Von Thomas Böhm *)
In Deutschland wird die RELIGIONSFREIHEIT großgeschrieben, manchmal sogar über Recht und Gesetz gestellt. Das macht vielen Gläubigen Mut. Auch die WIGUSCH-Gemeinde („Wie-Gott-uns-schuf“) hat sich nun aus dem Verborgenen gewagt, in dem sie sich aus Angst vor Verfolgung Jahrtausende lang versteckt hatte, und hofft nun, ebenfalls zu Deutschland zu gehören. JouWatch-Chefredakteur Thomas Böhm *) konnte als einer der ersten Journalisten mit einem Mitglied von WIGUSCH ein Gespräch führen. Dieses fand in einer Sauna statt.
JouWatch: Was können wir Ungläubigen oder Andersgläubigen uns unter der WIGUSCH-Lehre vorstellen?
Jonathan Berg: Gerne zitiere ich hier einen unserer Lehrsätze: Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde und siehe da: Adam und Eva waren nackt. Nicht mal ein Feigenblatt verdeckte ihre Scham – bis sie aus dem Paradies vertrieben wurden. Gott aber, so glauben wir, wollte nicht, daß wir Menschen uns verhüllen und mit Stoff beschweren. Denn nackt ist die Wahrheit, und nackt sind die Tatsachen. Wir Mitglieder der WIGUSCH-Gemeinde glauben an diese nackte Wahrheit und laufen deshalb ohne zweite Haut herum, ohne Kleidung – eben wie Gott uns schuf. Wir verhüllen uns nicht, wir haben vor Gott nichts zu verbergen.
JouWatch: Und das war schon alles?
Jonathan Berg: Gott behüte, nein. Wir leben auch streng nach den Zehn Geboten. Unseren Geist, unsere Seelen speisen wir aus der Liebe zu Jesus Christus. Die WIGUSCH-Lehre findet sich also im neuen Testament wieder. Eben nur mit dem Unterschied, daß wir uns als die reinen, nackten Geschöpfe Gottes betrachten. Aber wir haben auch vieles mit der buddhistischen Lehre gemeinsam.
Die meisten Mitglieder der WIGUSCH-Gemeinde sind Vegetarier, einige sogar Veganer. Wir lieben Tiere und Pflanzen, fühlen uns eins mit der Natur. Wir sind der Überzeugung, daß die Geschöpfe Gottes alle gleichwertig sind. Menschen, die ernsthaft behaupten, sie wären mehr wert als Eintagsfliegen, nur weil sie länger leben und angeblich ein größeres Gehirn haben, bezeichnen wir als Artisten. Sie sind weitaus schlimmer als Rassisten.
JouWatch: Warum ist die WIGUSCH-Gemeinde vorher nicht in Erscheinung getreten? In der Zwischenzeit haben es andere Glaubensrichtungen durch Überzeugungsarbeit und anderen Mitteln geschafft, sich zu Weltreligionen hochzuarbeiten. Nun hängt die WIGUSCH-Gemeinde doch etwas hinterher.
Jonathan Berg: Also erstmal kann es bei einer Sache, bei der es sich um Glauben und nicht um Wissen handelt, nicht um Quantität gehen. Die Geschichte der Menschheit hat uns doch immer wieder gezeigt, daß sich die Leute auch massenweise auf einen Irrweg begeben können. Außerdem: Das oder der, an was oder wen wir glauben, war doch schon da, noch bevor der erste Mensch sein Unwesen auf der Erde treiben konnte. So kann es doch keine Rolle in der Wertigkeit einer Religion spielen, ob nun ein Mensch oder Millionen Menschen an das oder den glauben.
Aber für uns war es von Anfang an sehr problematisch, unserem Glauben auch in aller Öffentlichkeit nachzugehen. Bereits als die Menschen seßhaft wurden, begannen sie, die Anhänger der WIGUSCH-Lehre zu verfolgen und zu terrorisieren. Viele Anhänger der WIGUSCH-Lehre wurden sogar verurteilt und eingesperrt, gar manch einer mußte wegen seines Glaubens sein Leben lassen oder wurde verstümmelt.
JouWatch: Um Gottes Willen!
