Der Hartz-Infarkt

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von Peter Helmes

HartzIVNicht arbeiten belohnt – arbeiten bestraft

„Arbeit schändet nicht“, lehrten uns noch unsere Eltern, und ganz gewiß lebt auch heute die große Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung nach dieser Überzeugung. Man könnte sich also entspannt zurücklehnen und denken: „Braves Volk, gute Bürger!“ – gäbe es da nicht „Hartz IV“.

Findige Mitmenschen – selbstverständlich auch „brave Bürger“ – haben nämlich herausgefunden, daß nicht-arbeiten genauso wenig schändet wie arbeiten und, schaut man genauer hin, auch noch belohnt wird. Wie das? Wir werden es gleich sehen.

Inzwischen hat sich eine ganze Heerschar von Fachleuten, Juristen, Gutmenschen, Hilfevereinen, kirchlichen Leidensträgern und allerlei Durchblickern darauf spezialisiert, den „armen Ausgebeuteten“ zu zeigen, wie man durch Nichtarbeit gut über die Runden kommt. (Es sei hier deutlich darauf hingewiesen, daß es in diesem Beitrag nicht um unverschuldet in Not Geratene geht, sondern um die nicht gerade wenigen Schmarotzer unseres Solidarsystems.) Da werden Merkblätter, sogar ganze Bücher und Hartz IV-Fibeln, gedruckt, die offene und „geheime“ Tips verraten, wie man an „Staatsknete“ kommt. Was ursprünglich als Verbesserung des überbordenden Sozialsystems gedacht war („agenda 2010“), beweist sich für nicht wenige als Quell der Freude und des „süßen Nichtstuns“. Die Unterscheidung zwischen Arbeitswilligen und Ausnutzern der „sozialen Hängematte“ ist selbst für Mitarbeiter beim Sozial- oder Arbeitsamt („Bundesagentur für Arbeit“, hier „Jobcenter“) oft schwierig. Ein hilfreicher Hinweis führt ein in die Welt der „Hartzer“:

Regel 1: Sei ungepflegt!

So Sie männlichen Geschlechts sind: Lassen Sie sich einen ungepflegten Dreitagebart wachsen, waschen Sie Ihre Haare nicht, ziehen Sie gammelige Jeans und ebensolche Sportschuhe an und (bei warmem Wetter) ein Boxer-T-Shirt, im Winter einen grobgestrickten Wollpullover! Sind sie weiblichen Geblüts, gilt im Prinzip die gleiche Regel: Haare ungepflegt runterhängen lassen, Fingernägel nur bruchstückhaft lackieren, Zottelkleid und Schuhe mit schiefgelaufenen Absätzen tragen!

Ein solcher Mummenschanz empfiehlt sich aus zwei ganz wichtigen Gründen: Zum einen sehen Sie damit abgebrannt und „bedürftig“ aus; das hilft bei der Antragstellung. So steht Ihnen gewiß Hartz IV zu! Zum anderen vermeiden Sie somit, unauffällig aber wirksam, daß Ihnen irgendein blöder Unternehmer einen Job anbieten könnte. „Aber hallo, ich bin doch nicht zum Arbeiten hergekommen!“ Diesen Spruch müssen Sie verinnerlichen, sonst taugen Sie nichts für Hartz IV! Schreiben Sie lieber ein paar Bewerbungen mehr, und Sie finden vielleicht bald eine Arbeitsstelle!

Regel 2: Seien Sie „Kumpel“! „Du“ – niemals „Sie“!

Nun gehen Sie, am besten morgens und vor allem gegen Monatsschluß – da laufen die meisten Kündigungen – zur Arbeitsagentur. Sie brauchen nicht lange zu suchen. Es ist überall in dieser Republik das gleiche Bild:  Da finden Sie eine Schlange oder einen Warteraum mit „ordentlichen Menschen“, die Sie meiden sollten. Diese Gesellschaft ist langweilig und führt zu nichts – außer vielleicht zu einem Job.  Aber das wäre ja nichts für Sie.

