Wie üblich, habe ich auch nach dieser Wahl so schnell wie möglich eine Kurzanalyse des Wahlergebnisses und der derzeitigen Situation erstellt. Sie steht natürlich unter dem Vorbehalt des amtlichen Endergebnisses und der weiteren Entwicklung nach Redaktionsschluß.
- Die 3 führenden bürgerlichen Parteien (CDU, AfD, FDP) erhielten in Sachsen 52,9 % (plus 2,7%).
- Die 3 führenden Linksparteien (SPD, die Linke, Grüne) erhielten 37,0 (minus 0.4%).
- Im Landtag stehen trotz des Scheiterns der FDP 73 Bürgerliche 53 Linken gegenüber.
- Damit verhindert die CDU(!) die Bildung einer bürgerlichen Regierung!
- Die CDU darf trotz weniger Stimmverluste von einem Sieg reden. Knapp 40 % sind angesichts der Abwanderung vieler Unionswähler zur AfD noch immer ein stolzes Ergebnis.
- Die FDP scheint am Ende zu sein. Wer braucht sie noch?
- Die NPD ist draußen – für immer?
- Die SPD bleibt mit 12,5 % Kleinstpartei und erreicht weniger als erwartet (15 %), drängt aber in eine „große“ Koalition.
- Auch die Linkspartei bleibt mit knapp 19 % unter ihren Erwartungen.
- Die AfD erreicht auf Anhieb knapp 10 %. Das bedeutet: ein Problem, eine Herausforderung für die Unionsparteien, die sich gar nicht schnell genug beeilen können, eine Koalition mit der AfD auszuschließen.
- Die AfD kann sich aber als wichtiges Korrektiv der Parteienlandschaft erweisen, zumal in Thüringen und Brandenburg ein ähnliches Ergebnis erwartet wird.
Die Analyse
Die letzte schwarz-gelbe Koalition auf Landesebene wurde abgewählt. Die CDU von Ministerpräsident Stanislaw Tillich wurde mit Abstand die stärkste Partei (39,4 Prozent*) wie bei allen sächsischen Landtagswahlen seit 1990. Vor fünf Jahren hatte die CDU 40,2 Prozent geholt.
„In Berlin regiert Mutti, in Dresden Vati“ – so hat Olaf Schumann, Betreiber einer Dresdner Werbeagentur, kürzlich die Kampagne kommentiert: Der Landesvater wurde in den Mittelpunkt gestellt – eine Werbung, die das Gefühl ansprach. Das Gefühl, alles wird gut, alles in Ordnung.
Schlafwagenwahlkampf
Es war kein richtiger Wahlkampf, was die Union angeht. Sie sagte – eine bewährte Strategie: „Es geht um Sachsen.“ Anfang und Ende der Botschaft! Tillich stand im Vordergrund, und es gelang ihm, die Bürger einzulullen. Es war eine Art Schlafwagenwahlkampf.
