Mitgefühl für die Menschen in Newtown

(Von Claus Dehl und Peter Helmes)

Es hat uns einfach die Sprache verschlagen. Das Attentat von Newtown im beschaulichen Connecticut ist so unfaßbar, daß wir vom USA-Aktuell-Team erst nach mehreren Tagen einen Beitrag schreiben konnten. Seit einigen Jahren sind wir ja fast schon daran gewöhnt, daß im Abstand weniger Monate schreckliche Amokläufe geschehen, die dann für alle Zeiten mit einer Stadt in Verbindung gebracht werden. In Deutschland sind Emsdetten, Erfurt, Lörrach und Winnenden in Erinnerung, in Finland Jokela und Hyvinkää, in Großbritannien ist es Cambria, in Brasilien Realengo, in den Niederlanden Alphen an den Rijn, in der Slowakei Devinska. Im vergangenen Sommer richtete ein Irrer in und nahe Oslo ein Blutbad an. Die Liste ließe sich verlängern. In den USA fand das bisher schlimmste Schulattentat am Virginia Tech College statt.

Newtown ist einzigartig, weil die meisten Opfer Kinder im Grundschulalter sind. Ihre Gesichter in den Zeitungen zu sehen, zerreißt uns das Herz. Ihnen und den erwachsenen Opfern, die sterben mußten, weil sie die Kinder beschützen wollten, sowie allen Hinterbliebenen und der amerikanischen Nation gilt unser aufrichtiges Mitgefühl. May God bless you, dear friends.

Nun wird überall auf der Welt darüber diskutiert, wie solche Verhängnisse verhindert werden könnten – eine schwierige Frage, die schon gar nicht gegenseitige Vorwürfe erlaubt. Niemand, der nicht geistesgestört ist, will einen gewaltsamen Tod, schon gar nicht der von unschuldigen Kindern.

Schärfere Waffengesetze kein Allheilmittel

Seit diesem schrecklichen Attentat hat die Diskussion darüber reflexartige Ausmaße angenommen – vor allem auch in deutschen Medien – mit dem Grundtenor, ob schärfere Waffengesetze das Blutbad hätten verhindern können. Es ist gut und richtig, daß diese Frage gestellt wird. Falsch ist es jedoch, die politische Diskussion auf dieses Thema zu beschränken. Die Tatsache, daß jemand eine Waffe besitzt, macht ihn nicht zum Mörder. Das dürfte auch der Grund dafür gewesen sein, daß Präsident Obama in seiner ersten Reaktion auf den Amoklauf zwar davon sprach, daß bedeutsame Schritte zum Schutz der Kinder unternommen werden müssen, dabei jedoch eine Festlegung vermied, wie das zu erreichen sei.

Am politischen Ziel, unschuldige Kinder (und auch Erwachsene) vor Gewalt zu schützen, kann es keine Zweifel geben. Gewalt völlig zu verhindern, wird jedoch in den USA genauso wenig möglich sein wie anderswo auf der Welt. Wenn es so wäre, daß scharfe Waffengesetze solche Wahnsinnstaten zu verhindern in der Lage wären, wie ist dann “Erfurt” zu erklären, wie “Winnenden”? Wenn man meint, durch schärfere Auflagen beim Waffenverkauf unschuldiges Leben beschützen zu können, wieso ist dann “Oslo” möglich gewesen?

Müßte man das Problem nicht eher von der anderen Seite her angehen? Wenn Sicherheit nicht dadurch zu erreichen ist, daß man Waffen verbietet, dann sollte eher der Schutz vor den Waffen verbessert werden. Vor etwa vierzig Jahren waren Flugzeugentführungen groß in Mode, sie geschahen überall auf der Welt und in recht kurzen Abständen. Wer erinnert sich nicht an “Entebbe” oder “Mogadishu”? Das waren nur die spektakulärsten Fälle, Flugzeugentführungen gab es zuhauf, und sie geschahen mit Waffengewalt.

Obwohl keinerlei schärfere Waffengesetze erlassen wurden, ist das Phänomen der Flugzeugentführung verschwunden. Dies gelang, weil durch Metalldetektoren das Einschmuggeln von Waffen in Flugzeuge verhindert wurde.

Wäre es nicht einen Gedanken wert, auch Schuleingänge durch Metalldetektoren zu sichern, so wie es ja auch mittlerweile an den Eingangspforten selbst des kleinsten deutschen Amtsgerichts geschieht? Sollten Kinder nicht mindestens genauso gut geschützt werden wie Richter, Rechtsanwälte, Zeugen und Gerichtsbesucher? An jedem Eingangstor zu einem Zweitliga-Bundesligastadion werden die Besucher mit Metalldetektoren untersucht. Sollte das nicht auch möglich sein an der Schulpforte?

Diese Gedanken sollte man nicht nur in Amerika weiterverfolgen, auch in Deutschland bestünde Grund dazu, bevor sich ein neues “Erfurt”, ein neues “Winnenden”, ein neues “Emsdetten” ereignet. Apropos: Was ist eigentlich in Deutschland geschehen, um solche Greueltaten zu unterbinden?
Daß schärfere Waffengesetze Unheil verhindern, ist ebenso unbewiesen wie das Gegenteil. Es gehört diskutiert. Man macht es sich aber ganz gewiß zu einfach, wenn man es bei dieser Diskussion beläßt. Ein Waffenverbot ist in den USA weder durchsetzbar noch wünschenswert. Das verfassungsmäßig verbriefte Recht, eine Waffe zu tragen, hat ihren guten Grund in einem Land, das so groß ist, daß viele Menschen weit weg von der nächsten Polizeistation leben und sich auch der Bedrohung durch gefährliche Tiere ausgesetzt sehen. Solche leben nicht nur irgendwo im “Wilden Westen” sondern auch in Newtown CT (Bären) vor der Haustüre, eine gute Stunde von New York City entfernt.

Der Respekt vor den Opfern gebietet es, eine Diskussion in aller Sachlichkeit zu führen. Niemandem ist damit gedient, einen Popanz aufzubauen und wirklich zielführende Maßnahmen gar nicht erst auszuprobieren.

(www.usaaktuell.wordpress.com)

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