Jonathan Berg: Genau. Doch wir haben daraus gelernt und begonnen, uns in der Öffentlichkeit mit Hüllen zu tarnen. Wir ziehen uns nur noch zu Hause, oder bei Freunden, an geheimen Orten, aber auch an FKK-Stränden aus. So konnte sich unsere Lehre, trotz all der Anfeindungen, über die Jahrtausende hinweg verbreiten. Viele WIGUSCH-Mitglieder sind in den Norden gezogen und haben sich den klimatischen Verhältnissen angepaßt. Auch ein Grund, warum man uns nicht gleich erkennt. Es gibt aber auch noch andere Gründe, warum wir uns in der Öffentlichkeit verhüllen. Einer unserer Weisen hat einmal gesagt: „Achtet die Sitten und Gebräuche, die Gesetze und die Kultur der Menschen, dessen Gäste ihr seid. Verhüllt Euch, wenn sie es Euch befehlen, mit ihren Lumpen und Lappen. Es wird Euch schmerzen, Eure Seele quälen, aber Euren Leib schützen vor denen, die unseren Glauben verhöhnen und mißachten wollen. Macht Euch nicht zu Herrschern über andere. Zürnt nicht den Andersgläubigen, den Strenggläubigen, den Gutgläubigen, den Leichtgläubigen. Bekehrt sie nicht. Denn siehe da, es kommt der Tag (oder die Nacht), da werden sie, von Wollust gepeinigt und von Gier geschlagen, sich wieder ihre Kleider vom Leibe reißen und zu uns kommen.“
Dort, wo wir als Migranten leben, haben wir uns angepaßt. Man kann ja auch nicht nackt zum Nordpol reisen und verlangen, dass dieser die Heizung für mich aufdreht. Wenn man zum Nordpol reist, muß man sich eben warm anziehen.
JouWatch: Worin unterscheiden Sie sich noch von den anderen Religionsgemeinschaften?
Jonathan Berg: Die WIGUSCH-Gemeinde besteht aus freiwilligen Mitgliedern. Jeder hat das Recht, der Gemeinde beizutreten oder sie zu verlassen. Niemand darf zu unserem Glauben nur durch seine Geburt gezwungen werden. Es gibt auch kein schriftliches Zeugnis unseres Glaubens und nirgendwo eine Registrierung unserer Mitglieder. Die WIGUSCH-Lehre wurde von Generation zu Generation mündlich überliefert. Es gab und gibt keine Priester, Pfarrer, Religionsverbände oder sonstige „offizielle“ Glaubensführer. Unsere Kirche ist unser Zuhause, dort ziehen wir blank. Wir brauchen keine Symbolik, keine prunkvollen Beweise unseres Glaubens – wir sind glücklich, wenn wir in Ruhe und Frieden unseren Glauben ausleben dürfen.
JouWatch: Gibt es noch etwas, an das sich die WIGUSCH-Mitglieder halten müssen?
Jonathan Berg: Unsere Mitglieder dürfen nicht in einer Schlange stehen und keinen Apfelkuchen mit Schlagsahne naschen.
JouWatch: Haben Sie noch einen frommen Wunsch für dieses Jahr?
Jonathan Berg: Immer wieder tauchen in den Nachrichten Flitzer und Femen auf, die gewollt oder ungewollt unsere Lehre in die Öffentlichkeit tragen. Da kommt Freude auf, das ist für uns ein Zeichen, daß Politik und Medien beim Thema Religionsfreiheit nicht nur die großen Weltreligionen im Auge haben. Und auch wenn wir den Glauben als Privatsache betrachten, wünschen wir uns sehnlichst, wenn Herr Gauck in einer seiner nächsten Rede beteuert, daß auch die WIGUSCH-Gemeinde zu Deutschland gehört und ein Gesetz unterzeichnet, daß uns zumindest einmal im Jahr erlaubt, auch auf der Straße splitterfasernackt vor unseren Schöpfer zu treten, ohne daß uns jemand zum Teufel jagt.
*) Thomas Böhm ist Chefredakteur von http://journalistenwatch.com und schreibt regelmäßig Artikel für conservo.