Als Stanislaw Tillich 2009 im Wahlkampf antrat, da stand auf den Plakaten schlicht: „Der Sachse“. Nach seinen Amtsvorgängern Kurt Biedenkopf und Georg Milbradt, die beide in Westdeutschland geboren wurden, läutete sein Amtsantritt eine neue Ära ein. Es ist bis heute ein großer Pluspunkt, den der 55-jährige Sorbe bei den Bürgern hat. Viele Sachsen finden ihn sympathisch, wissen nur nicht so genau, warum. In diesem Jahr stand konsequenterweise auf seinen Plakaten: „Unser Ministerpräsident.“
Fehlende Visionen
Vielleicht wünscht sich mancher Wähler in Sachsen aber auch mehr Visionen für das Land, und zwar solche, die sich nicht nur auf die Vergangenheit beziehen. Gute Aussichten statt Visionen, Verwalten statt Regieren – beim dienstältesten Ministerpräsidenten der CDU haben die Wähler keine Überraschungen zu erwarten, urteilt der Politikprofessor Werner J. Patzelt von der TU Dresden:
„Erwartet man von der Politik einen täglichen emotionalen Kick? Oder erwartet man von der Politik eine maßvolle Verwaltung des Möglichen. Wenn man Letzteres will, ist man in Sachsen richtig.“
Noch einmal Professor Patzelt:
„Man wird feststellen müssen, dass Tillich eine lange politische Laufbahn hat, die er bislang ohne jeden Kratzer überstanden hat. Das ist eigentlich schon eine politische Leistung. Er steht für eine Fortsetzung des seit der Neugründung des Freistaates eingeschlagenen Kurses: solide Haushaltspolitik, keine Risiken, keine neuen Ufer. Weil, so die Vorstellung, man ohnehin auf dem richtigen Pfad steht.“
Ein „Superergebnis“ für die CDU
Für Tillich bedeutet das Abschneiden seiner Partei trotzdem, wie er es nennt, ein „Super-Ergebnis“. „39 Prozent und ein Stück mehr ist ein Super-Ergebnis und für die nächsten fünf Jahre eine große Ehre und Verantwortung.“ Mit weit über 20 Prozent Abstand zum Zweitplatzierten (Linkspartei) ist die Distanz genau so deutlich wie bei der letzten Wahl. Es reicht aber nicht für eine absolute Mehrheit der Mandate im Landtag in Dresden. Der bisherige Koalitionspartner der CDU, die FDP, fliegt nach zehn Jahren im Parlament mit mageren 3,8 Prozent*) aus dem Landtag. Bei der letzten Wahl waren es immerhin noch zehn Prozent.
Die Koalitionsfrage ist nicht besonders spannend. Ob SPD oder Grüne – andere Koalitionsmöglichkeiten gibt es nicht – es bleibt (aus bürgerlicher Sicht) die Wahl zwischen Pest und Cholera. Die Versuchung in der CDU, es mit den Grünen zu koalieren, ist groß. Und Tillich hat das nicht ausgeschlossen, zumal sich mit der Grünen-Spitzenfrau Antje Hermenau eine ausgewiesene Realo-Politikerin als Partnerin anbietet – was diese Alternative dennoch nicht reizvoller macht. Da allerdings will die „Basis“, die das nicht will, noch ein Wörtchen mitreden.
Eine Überlegung der Union sollte auch sein, über die Risiken einer Koalition mit der SPD gründlicher nachzudenken. Wenn sie jetzt eine Koalition mit der SPD eingeht, baut sie Dulig auf, und in fünf Jahren könnte die SPD für die Union gefährlicher werden.
Es darf vermutet werden, daß die CDU-Vorsitzende Merkel (noch heimlich) eine Koalition mit den Grünen vorzieht, zumal für die Arbeit der Großen Koalition in Berlin keine größeren Konsequenzen zu erwarten sind – wie auch dann nicht, wenn eine CDU/SPD-Koalition zustande käme. Aus Sicht der Unionsführung wäre Schwarz/Grün allemal sinnvoll. Es wäre die zweite schwarz-grüne Regierung auf Länderebene (neben Hessen), was sich als Wegbereiter für eine solche Koalition nach der Bundestagswahl 2017 erweisen könnte. Und: Die CDU braucht neue Partner-Alternativen, da die FDP wohl auf Dauer ausscheidet und die AfD (noch) ungeliebt ist.
Es ist eine gewisse Paradoxie. Ausgerechnet in Sachsen, wo die Union relativ konservativ ist, kommt eine Koalition mit den Grünen infrage wie in Hessen, wo die Union ja auch relativ konservativ ist. Die Union sagt sich, wir brauchen einen Koalitionspartner, wir können nicht immer nur eine Große Koalition vorsehen, zumal der Begriff der „Großen“ Koalition in Sachsen nicht ganz stimmt; denn die Linke ist deutlich stärker als die SPD.
Ein Tiefschlag für die FDP – Ist der Liberalismus am Ende?
