Kurzkommentar zur Landtagswahl in Niedersachsen am 20.01.2013
Auf den ersten Blick haben nun wieder (fast) alle gewonnen:
– Die SPD ein wenig, stellt aber wohl den nächsten Ministerpräsidenten.
– Die CDU „eigentlich“, weil sie viele Stimmen an die FDP abgab.
– Die FDP viel, aber nur vermeintlich; denn die meisten Stimmen kamen von der CDU.
– Die Grünen viel, zittern aber um ihren sozialistischen Koalitionspartner SPD.
Nein, es gibt bei keiner Partei Grund genug zu Euphorie. Denn jede Analyse der Landtagswahl in Niedersachsen muß auch den Blick auf die Bundestagswahl umfassen. Deshalb sollte sich der Jubel bei Rot/Grün in (engen) Grenzen halten, bei Schwarz/Gelb erst recht. Für beide Lager bleibt noch viel zu tun, insbesondere im Vergleich zum niedersächsischen Ergebnis bei der Bundestagswahl 2009:
Partei Zweitstimmen(BT) Erststimmen(BT) Landtag 20.1.13 (in Prozent)
SPD 29,3 35,8 32,6
CDU 39,2 38,5 36,0
FDP 13,3 7,9 9,9
Grüne 10,7 8,4 13,7
Kampfansage an Angela Merkel
Die Zusammenstellung zeigt, daß die Sieger der kommenden Bundestagswahl noch längst nicht feststehen, zumindest, wenn man das Ergebnis der Landtagswahl in N.-Sachsen zugrunde legt (was natürlich „hinkt“).
Mit ihrem knappen Wahlsieg machen die Rot/Grünen eine deutliche Kampfansage an die Bundeskanzlerin, die als CDU-Vorsitzende erneut eine schwere Schlappe hinnehmen mußte. Sie wird sie aussitzen. Jedenfalls dürften sich eher konservative Wähler keine großen Hoffnungen auf eine Wende machen. Da hilft auch das Schielen auf die FDP wenig; denn die Liberalen haben wieder einmal gezeigt, daß sie keine eigenständige Kraft sind, sondern nur als Wurmfortsatz der CDU mit Hilfe von Leihstimmen bestehen können. Es darf erinnert werden, daß die CDU noch bis wenige Tage vor der Landtagswahl in allen (!) Umfragen bei 39-40 % lag, die FDP aber nur bei 2-3 %. Diese Bluttransfusion von Schwarz zu Gelb war für die CDU letztlich ein zu großer Aderlaß, der bei der Bundestagswahl gewiß nicht wiederholt wird.
Zeitbombe Steinbrück
Der mit so vielen Vorschußlorbeeren zum Kanzlerkandidaten gekürte Peer Steinbrück hat der niedersächsischen SPD geschadet – wie er kleinlaut selbst einräumte („Es tut mir leid…“). Es erscheint mehr als fraglich, daß das Ergebnis von Hannover der SPD genügend Rückenwind verschaffen wird. Der Unmut über die Genossen im Bund und speziell über Steinbrück ist noch nicht verraucht.
Peer bleibt der Problem-Bär der Sozis. Er ist zu eitel, sich zu bremsen und im Zaum zu halten. Offensichtlich kann er aus seiner Haut nicht raus. Man wird ihn also einzubinden versuchen und den Wahlkampf weniger auf ihn als auf die bald 150-jährige Partei stützen, um erneute oder gar größere Ausrutscher des Kandidaten zu verhindern, zumal der mit den Grünen immer noch nicht so recht warm wird.
Aber die SPD hat keinerlei personelle Alternative. Stellen Sie sich doch einmal Nahles, Platzeck oder Wowereit in einem Bewerbungsgespräch in der freien Wirtschaft vor. Sie hätten keine Chance. So bleibt ihnen doch nichts anderes als Politik oder Sozialhilfe. So bleibt der SPD nur Steinbrück! Und Sigmar Gabriel möchte gar niemand, nicht einmal die eigene Partei.
Eiskalte grüne Strategen
Die Gewinner der Wahl sind eindeutig die Grünen (auch wenn sie um die SPD bangen müssen). Sie haben dank des kommunistisch geschulten Strategen Trittin einen klugen Wahlkampf geführt und sich geschlossen präsentiert – immer schön mit der Rollenverteilung nach Zielgruppen: Das Trio Kretschmann/Kuhn/Göring-Eckardt für die „Bürgerlichen“, das Duo Trittin/Roth für das linke Herz der Grünen.
Ihr Vorteil nach wie vor: Sie präsentieren sich mit dem Markenkern: „Zurück zur Natur“ und – besonders durchtrieben: „Zurück zu „bürgerlichen“ Werten. Unverhohlen okkupieren sie auch schon den Begriff „konservativ“. Und wir merken nichts. Trittin frißt kiloweise Kreide und gibt den Staatsmann, nach außen äußerst glaubwürdig. Ich kann nirgendwo eine Gegen-Strategie der CDU zur Strategie der Grünen entdecken. Viel schlimmer: Die CDU gibt sich viel Mühe, die Grünen an „Modernisierungswahn“ zu übertreffen. Es ist aber eine alte Weisheit, daß die Bürger lieber das Original wählen.
Und noch etwas alarmiert am Ergebnis der Wahl: Mit dem Wahlsieg in Niedersachsen gibt es erstmals wieder seit 1999 eine linke Mehrheit im Bundesrat, die Merkel vor sich hertreiben wird (Mehrheit im Vermittlungsausschuß, gesetzlicher Mindestlohn, Abschaffung Betreuungsgeld, Tempolimit, Verspargelung etc. – vom unbezahlbaren Wirtschaftsprogramm ganz zu schweigen). Da kommt den Grünen eine neue Bedeutung zu: Sie können ihren Partner SPD leichter erpressen als bisher, in Niedersachsen mit der 1-Stimmen-Mehrheit sowieso. Der Schwanz wird also kräftig mit dem Hund wedeln.
Bleiben noch zwei Feststellungen zum Schluß:
– Eindeutige Verlierer der Niedersachsenwahl sind die Linkspartei und die Piraten. Es lohnt nicht, darüber mehr Worte zu verlieren. Die Linke wird sich in die neuen Bundesländer verkrümeln, die Piraten werden zu einer Randnotiz der neueren Geschichte.
– Eindeutige Verlierer sind aber auch und vor allem die Meinungsforschungsinstitute, Sie haben nicht (und können es wohl auch nicht) berücksichtigt, daß sich „Wechselwähler“ zunehmend in letzter Minute entscheiden – und wechseln. Und: Diese Bürger entscheiden anders, als die schlauen Wahlforscher meinen. Dies wiederum heißt für alle Parteien: Kämpfen bis zur letzten Minute!