Interview Hans-Olaf Henkel: „Den EURO-Stier zu Boden ringen!“

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Interview mit dem AfD-Kandidaten und früheren BDI-Präsidenten zur Europawahl

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Thomas Böhm

Der „berühmt-berüchtigte“ Eurokritiker Hans-Olaf Henkel hat gute Chancen, in diesem Jahr an der Seite seines neuen Parteifreundes Bernd Lucke ins Europaparlament einzuziehen. Bevor es in den Wahlkampf geht, konnte Thomas Böhm („journalistenwatch“) ihm für conservo noch einige Fragen stellen.

Wie fühlen Sie sich als frisch gebackenes Parteimitglied? Geborgen und gesichert unter Gleichgesinnten?

HOH: Beileibe nicht. In der AfD ziehen wir zwar alle an einem Strang, aber wir sind keine homogene Gruppe. Bei uns wird mächtig gestritten und heftig diskutiert. So lange das konstruktiv bleibt, macht es auch Spaß, weil es zu Ergebnissen führt. Ansonsten ist so eine Gemeinschaft nicht wirklich etwas Neues für mich. Ich war nie wirklich ein Einzelkämpfer, habe mich auch in meiner Arbeit bei der IBM, im BDI oder in der Leibniz-Gemeinschaft immer als Mitglied des jeweiligen Teams gefühlt.

Früher haben Sie als Lobbyist und Autor gewirkt, jetzt sind Sie durch Ihre Kandidatur zum Europaparlament ein „echter“ Politiker geworden. Ändert das irgendwas für Sie?

HOH: Nein. Ich habe mich immer schon als Teil des politischen Prozesses gesehen. Doch jetzt fühle ich mich freier, muß weniger Rücksicht auf irgendwelche Firmen- oder Verbandsinteressen nehmen. Aber auch als Berater der  „Bank of America“ konnte ich schon immer meine von der Firmenpolitik völlig abweichende Meinung vertreten.

Aber um befreit nach Straßburg gehen zu können, müssen Sie doch einiges hier zurück- und fallenlassen.

HOH: Klar. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, habe ich einiges aufgegeben. Ich werde jetzt bei der Continental AG für den Aufsichtsrat, dem ich 25 Jahre angehörte, nicht wieder kandidieren. Ich habe den Vorsitz des Vorstandes des Trägervereins des „Konvent für Deutschland“ abgegeben, bin auch aus dem „Konventkreis“ ausgetreten und schreibe für das Handelsblatt auch keine Kolumnen unter dem Titel „Henkel trocken“ mehr. Ich möchte mir nicht den Vorwurf machen lassen, daß ich diese Positionen dazu benutze, um für die AfD Werbung zu machen, und umgekehrt möchte ich nicht, daß sich Mitglieder und potenzielle Wähler mit diesen Organisationen in irgendeiner Weise identifizieren müssen.

Auf Sie wartet nun ein völlig neues Betätigungsfeld. Plenarsitzungen, Parlamentsreden, Abstimmungen, Beratungen in Ausschüssen, Reisen. Wußten Sie eigentlich, was Sie sich da antun?

HOH: Nicht wirklich. Irgendwie wird mir das jetzt erst langsam bewußt. Wäre mir das vorher alles klar geworden, wer weiß, ob ich diesen Weg gewagt hätte. Doch so fremd ist mir das Terrain nicht. Ich hatte bereits als Präsident des BDI und der Leibnitz-Gesellschaft das Vergnügen, in Brüssel viele Spitzenpolitiker aufzusuchen, u.a. Romano Prodi, den damaligen Präsident der Europäischen Kommission, oder Günther Herrn Verheugen, damals Vizepräsident. Den Plenarsaal kenne ich allerdings nur von außen. Von daher ist es ein Sprung ins kalte Wasser. Aber ich bin Hamburger, und ich bin Segler. Kaltes Wasser zieht mich an.

Aber was will eigentlich jemand, der das Euro-System ablehnt, ausgerechnet im Europaparlament, das ja nun nicht gerade als ein starkes demokratisches Instrument im Machtgefüge der EU gilt.

HOH: Weil es nicht genug ist, sich in Berlin für eine alternative Europolitik einzusetzen. Die Deutschen sind dieser unseligen Einheitswährung anscheinend in nibelungenhafter Treue ergeben.  Ich gehe lieber hin, finde mich mit europäischen Gleichgesinnten zusammen, packe den Stier bei den Hörnern und zwinge ihn dort zu Boden. Natürlich werden meine Mitstreiter von der AfD und ich das EU-Parlament auch als Plattform für nationale Botschaften nutzen.