Für die FDP läutet bereits das Totenglöcklein. Der vielgepriesene Star am Himmel, Lindner, erweist sich in der rauhen Politlandschaft eher als trübe Funzel – eine „leere Hose“, wie die Bayern so jemanden treffend nennen. Es ist kaum zu erwarten, daß sich die Liberalen, die nun nirgendwo mehr in einem Bundes- oder Landesparlament sitzen, so bald erholen. Der arme Lazarus kann wohl nur auf ein Zeichen vom Himmel, ein Wunder, hoffen. Für eine Aufbruchstimmung ist dies nicht das beste Klima.
Für die FDP ist es ein weiterer Tiefschlag: „Die Marke ist schwer beschädigt“, sagte am Wahlabend Holger Zastrow, der Vorsitzende der Landes-FDP. „Wir haben wie die Löwen gekämpft.“ Vergeblich. Und schlimmer noch: Der FDP droht nun auch in Thüringen und Brandenburg die Abwahl aus den Landesparlamenten. Da kommt gewiß keinerlei Aufbruchstimmung auf, die Motivation ist futsch.
Aber dies alles bedeutet nicht das oft herbeizitierte „Ende des Liberalismus“ in Deutschland. Genau hier liegt nämlich bei den Liberalen der Hund begraben: Man braucht die FDP nicht mehr, nirgends mehr, weil – bis auf die ewiggestrigen Sozialisten der SED-Nachkommenschaft – jede der demokratischen Parteien erhebliche liberale Elemente verkörpert, inklusive (erst recht) der AfD. Was soll eine „liberale“ Partei denn noch, wenn ihre ursprünglichen Ziele bei allen anderen Parteien zu finden sind? Die „Marke FDP“, wie Zastrow sie nannte, ist verstaubt, vergilbt, vergessen.
Zum Untergang der FDP bleibt nur noch nachzutragen: Diese Partei ist selbst schuld an ihrem Niedergang. Die Bürger orteten seit langem die FDP eher bei „links“ ein denn bei „liberal“. Eine klare Botschaft hatte diese Partei nicht mehr, keine „Marke“ mehr. Mit der Wahl Christian Lindners zum Parteivorsitzenden wurde die „Methode Luftikus“, die schon sein Vorgänger Westerwelle verkörperte, zum herrschenden Prinzip. Soviel vermeintlichen „Liberalismus“ („Freiheitssinn“) verträgt keine Partei. Schade! (Aber bitte: de mortuis nihil nisi bene. Decken wir den Mantel christlicher Nächstenliebe über die Dahinsiechenden!)
Wahlerfolg der AfD – Herausforderung für die Union
Die AfD errang mit 9,7 Prozent einen großen Wahlerfolg – aus dem Stand heraus. Die sächsische AfD hatte schon bei der Europawahl im Mai dieses Jahres rund sieben Prozent der Stimmen erreicht. Der Einzug in den sächsischen Landtag – also zum ersten Mal in der jungen Geschichte der AfD ein Einzug in ein Landesparlament – zeigt, daß die AfD endgültig in der deutschen Parteienlandschaft angekommen ist. Auszugrenzen aus dem demokratischen Diskurs ist sie damit nicht mehr – was viele „Alte“ ärgert (mich aber nicht!).
Die CDU, seit Jahren nach rechts blind, macht auf Trotzkopf. Armin Laschet, CDU-Bundesvize und Parteichef der NRW-CDU, beeilt sich (vorschnell, wie ich meine), die AfD zu verteufeln (ARD): “Die AfD ist für uns kein Bündnispartner, sie macht eine rückwärtsgerichtete Politik und kann für uns kein Partner sein.” Dies sei die Meinung der Bundes-CDU, aber auch des sächsischen Regierungschefs und Wahlgewinners Tillich, tritt setzt Laschet nach.
Vorerst kann die AfD gelassen auf die weitere Entwicklung schauen. Mit dem Schwung aus Sachsen will die AfD auch in Thüringen und Brandenburg in den Landtag, ein Landesparlament nach dem anderen soll folgen. Das Fernziel 2017: der Einzug in den Bundestag.