Ziemlich sicher finden Sie aber eine Gruppe (oft junge) Menschen, zu denen Sie Kontakt aufnehmen  sollten. Diese Leute stehen in der Regel vor dem Haus, ziehen gierig am Glimmstengel, gestikulieren und reden meist heftig aufeinander ein. Da sind sie richtig! Und – ja! – da werden sie geholfen! Denn diese offensichtlich ums Lebensglück Betrogenen sind hilfreich. Ihr Lieblingssatz fängt an mit: „Hey, Kumpel, laß Dir von diesen Typen nichts erzählen!“ Dann ziehst Du die Augenbrauen hoch und schaust am besten unsicher drein! Schon setzt Dein neuer Kumpel nach: „ Hey, Alter, hier steht´s drin! Ich weiß, auf was ich Anspruch habe.“ Und wenn Du Dich jetzt ein wenig „öffnest“, Dich locker gibst, wird Dein neuer Kumpel Dir das Märchen von „Alice im Hartzland“ erzählen. Dazwischen wird er immer wieder auf seinen Ratgeber klopfen und ätzen: „Hier steht alles drin!“ Noch ein wichtiger Hinweis: Komm ja nicht auf die Idee, die Kumpels zu siezen! Es gilt das solidarische „Du“. Dann gehörst Du dazu! Klar, Alter?

Also ´mal ´en bißchen aus meinem Nähkästchen: Ostern kam mir gerade recht, keine Termine, keine Besuche, also kein Zwang zu gesellschaftlichem Auftreten. Will heißen: Beste Vorbereitungszeit für den Hartz IV-Auftritt allhier. Ab Karfreitag sproß der Bart, Dienstag nach Ostern war ich, ein wenig ungepflegt, vorzeigbar „szenegeeignet“ und latschte zum „Arbeitsamt“ (so nennen es die meisten immer noch). Und schon hatte ich die (gewünschte) Begegnung der neuen Art: Schönes Wetter, und vor dem Eingang roch ich bereits „meine“ Gruppe. Ein erster Blick bewies: Hier war ich richtig! Ich sah genauso aus wie alle anderen. Versteht sich, daß ich Hochdeutsch aus meiner Erinnerung gestrichen und durch meine rheinische Muttersprache ersetzt habe.

Die Erste, die mich ansprach, war eine verhältnismäßig junge Frau, so um die 25 Jahre alt, ungepflegt, schlampig, aber nicht unsympathisch. „Na, biste neu hier?“ Ich: „Nä, such´ en Job.“ Sie: „Biste bekloppt? Willste arbeiten?“ „Nä!“  Sie: „Dann red´ nie mehr vom Arbeiten, klar!“ Ich: „Klar dat! Aber wieso bist Du hier?“, fragte ich vorlaut. Sie: „Weißte, Kumpel, ich hab´ drei Kinder. Und jetzt fängt die Badesaison an. Und da sollen die Kinder doch auch ins Schwimmbad. Geht aber nicht. Die da drin wollen mir die Badekarte nicht zahlen!“ Sie entrüstete sich zusehends und rauchte eine nach der anderen. Es zeigte sich, daß ihre drei Kinder von drei verschiedenen Vätern stammten. Aber sie wußte, „was mir zusteht“. Und sie wußte auch, daß Sie als Mutter von drei kleinen Kindern keinen Job suchen müßte.

Wenn Sie, werter Leser, zwei-, dreimal eine solche Begegnung hinter sich gebracht haben, dann kennen Sie die wichtigsten Tips, sind vor den schlimmsten Bürokraten-Fallen gewarnt und wissen, was Ihnen in jedem Fall zusteht. Daß „da drin“ (in der Agentur) nur „Deppen“ sitzen, erfahren Sie dann auch. Diese Überzeugung wird Ihnen schnell in Fleisch und Blut übergehen, und schon sind Sie vorbereitet für die Reise durchs Hartz IV-Wunderland. Sie werden sich wundern.

Hartz IV – ein Gold-Esel

„Aber Hartz IV-Leute sind doch ganz arme Menschen“, hört man vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk und von Sozialverbänden beinahe täglich. Ja, sie sind „arm“, weil sie keine Arbeit haben. Aber offenbar geht es manchen nicht um diesen ideellen Wert. Niemand braucht deswegen zu darben. Die Meldungen, ein alleinstehender „Hartzer“ bekäme nur 391 Euro im Monat (Verheiratete 353 €, Kinder bis 14 J. 261 €, über 14 J. 296 € ), sind so richtig wie falsch. Richtig daran ist, daß dieser Betrag der „Regelsatz“ ist. Da kommt eine ganze Menge hinzu, z. B.: Erstattung von Bewerbungskosten, Erstausstattung für ein neugeborenes Kind, Schwangerschaftsbekleidung, Übernahme von (z. B.) Mietschulden, Kosten für Schulbücher und Schulausflügen usw. Ganz dicke Brocken sind aber z. B. die Übernahme der Kosten für Miete, Heizung,  Renovierung und eventuell (bei Behinderten) die Eingliederungshilfe. All das zusammen hat mit den erwähnten 391 Euro nur noch wenig zu tun. Je nach Wohngegend und Familienverhältnissen kommen da schnell 2-3.000 Euro zusammen, in Extremfällen, die bekannt sind, gar über 4.000 Euro.