Die AfD ist ja noch in keinem Parlament. Kein Wunder, denn von den Vertretern der Altparteien und der Medien wird diese Partei im günstigsten Fall ignoriert, meistens verspottet, oft diffamiert. Wenn wir aber mit sechs oder sogar zehn Abgeordneten im Europaparlament sitzen, kann keiner mehr an uns vorbei. Wir werden zu einem politischen Faktor, der ernst genommen werden muß. Wir werden diese Plattform auch dazu nutzen, Wahlkampf in Deutschland zu machen. Es folgen nach der Europawahl noch drei Landtagswahlen im Osten Deutschlands, die uns mit großer Wahrscheinlichkeit in die Landesparlamente bringen werden. Schon bei der Bundestagswahl erzielten wir jeweils über sechs Prozent. Wir werden aus Brüssel einen Rückenwind bekommen, der uns über die Landtage der Bundesländer dann auch in den Bundestag treibt.

Auch wenn Sie als Hamburger kaltes Wasser gewohnt sind, warm anziehen müssen Sie sich dennoch. Wie bereiten Sie sich auf Ihre neue Aufgabe vor?

HOH: Ich erstelle gerade unter der Führung Bernd Luckes mit anderen Parteikollegen unser Europaprogramm. Wir sind dabei, unsere eurokritischen Positionen zu definieren. Anschließend werde ich auf Zuruf den Landesverbänden im Europawalkampf zur Verfügung stehen. Am Aschermittwoch (5.März) werden wir mit einer großen Veranstaltung in Bayern durchstarten. So mache ich mich warm für das Europaparlament. Was dann in Brüssel und Straßburg geschieht, ist auch schon geplant. Herr Lucke wird sicherlich im Währungs- und Wirtschaftsausschuß arbeiten und ich werde mich, wenn möglich, in den Menschenrechtsausschuß einbringen. Als langjähriges und engagiertes Mitglied von Amnesty International kenne ich mich mit diesem Thema aus. Meine Schwerpunkte werden auch dort Kuba, China und der weltweite Kampf gegen die Todesstrafe sein.

Mit welchen Thesen wollen Sie im Europawahlkampf punkten, mit welchen Inhalten wollen Sie sich im Europaparlament positionieren?

HOH: Wir sind klar für ein Europa der Vaterländer und sagen, daß alles in Deutschland bleiben muß, es sei denn, es ist in Brüssel besser aufgehoben. Diesen Beweis aber müssen diejenigen bringen, die die Souveränität der europäischen Länder abbauen wollen. Und denen werden wir es sehr schwer machen. Themen wie die „Frauenquote“, „Nahrung und Genußmittel“ oder die „Gender-Debatte“ sind national zu entscheiden. Die Kulturen und sozialen Verhältnisse in Europa sind viel zu unterschiedlich, als daß solche Bereiche des Lebens zentral verwaltet und vereinheitlicht werden können. Natürlich gibt es auch Dinge, zum Beispiel in der Infrastruktur, wie eine europäische Luftraumüberwachung oder einzelne Elemente der Außenpolitik, in der ein gemeinsames Vorgehen einen Sinn hat. Es gibt aber auch Fragen, zum Beispiel die „Wasserversorgung“, die nicht mal bundesweit beantwortet werden sollten. Das soll man doch den Kommunen selbst überlassen. Und es gibt Dinge, bei denen Europa zu klein ist. Wir brauchen zum Beispiel keine europäische Armee. Wir haben die Nato, und das soll auch so bleiben. Zwar wäre eine Regulierung der Banken weltweit von Nutzen, aber die Verantwortung für die Rettung von Banken muß eine nationale Aufgabe bleiben. Warum sollten deutsche Sparer oder deutsche Steuerzahler für die Mißwirtschaft französischer Großbanken aufkommen müssen?

Aber gerade im Zeitalter der Globalisierung steigt der Wunsch, sich eine Identität zu erhalten und eine Heimat zu sichern. Auch deshalb wollen wir viele Politikfelder wieder in die Nähe der Bürger bringen. Und wenn Herr Schäuble ein neues Parlament nur für die Euro-Zone fordert, um den Ländern das Budgetrecht wegzunehmen, ist das genau der falsche Weg; denn er bedeutet nicht nur noch mehr Zentralismus und Bürokratie. Der verzweifelte Versuch, den Euro zu retten, und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit der Länder in der Eurozone aufs Spiel zu setzen, wird uns Wohlstand kosten und uns im weltweiten Vergleich immer mehr abgleiten lassen. Dagegen werden wir im Europaparlament kämpfen.

Gehen die AfD-Kandidaten als Team nach Straßburg, oder steht jeder Kandidat für sich?

HOH: Ich stehe für mich, Bernd Lucke für Bernd Lucke, und das gilt auch für die anderen Kandidaten. Herr Lucke vertritt seine Positionen aufgrund seiner Erfahrungen als Hochschullehrer und Forscher, ich werde praktische Erfahrungen in der Wirtschaft und vielen anderen Ländern einbringen. Und wir werden das auch nicht so machen, wie die anderen Parteien. Bei uns wird es keinen Fraktionszwang geben, der ist zutiefst undemokratisch. Wenn wir einer Meinung sind, oder uns geeinigt haben, stehen wir zusammen, ansonsten bleiben wir Individuen.

