Wie wird die US-Präsidentenwahl 2012 ausgehen? “Four more years” oder erneut “Change”? Alle in Deutschland zitierten Meinungsumfragen sprechen eine eindeutige Sprache: Barack Obama wird gewinnen, zwar nicht so deutlich wie 2008, jedoch immerhin mit einem Vorsprung in den Swing-States. Ob die “popular vote”, also die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, bundesweit erreicht wird, ist nicht sicher, aber letztlich auch ohne Bedeutung.
Wenn sich alle einig sind, dann kann man TV und www.usaaktuell.wordpress.de ruhig unbeachtet lassen. Das wird jedoch niemand, der sich mit der Materie befaßt hat, tun. Ganz im Gegenteil!
Erstens: Erinnern wir uns noch an den Obama-Hype von 2008? Damals kam der junge, unverbrauchte Senator so frisch daher, daß er fast zum Knuddeln war. Unpolitische Menschen gerieten ins Schwärmen, waren geradezu aus dem Häuschen. Vier Jahre Bush jr. gingen zu Ende. Dieser Präsident, dessen Verdienste vielleicht einmal später gewürdigt werden, war unglaublich unpopulär. John MCain, der republikanische Präsidentschaftskandidat 2008 vermochte es nicht, aus dem Schatten seines Parteifreundes zu gelangen. Dennoch: Selbst 2008, als die Republikaner auf einem Tiefpunkt angelangt waren, schaffte es John McCain 173 Wahlmännerstimmen auf sich zu vereinen. Das war nicht wenig. Barack Obama hatte zwar einen erheblichen Vorsprung, aber von einem Erdrutschsieg konnte trotz glänzender Ausgangsposition nicht die Rede sein. George McGovern erhielt gerade einmal 13 Wahlmänner 1972 gegen Nixon und auch Mondale mußte sich mit 17 Anhängern im electoral college begnügen, als er sich 1984 gegen Ronald Reagan versuchte.
Erstaunlicherweise gehen die meisten Meinungsumfragen von einer gleichartigen Wahlbeteiligung aus wie vor vier Jahren. Sofern diese Vermutung zugrunde liegt, sind die Meinungsumfragen irreführend. Es wird, da legen wir uns von usaaktuell fest, eine geringere Wahlbeteiligung auf der demokratischen Seite geben, da dem Rausch der Kater gefolgt ist. Auf der anderen Seite werden mehr Republikaner im Wahllokal erscheinen als 2008.
Zweitens: Der Enthusiasmus bei den Obama-Anhängern ist niedriger. Aus einer mittleren Universitätsstadt in Pennsylvania kann der Verfasser dieses Beitrags berichten, daß die Demokraten nicht mehr packenweise die Wahlregistrierungen der begeisterten Studenten einsammeln können wie anno dazumal 2008. Aus dem Strom ist ein Rinnsal geworden.
In vielen Bundesstaaten hat Obama 2008 nur eine hauchdünne Mehrheit gewonnen, das wird ihm 2012 so nicht wieder gelingen. Man kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, daß Romney alle Staaten, die McCain 2008 gewann, halten wird, es fehlen ihm dann 97 Wahlmännerstimmen. Das ist nicht die ganze Wahrheit. Im Jahr 2010 hat es eine Volkszählung gegeben. Dadurch haben sich die Stimmengewichte im electoral college verschoben. Würde das Ergebnis 2012 genauso ausfallen wie vier Jahre zuvor, hätte McCain 14 Stimmen mehr gewonnen, die Differenz hätte 83 Stimmen betragen.
29 fehlende Stimmen werden vermutlich aus Florida kommen, so daß weitere 54 gewonnen werden müssen. Virginia, North Carolina und Indiana scheinen derzeit ebenso zum republikanischen Herausforderer zu tendieren – macht weitere 39 Stimmen, es würden dann noch 15 Stimmen fehlen. Diese könnten aus Colorado (8), Ohio (18), Pennsylvania (20), New Hampshire (4) oder Iowa (6) kommen, wo das Rennen keineswegs entschieden ist, auch Wisconsin, Heimatstaat des republikanischen Vize-Kandidaten (10) liegt in Reichweite.
Wie schon vor einer Woche, als Sturm Sandy tobte und an dessen Rockschößen Obama versuchte, wieder Boden unter die Füße zu bekommen, prophezeien wir von usaaktuell einen Machtwechsel in Washington. Am 20. Januar 2013 wird Mitt Romney auf den Stufen des Kapitols den Amtseid leisten.
Claus Dehl, Washington-Korrespondet
5. Nov. 2012