So selbstverständlich, wie das Ziel heute klingt, ist das aber noch längst nicht:
- Die AfD muß erst einmal beweisen, daß sie ordentliche parlamentarische Arbeit leisten kann. Da sie keinerlei Erfahrung auf diesem Gebiet hat, wird sie gewiß besonders kritisch beäugt werden.
- Eine große Gefahr – jetzt schon mit Händen zu greifen – droht der AfD von der Zersplitterungskrankheit mit anschließender Selbstzerfleischung. Gerade junge Parteien leiden unter dem Bazillus, der verschiedene Richtungen in der Partei befällt, so daß sich deren Anhänger recht bald gegenseitig zerhacken. Letztes „prominentes“ Beispiel dafür gaben gerade die Piraten ab.
- Die größte Herausforderung stellt sich der AfD programmatisch. Sie muß deutlicher machen, wohin die Reise für die AfD geht. Man kann nicht nur klagen, daß die CDU die Tür verschlossen hält, man muß auch fragen, welches Angebot die AfD verläßlich (!) vorhält. Die „offizielle“ Linie in den Unionsparteien ist zwar gegen die AfD gerichtet, aber innerhalb der Unionsmitgliedschaft gibt es durchaus namhafte Stimmen, die einer Zusammenarbeit mit der AfD das Wort reden. Ist/Wäre das programmatische Angebot der AfD eindeutig, könnte sie ein ernstzunehmendes konservatives und liberales Korrektiv in der Parteienlandschaft werden.
- Die Zeit bis 2017 muß die AfD nutzen, um alle ihre Flügel zu integrieren und die Personalquerelen zu beenden. Nur dann hat die AfD eine Chance, sich glaubwürdig als neue Volkspartei in Deutschland anzubieten.
- Eine spannende Frage ist, welche Strömung – die konservativ wirtschaftsfreundliche oder die islamkritische – sich durchsetzen wird. Die AfD ist noch in der Findungsphase.
Tillich hat zwar ein Bündnis mit der AfD nicht komplett ausgeschlossen, Merkel und ihre Entourage aber, und zwar deutlich. CDU-General Tauber im ZDF (31.8.14): „Wir haben immer klar gesagt, mit der AfD gibt es keine inhaltlichen Gemeinsamkeiten. Deswegen kann es da aus Sicht der Bundespartei keine Zusammenarbeit geben.“ Also kündigte Tillich brav Koalitionsgespräche mit den Grünen und der SPD an. „Ich kann mit den Grünen, ich kann aber auch mit der SPD reden“, sagte Tillich der ARD.
„Rechtskonservativ“ – wohl ein neues Schimpfwort
Und wie die gemeinsame Denke bei den Öffentlich-Rechtlichen funktioniert, sieht man exemplarisch am folgenden Beispiel: Der Bayerische Rotfunk Rundfunk berichtete in der „Rundschau“ am Wahlabend, die „rechtskonservative AfD“ habe in Sachsen 9,9 % erreicht. Man erkennt die Handschrift von Merkels Ex-Sprecher Wilhelm bis hin zur Wortwahl in den Nachrichtensendungen. Wobei die Wortschöpfung „rechtskonservativ“ eher eine Tautologie oder ein Pleonasmus denn eine politisch tragbare Vokabel ist. Sie fällt auf den Urheber zurück.
Lange Gesichter bei der SPD und kein Schenkelklopfen
Was dem Tillisch der Schlafwagen, war dem Dulig ein Küchentisch – sein wichtigstes Requisit im Landtagswahlkampf des SPD-Spitzenkandidaten, an dem er oft mit Getreuen (öffentlich) Platz nahm, auch z. B. am Ostseestrand.