Wem gegenüber fühlen Sie sich als Abgeordneter im Europaparlament verpflichtet? Dem deutschen Bürger, der AfD oder sich selbst?

HOH: Ich fühle mich gegenüber der Gemeinschaft verpflichtet, nicht nur der AfD oder den AfD-Wählern. Zuerst bin ich Hamburger, eigentlich vorher noch ein Mann aus Harvestehude, und ich fühle mich am meisten meiner Heimat verbunden, also auch verpflichtet. Erst dann kommt Deutschland und erst danach Europa. Oder anders erklärt: Mir liegt der HSV mehr am Herzen als die deutsche Nationalmannschaft.

In der AfD wird gerade über mögliche Verbündete im Europaparlament diskutiert. Haben Sie sich schon festgelegt?

HOH: Es ist viel zu früh, um über etwaige Bündnisse zu reden. Allerdings müssen wir die Grenzen dort ziehen, wo ausländerfeindliche oder rassistische Töne angeschlagen werden. Doch es geht hier nicht darum, irgendjemanden zu heiraten. Wir müssen in der Sache Verbündete finden. Von daher sollten wir flexibel sein.

Ich verstehe sowieso die ganze Aufregung zu diesem Thema nicht, die in Deutschland und zum Teil in unserer Partei herrscht. Die UKIP zum Beispiel ist eine demokratische Partei, sonst wäre sie nicht im Europaparlament, und die Verunglimpfung der UKIP findet nur in Deutschland statt. Allerdings ist die Forderung der UKIP, daß Großbritannien aus der EU austreten soll, für uns nicht akzeptabel. Das wäre auch deshalb problematisch, weil Deutschland dann den fehlenden britischen Nettobeitrag in der EU übernehmen müßte. Immerhin zahlen die den zweithöchsten Beitrag. Wir brauchen uns auf der Suche nach Mitstreitern im Europaparlament gar nicht so weit in eine Richtung beugen. Es gibt genügend eurokritische Parteien aus der politischen Mitte, wie zum Beispiel die britischen Konservativen, fast alle tschechischen und dänischen Parteien, die den Euro ablehnen und mit denen wir an einem Strang ziehen können.

Viele Politiker und Medien befürchten einen Rechtsruck bei den Europawahlen. Teilen Sie diese Einschätzung?

HOH: Das ist Quatsch. Hier hat sich lediglich die Wahrnehmung verschoben, weil Parteien wie die CDU, die SPD, oder FDP nach links gerückt sind. Auch ich habe meinen Standpunkt nicht geändert, das haben die anderen gemacht. Und das Phänomen der Europaskepsis ist europaweit zu beobachten und hat mit rechts oder links nichts zu tun.

In letzter Zeit mußten Sie viel Häme seitens einiger FDP-Politiker über sich ergehen lassen. Stimmt Sie das als ehemaliger Freund der Liberalen traurig?

HOH: Überhaupt nicht. Die machen sich nur lächerlich, denn sie verkaufen politische Billigware. Wenn Herr Kubicki über mein Alter herzieht, andere Parteimitglieder uns aber der Homophobie beschuldigt, sind sie völlig unglaubwürdig. Wenn Herr Lindner behauptet, ich wäre rückwärtsgewandt, dann muß ich ihn fragen, wie anders als rückwärts kommt man aus der Eurosackgasse heraus?

Vielleicht befürchten die Chef-Liberalen ja nur, daß Sie als prominenter Kandidat der AfD der FDP den „Todesstoß“ versetzen?

HOH: Wenn, dann ist die FDP selber schuld. Sie hatte ihre Chance und hat sie vertan. Es gab Eurokritiker, wie Frank Schäffler, die kalt gestellt wurden und die in der AfD mittlerweile besser aufgehoben wären. Nun geht Lindners FDP den Weg, den alle Altparteien gehen. Wenn Frau Merkel und Herr Schäuble weitere Millionen für Griechenland bereitstellen, wird die FDP das abnicken und sich somit überflüssig machen.

Wenn Sie Glück haben, werden Sie als Abgeordneter im Europaparlament Martin Schulz begegnen, der ja Präsident der Europäischen Kommission werden möchte. Werden Sie ihm gratulieren?

HOH (lacht): Mit Sicherheit nicht. Allerdings präsentiert er wie kein anderer den aktuellen, katastrophalen Zustand der EU. Man sehe sich die beruflichen Erfahrungen der meisten Europapolitiker an. Allein die Anzahl der des Plagiats überführten FDP-Europapolitiker sagt doch alles. Die Qualität des Spitzenpersonals ist blamabel. Schulz ist insofern ein wahrhaft repräsentativer Vertreter dieses Europas.

Das Interview führte Thomas Böhm (Original: „journalistenwatch.com“)

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