Das Landgericht Bonn hat die Klage von Angehörigen getöteter afghanischer Zivilisten gegen die Bundesrepublik Deutschland abgewiesen. Gewiß, das Urteil ist in seiner unerwarteten Klarheit hart und wohl auch für manchen unverständlich, aber es ist richtig. Oberst Klein (jetzt Bridadegeneral) handelte erkennbar im Sinne und zum Schutz der deutschen Soldaten, klassisch „Gefahrenabwehr“ genannt. Es war nicht nur die richtige Reaktion, sondern auch die gebotene, die er zeigte. Wer seine Soldaten schützt, tut seine Pflicht. Und darauf muß sich die kämpfende Truppe verlassen können. Das ist die Erkenntnis, die das Gericht aus dem tragischen Unglück in Kundus ziehen mußte.
Doch nun kommen die Bessermenschen, denen man an der Nasen- bzw. Schreibstiftspitze anmerkt, daß es ihnen weniger um die wieder einmal unschuldig getroffene Zivilbevölkerung geht als vielmehr um die Bundeswehr selbst, die manche gerne in Frage stellen. Da wird über ein „Scheitern des LG“, „moralische Fehlleistung“ und „lächerliche Entschädigung“ schwadroniert (Landeszeitung Lüneburg). Der Kölner Stadtanzeiger – seit eh ein geistiger Jungbrunnen vieler Alt-´68er – setzt noch eins drauf und wirft Oberst Klein vor, „fahrlässig das Leben von Dorfbewohnern aufs Spiel“ gesetzt zu haben. Die Braunschweiger Zeitung sucht das Heil in mehr Geld: „Die Bundesrepublik hätte den Familien noch einmal Geld zahlen können – als Geste des guten Willens. Diese Chance hat sie verpaßt…“
Zynisch, wie hier mit dem Leid der Opfer und ihrer Angehörigen umgegangen wird. Wieviel Geld hätten wir denn zahlen sollen? Was ist ein Menschenleben wert? Dieser Frage weichen die Klugsch..wätzer ebenso aus wie auch der Beantwortung der Frage, was das mit dem Urteil bzw. mit dem Recht zu tun hat. Das Urteil hat klargestellt, daß Oberst Klein niemals absichtlich Zivilisten töten wollte – womit auch die Frage der Moral beantwortet wäre. Das Gericht hatte nicht über Moralfragen zu entscheiden, sondern die Schuldfrage zu klären – und ist zu einem eindeutigen Urteil gelangt.
Was sind das für Besserwisser, die (bewußt?) ausblenden, daß in Kundus keine „Räuber-und-Gendarm-Spiele“ stattfinden, sondern daß es um kriegerische Auseinandersetzungen geht, denen naturgemäß auch Zivilisten zum Opfer fallen können. Zur Ursachenfindung sollte man bei den Taliban anfangen und nicht bei abkommandierten Soldaten, die lediglich ihre Pflicht tun. Für Soldaten im Kriegseinsatz gelten zumeist andere Regeln als im Zivilfall. Dazu gehört z. B. die Erfordernis, so viele Gegner wie nötig (und möglich) auszuschalten. Entscheidend sind dabei nur die Regeln des Völkerrechts und nicht der Codex civilis. Oberst Klein und seine Soldaten mußten davon ausgehen, den Feind zu treffen. Da kann man nicht noch schnell vorher ein Palaver veranstalten, eine Mehrheitsentscheidung durch Abstimmung herbeiführen oder in allen möglichen Heeresdienstanweisungen nachlesen, was nun zu tun sei. Im Einsatz gilt nur und bleibt nur die schnelle Entscheidung – mit Waffeneinsatz als ultima ratio.
Jetzt, nach dem Urteil des Bonner Landgerichts, haben unsere Soldaten endlich Rechtssicherheit. Und den Kritikastern sei ins Stammbuch geschrieben: Der Einsatz der Bundeswehr ist grundsätzlich eine politische Entscheidung, die die von uns gewählten Volksvertreter – jedenfalls die Mehrheit unter ihnen – getroffen haben. Wer ein solches Recht nicht will, muß sich entweder ein anderes Parlament oder ein anderes Recht wählen. Unsere Streitkräfte tun lediglich ihre Pflicht. Schadenersatz-Prozesse sind, das zeigt das Urteil auch, kein brauchbares Mittel, die Dimensionen von Schuld und Verantwortung in der Ausnahmesituation eines Krieges zu erfassen.
Fragwürdiger Umgang mit der Bundeswehr
Das Bonner Kundus-Urteil gibt aber auch den Blick frei auf eine andere Dimension des Umganges mit der Bundeswehr. Wie stehen wir zur Truppe? Ist sie Teil der Gesellschaft oder eine „geschlossene Gesellschaft“? Steht sie innerhalb oder außerhalb unseres Gemeinwesens? Moralinsaure Stellungnahmen, die nach solchen Ereignissen wie „Kundus“ haufenweise über die Bundeswehr ausgeschüttet werden, sind da wenig hilfreich. Diese Stellungnahmen kommen aber, meist ungefragt, weil sie zu „Grundsatzfragen der political correctness“ stilisiert werden. Und damit treten dann die Gut- und Besser-Menschen unseres Landes auf den Plan. Mit einem Pawlowschen Reflex reagieren alle „Menschen guten Willens“ hierzulande, sobald es um Soldaten geht. Ihr Kennwort heißt Frieden – so, als ob die Welt ganz selbstverständlich damit zu erklären und zu regieren wäre. Ist sie aber nicht – wie schon das Beispiel des Jesus von Nazareth beweist.