Vollkasko-Absicherung

Man gönne es den Betroffenen, denken viele rechtschaffene Menschen. Wirklich? „Rechtschaffen“ heißt ja: richtig schaffen, arbeiten. Und da sollte man doch meinen, daß das tüchtig Arbeiten besser belohnt wird als das Nicht-Arbeiten. Da zeigt sich der eigentliche Skandal bei Hartz IV: Viele Arbeitnehmer-Haushalte, in denen zumindest einer „richtig arbeitet“, haben erheblich weniger Geld in der Tasche als ein „Hartzer“, der sich darüber hinaus keine Sorgen um seine Daseinsvorsorge machen muß. Im Gegensatz zu einem Arbeitnehmer (oder gar einem Selbständigen) zahlt er nichts für eine Kranken- oder Altersversicherung, das zahlt das Arbeitsamt. Von den GEZ-Gebühren ist er ebenfalls befreit. Erwerbslosen-Haushalte stehen somit oft besser da als die Familie von Otto Normalverdiener. Und mit jedem Kind verbessert sich die „Einkommenssituation“, während die Kinder von Normalfamilien wesentlich mehr kosten, als das Kindergeld ausmacht. Arbeiten lohnt oft also nicht. Der „Hartzer“ ist quasi „Vollkasko-versichert“, der Erwerbstätige hingegen trägt alle Risiken selbst. Der Hartz IV-Empfänger hat zwar kein eigenes Vermögen, kann daher aber auch nichts verlieren, während der normale Erwerbstätige täglich sein Hab und Gut riskiert. Zyniker antworten darauf, das wäre ja nicht schlimm, er bekäme dann ja Hartz IV.

Das Hartz IV-System – und das ist der bedeutendste Vorwurf – bietet keinerlei Anreiz, einer geregelten Arbeit nachzugehen. Deshalb darf es nicht verwundern, daß gerade bei vor allem ungebildeten  Zugewanderten („Migranten“) die Arbeitslosigkeit weit verbreitet ist, die Zahl ihrer Kinder jedoch kräftig steigt. Man wird durch das System belohnt. Ganze „Großfamilien“ leben davon – und die mitgewanderte Oma kriegt auch noch ihren Zahnersatz bezahlt.

4.000 Euro und mehr

Wie alle Vergleiche hinkt auch der folgende, aber er beweist, daß hier einiges faul ist: Die Standardunterstützung einer Hartz IV-Familie mit sechs Kindern beträgt – einschließlich Warmmiete – rund 4.000 €uro, im Einzelfall sogar noch mehr. Was müßte in diesem Falle ein Arbeitnehmer verdienen, um in etwa denselben Betrag als Einkommen zu erreichen? Sehr vielen Gering- und Durchschnitts-Verdienern geht es schlechter als den „Hartzern“. Wie hieß das damals: „Leistung muß sich wieder lohnen.“ Da darf man schon ´mal ins Grübeln kommen.  Hier stellt sich die Gretchenfrage an den Solidarstaat – an uns alle, erst recht aber an die Politik:

Wie lange machen die rechtschaffen(d)en Bürger das noch mit? Wann kommt der Punkt, an dem man  sagt: „Diese absurde Umverteilungs-Maschinerie muß gestoppt werden!“ „Solidarisch“ darf doch nicht heißen: Einige schaffen, viele kassieren! Alle Geduld hat einmal ein Ende – nur Frau Nahles nicht. Was ihre eigene Partei (mit Schröder´s Agenda) richtig gemacht hat, zerschlägt sie mit neuen Segnungen an das Volk, nach dem Motto: Solange es noch Blöde gibt, die arbeiten, können wir uns das leisten – Rente mit 63 J., Mindestlohn usw. Wann kommt der Hartz-Infarkt?

www.conservo.wordpress.com   2.Mai 2014

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