: kein kritisches Wort mehr. Also bleibt es bei der Privatisierung der Energiewende-Gewinne und der Sozialisierung ihrer Verluste. Amateurhaft – und auf Kosten der Bürger.