Daß man in der Politik niemals etwas vergißt, lernt ein junger Politiker schon in den ersten Jahren seiner Karriere – oft leidvoll, aber man gewöhnt sich dran. Trotzdem gehört „das Vergessen“ zur täglichen politischen Strategie. Beispiele dazu gibt´s zuhauf. Zu unterscheiden sind lediglich zwei besondere Varianten des Vergessens: 1. Das Verdrängen, meist mit frommem Augenaufschlag („da war doch nichts gewesen!“). 2. Das selektive Vergessen: Man vergißt die eigenen Fehler nur zu gerne, hat aber ein Elefantengehirn zum Speichern der Fehler politischer Gegner.
Ein ganz besonderes Beispiel ist das Jahr 1989, das „Wendejahr“. Plötzlich wollen alle „schon immer“ für die Wiedervereinigung gewesen sein. Die betreffenden Politiker kalkulieren kühl, daß das gemeine Volk die Rolle rückwärts entweder nicht gemerkt oder längst vergessen hat. Hier zwei Beispiele, die eine besondere Form von Geschichtsvergessenheit aufzeigen:
Ebert, die SPD, das geschichtliche Vergessen und die Nazikeule
Im Vergessen geschichtlicher Zusammenhänge sind offensichtlich besonders Sozis nicht von Irrtümern und „Vergessen“ frei, wie erst letzte Woche der Fraktionsvorsitzende der geschichtsträchtigen Sozialistischen Partei Deutschlands (SPD), Thomas Oppermann, unter Beweis stellen konnte – und das ausgerechnet in der causa Gauck. Also jenem Gauck-ler, der, obwohl Bundespräsident, von einem Fettnäpfchen ins nächste springt und dann vergrätzt ist, wenn das geliebte Volk darob nicht so recht froh werden will und ihn der „Schmähkritik“ aussetzt. Einen wackeren Sozialisten jedoch focht das an: Oppermann sprang behende herbei, um der geschundenen Präsidentenseele Balsam in die Wunde zu streuen – und griff tief in die sozialistische Geschichtskiste.
Nur vergaß er dabei, daß Geschichtsbewußtsein und Sozialdemokratie nicht immer ein passendes Paar sind. Da rutscht man als Soz´ leicht auf dem historischen Parkett aus. So geschehen auch dem wackeren Thomas! In gewiß bester Absicht wollte er den Bundesgauckler vor Schmähkritik in Schutz nehmen und argumentierte deshalb – wie gesagt geschichtsvergessen: Schon die Nazis hätten in der Weimarer Republik den damaligen (sozialdemokratischen!) Reichspräsidenten (1919-1925) Friedrich Ebert „fertigmachen“ wollen. Das ging aber voll daneben, weil die Geschichtsfakten halt anders sind:
Thomas Opfermann hatte sich wohl einen historischen Zusammenhang zurechtgebastelt, der gar nicht hätte stattfinden können. Im Jahre 1919 wurde die „Deutsche Arbeiterpartei“ gegründet, die im Jahre 1920 in „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP)“ umbenannt worden war. Diese NSDAP blieb eine weitgehend unbekannte und wirkunglose Splitterpartei – bis zum sogenannten „Marsch auf die Feldherrenhalle“ (8./9. November 1923). Da war Ebert schon lange im Amt, aber von Hitler sprach bis dahin niemand. Nach diesem „Marsch“ wurde die Partei verboten und ihr „Führer“ Adolf Hitler zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt, aber bereits im Dezember 1924 aus der Haft entlassen. Hitler gründete dann am 27. Februar 1925 die NSDAP erneut. Am 27. Februar 1925! Am 28. Februar 1925 – also 1 Tag später – verstarb Reichspräsident Ebert.
Also hatte Hitler, der Meinung Oppermanns folgend, genau 1 Tag Zeit, Ebert „fertigzumachen“. Wie sagte mein alter Geschichtslehrer: „Setzen, sechs! Die Geschichte lernst Du nochmal neu!“ Aber es ist halt wie im richtigen Leben. Wenn sonst nichts hilft und bessere Argumente fehlen, bemüht man gerne den Faschismus, getreu dem Wahlspruch: „Und immer wieder lockt die Nazikeule!“
„Heimatland Polen“
Und hier noch so´n geschichtsvergessener Sozi: Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil. Den lieben Stephan verschlug´s vor einigen Tagen in die Heimat seiner Eltern, „nach Polen“, wie es in Hannover verlautete. Nanu, meines Wissens war die Heimat der Eltern Weils doch wohl Oberschlesien, zur Zeit seiner Eltern also Deutschland, und mitnichten Polen. Wenn er also zur „Heimat“ nach „Polen“ reist, wäre Immanuel Kant gewiß weiland in seine Heimat nach Russland gefahren. Oder wie oder was? Immanuel Kants Heimat war Königsberg in Preußen, also Deutschland. Dementsprechend war die Heimat des niedersächsischen Ministerpräsidenten wohl eher Deutschland (Oberschlesien), aber gewiß nicht „Polen“.
Eigentlich kein besonderer Aufreger. Wir haben uns daran gewöhnt, daß geschichtliche Zusammenhänge zurechtgebogen werden, um der political correctness gerecht zu werden. Einen Tritt ans Schienbein bekommen dabei jedoch alle die, die uns heute die „Integration der Vertriebenen“ als mustergültig vor Augen führen und meinen, daß dies genauso mit der Integration aller möglicher Ausländer klappen müßte. Pech bei dieser Argumentation nur ist, daß sie ein wesentliches Merkmal übersieht: Die Integration der Schlesier, Sudeten, Pommern Ostpreußen etc. war keine Integration von Ausländern, sondern die „Integration“ von Deutschen in ihr deutsches Vaterland! Und das nennt man nicht “Integration”, sondern Heimkehr.