Keine „Sozialarbeiter in Uniform“
Bei diesem Thema stößt man auf die offensichtlich unvermeidbare Ex-Bischöfin Margot Käßmann, die erkennbar Probleme im Umgang mit der Bundeswehr hat. In „chrismon“ (12/2013) stellt sie u. a. fest: „…Die Geduld für Gespräche, Vermittlung mit dem Feind, Mediation sind hilfreicher als Waffengewalt…“ und führt uns mit ihrem Tunnelblick gar zu Willem Zwo zurück – was verwundert, weil sie sonst gerne der Erwähnung des Holocaust als Messlatte der deutschen Vergangenheit den Vorzug gibt. Sie schreibt (a.a.O.): „…Ich wünsche den Afghaninnen und Afghanen Frieden, gerade mit Blick auf das Jahr 2014, in dem die Armee eines Landes, das 100 Jahre zuvor andere und sich selbst mit entsetzlichem Kriegsleid überzogen hat, ihr Land verläßt…“ Die von den Taliban zuhause eingesperrten und dumm gehaltenen Afghaninnen werden diesen Käßmännichen „Gruß“ gewiß nicht zu hören bekommen. Und die kriegerischen Taliban werden ganz selbstverständlich ihre Waffen strecken, wenn Frau Käßmann mit dem Palmwedel winkt. Und mit „Mediation“ werden sie gewiß zu Kompromissen überredet werden können. Wo lebt die Frau?
Nein, es hilft nichts, wir müssen uns klar bekennen – entweder für oder gegen die Bundeswehr (und ihrem Auftrag). Mit jedem gefallenen Soldaten brechen die Grundkonflikte zwischen der Ablehnung von Krieg und „friedlichen Auslandseinsätzen“, wie wir sie seit den 1990er Jahren wieder erfüllen, jedes mal neu auf. Wenn wir uns zur Bundeswehr bekennen, dann müssen wir sie auch im Kriegseinsatz anerkennen und nicht (nur) als „Sozialarbeiter in Uniform“. Sie sind „Bürger in Uniform“ – Bürger wie Du und ich. Wir sprechen zwar schon lange nicht mehr vom „Heldengedenktag“, aber Soldaten sind Helden, gerade auch die Gefallenen, und keine „Mörder“ – wie uns das Linkskartell einreden will. Die Lebensgefahr begleitet sie bei ihrer täglichen Arbeit, bei Freund und Feind. Sie haben es durch ihren Eid auf sich genommen, das Vaterland zu verteidigen. In den Einsatz werden sie von demokratischen Organen geschickt. Es gehört zum ehrlichen Umgang miteinander, in dieser Gesellschaft zu akzeptieren, daß letztlich der Tod bei der Verfolgung ihrer Pflicht im Raum steht, er ist gewissermaßen Teil ihrer Funktion. Dafür verdienen sie öffentliche Anerkennung – und nicht Schmach.
Und genau hier setzt ein anderer Pawlowscher Reflex ein: Wer von „Helden“ spricht oder von „Vaterland“, sieht sich ganz plötzlich in die Nähe des Rechtsextremismus gerückt. Vielen Deutschen scheint die Dimension dieser Einsätze nicht klar zu sein. Soldaten „ziehen“ nicht in den Krieg, sie führen ihn nicht mehr für einen Kaiser oder einen Diktator, sondern für jeden einzelnen Bürger – auch für die, die in einer so garantierten Freiheit das Recht wahrnehmen, gegen eben diese Verteidiger der Freiheit zu polemisieren und zu agitieren. Wir sollten uns schämen! In keinem anderen Land der Welt ist die Verachtung seiner Verteidigungskräfte so verbreitet wie in Deutschland. Soldaten wagen sich deshalb in ihrer Freizeit kaum noch in Uniform auf die Straße. Ganz anders in Frankreich, England oder USA. Wenn dort gefallene Soldaten nachhause zurücktransportiert werden, stehen die Bürger an den Straßen Spalier, schwenken Nationalflaggen und zeigen Stolz auf ihre Soldaten. Diese Staaten gelten (trotzdem) als gefestigt demokratisch und nicht als kriegstreiberisch oder kriegsverherrlichend. Und wir?
Geben wir unseren Soldaten ihre selbstverständliche Rolle in unserer Gesellschaft (zurück) – als Bürger, und nicht als Verfemte. Es wird immer wieder zu Situationen kommen, in denen wir mit den Folgen von Gewalt konfrontiert werden. Der Griff zur Waffe ist die ultima ratio – aber eine selbstverständliche Pflicht selbstverantwortlicher Bürger. Unsere Soldaten haben eine politische Legitimation – wer sie angreift, greift unsere Gesellschaft an.