Ja, wir haben einen neuen Papst. Sein Name könnte Programm sein: Franziskus. Nichts Genaues wissen wir aber noch nicht. Was wir aber jetzt auch wissen: Wir haben einen erbärmlichen öffentlich-rechtlichen Rundfunkt. Die Berichterstattung über die Papstwahl aus Rom war eine einzige Blamage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland. Da sonderte der nach Rom entsandte ZDF-Chefredakteur (!) Peter Frey nichtssagende Sprechblasen ab der Güteklasse „Da ist weißer Rauch. Gleich werden wir wissen, wer der Neue ist“, oder: „Hier stehen viele Menschen und Pilger und warten…“ usw. Darüber könnte man noch hinwegsehen. Skandalös war jedoch seine mehrmals getätigte Ansage: „Heute Abend haben wir zwei Höhepunkte: Das Ergebnis der Papstwahl und das Spiel Arsenal London gegen Bayern München. Hoffentlich erfahren wir rechtzeitig das Ergebnis aus dem Konklave, dann schalten wir sofort um zum Fußball…“ Ich traute meinen Ohren nicht: Zwei abendliche „Höhepunkte“ – ein Fußballspiel versus Papstwahl. Tiefer kann eine Berichterstattung nicht sinken. Wenn man aber weiß, daß Peter Frey sich seine ersten journalistischen Sporen bei der Frankfurter Rundschau und der „Zeit“ verdient hat, wird vieles klarer.
Aber dann: Der ebenfalls öffentlich-rechtliche Deutschlandfunk (DLF) setzte noch eins drauf: Der neue Papst war kaum gewählt, da fuhr der DLF die üblichen Papstkritiker auf – von Hans Küng über Göring-Eckardt, Wolfgang Thierse und Alois Glück bis hin zu Julia Klöckner (die letzten drei auch Mitglieder des ZK der Deutschen Katholiken). Ein Vertreter der Papst-Befürworter in Gestalt Bischof Ackermanns kam erst am nächsten Tag zu Wort. Küng merkte man an, daß er die Wahl dieses Papstes noch nicht so recht einordnen und „verdauen“ konnte. Er faselte in etwa so: „Ich hatte mir keinen Reaktionär erhofft…Ich bin von der Person des neuen Papstes überrascht…und: Er hat das Format für Reformen…“ Bla, bla.
Julia Klöckner erhoffte sich gleich vom Papst „Modernisierung. Dazu gehören für mich das Diakonat der Frau und die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Eucharistie…“ Eine besondere Diskussions-Innovation brachte die in Religionsfragen hochkompetente Frankfurter Rundschau, die „…Pluralität und Geschmeidigkeit in Fragen der Glaubens- und Sittenlehre“ anmahnte – „Tugenden“, die sie füglich „aufgrund von Bergoglios bisherigen Einlassungen und seiner Nähe zur innerkirchlich konservativen Bewegung bezweifelt“… „Geschmeidigkeit“ in Religionsfragen? Ein gewiß abstruses Beispiel journalistischer Kunst.
Ein Einschub, ganz ohne Papst: Zur Borniertheit des öffentlich-rechtlichen Dudelfunks hier ein neuer Beweis: Obwohl die neue Partei „Alternative für Deutschland“ noch gar nicht gegründet ist, weiß die Tagesschau schon, daß sie „rechtsextrem“ sei (16.3.). Untadelige – wenn auch politisch durchaus umstrittene – Persönlichkeiten wie Prof. Henkel, Prof. Schachtschneider, Prof. Lucke etc. in die rechtsextreme Ecke zu stellen, beweist nur eines: Wer nicht auf der politisch korrekten, also „richtigen“ Seite steht, ist per se rechtsradikal. Ja warum nicht gleich ein „Nazi“? Und solche Sender wollen uns über Glaubensprobleme belehren?
Zurück zum Papst: Wie schaffen es gewisse Medienmenschen, ein oder zwei Tage nach der Wahl von Papst Franziskus schon ein Portrait dieses Pontifexes abzuliefern, ohne auch nur ein Wort, einen Satz seines zukünftigen Programmes als Papst gehört zu haben? Die Berichterstattung und die Kommentierung aus Rom waren bestimmt keine Sternstunden des Journalismus. Warten wir ab, was die nächsten Tage und Wochen an päpstlichen Botschaften bringen. Erst dann – und nicht eher – darf überhaupt über seine Ziele spekuliert werden. Die jetzt gelieferten „Urteile“ über den neuen Papst verlaufen wie zwischen Beton und Sand: hier der „knallharte, orthodoxe Betonkopf“ (gegen Homo-Ehe, Abtreibung etc.), dort der „Modernisierer, der Anwalt der Armen“. Als ob zwischen diesen beiden Polen keine Verbindung, keine Überbrückung („Pontifex“, lat.: Brückenbauer) möglich wäre! Das eine schließt das andere doch nicht aus. Lassen wir uns von Franziskus überraschen. Da wird sicher manch einer von seinen Illusionen „befreit“ werden. Gott sei Dank!
Eines darf festgehalten werden: Die katholische Kirche braucht Reformen – aber nicht des Glaubens (der steht seit 2000 Jahren fest), sondern der Organisation, vor allem der Kurie (Vatikan). Reform in Glaubensfragen? Ja, glaubt denn wirklich jemand, daß die Abschaffung des Zölibats oder die Erlaubnis, Frauen zum Priesteramt zuzulassen oder, oder… auch nur einen einzigen Gläubigen mehr in die Kirche treiben würde? Man braucht sich nur die Situation der protestantischen Kirchen anzuschauen: Dort gibt es keinen Zölibat, und Frauen können ungehindert alle pastoralen Aufgaben übernehmen – bis hin zu Bischöfin. Deren Kirchen sind aber nicht voller, sondern leerer als die katholischen.
Das Kernproblem der katholischen Kirche ist eine weit ausgreifende Krise unseres Glaubens. Mangelnder Mut zum offenen Bekenntnis, Nachhecheln hinter dem Zeitgeist, Materialisierung aller Lebensbereiche – da bleibt für Gott kein Platz mehr. Wir sollten uns an die eigene Nase fassen, ehe wir vom Problem ablenkend mit dem dicken Zeigefinger auf den Vatikan zeigen!