„Ich habe im letzten Wahlkampf eine Rede gehalten, wo ich gesagt habe, meine wichtigsten Berater sitzen bei mir am Küchentisch, weil ich ganz viel von meinen Kindern gelernt habe. Und das war für mich so der ausschlaggebende Punkt, diesen Küchentisch nicht nur in meinen Reden einzubauen, sondern ihn wirklich physisch mitzunehmen.“
Trotz des Küchentischs als prominenten Wahlhelfer ist der Erfolg bei den Landsleuten nicht gerade durchschlagend.
Kleine Zwischenbemerkung: Schlafwagen und Küchentisch – die verehrten Wählerinnen und Wähler bogen sich vor Lachen und blieben gelangweilt zuhause. Mehr als 50 Prozent Nichtwähler!
Man gaukelte bei der SPD jedoch Siegerlaune vor („Wir sind die einzige Partei mit Stimmengewinnen!“), aber so recht zum Schenkelklopfen war die Stimmung der Sozis denn doch nicht. Man hatte von 14 % („sicher“) oder 15 % („sind drin“) geträumt, landete aber bei äußerst mageren 12,4 Prozent*). Von 10,4 % bei der Landtagswahl 2009 auf jetzt 12,4%! Fürwahr ein gigantischer Sieg! Daß die CDU dreimal so stark ist, sollte man besser schamhaft verschweigen, sonst werden die Roten noch rot vor Neid.
SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi sprach etwas realistischer von „Licht und Schatten“ beim Abschneiden ihrer Partei. Es handele sich um „ein bittersüßes Ergebnis“, sagte sie in Berlin. Es gebe für die SPD in Sachsen immerhin „ein Plus, über das man sich freuen kann“ – eine „Grundlage, die wir weiter ausbauen wollen“. (Haribo macht Kinder froh und SPD sich selber froh!) Und dann hub sie noch aus zu einem kleinen Tritt ans Schienbein des sehnlichst erwünschten zukünftigen Regierungsgesponses: CDU-Ministerpräsident Tillich habe der Demokratie einen „Bärendienst“ erwiesen, indem er sich nicht deutlich von der AfD distanziert habe. Also sprach Yasmin – und verduftete.
SPD-Spitzenkandidat Dulig bezeichnete hinwiederum den Stimmenzuwachs als „Vertrauensvorschuß“ für die Sozialdemokraten. Das Ergebnis sei in allererster Linie ein „Kredit von Wählerinnen und Wählern“, sagte Dulig und verkündete anschließend seine „Theorie der menschlichen Mobilität“: „Die eigentliche Arbeit liegt noch vor uns. Nach diesem ersten Schritt müssen wir weitere gehen… Im Laufe des Abends könne sich noch viel bewegen.
Dulig wird wohl bei seinem Lauf noch etwas Luft benötigen; denn Tillich hat noch eine Alternative, ist also nicht an die SPD gebunden: Die Grünen haben mit 5,7 Prozent*) äußerst knapp die Fünfprozenthürde geschafft. Bei der vorherigen Landtagswahl waren es noch 6,4 Prozent. „Wir haben etwas mehr erwartet“, meinte die Vorsitzende der Bundes-Grünen, Simone Peter, wertete aber – es muß ja was zu feiern geben – den Wiedereinzug als „ein wichtiges Signal für die anstehenden Wahlen in Thüringen und Brandenburg“. Und ganz typisch Grün: In einem Akt lustiger Selbstüberschätzung fügte sie hinzu, nach leichten Verlusten „mischt die Partei aber weiter im sächsischen Parlament mit“. Wohlan denn!
NPD rausgeflogen
Nach zehn Jahren im Landtag muß die NPD nun ausziehen. Ganz 808 Stimmen fehlten ihr zum Wiedereinzug. Das trifft die Partei empfindlich; denn hier konnte sie Posten und Pfründen verleihen. Sachsen gilt neben Mecklenburg-Vorpommern als Hochburg der NPD. Auf kommunaler Ebene ist sie aber immer noch tief verwurzelt.
Die Partei ist geächtet, und jetzt, nach ihrem Scheitern in ihrer Hochburg, droht ihr das gleiche Schicksal auch in Mecklenburg-Vorpommern.
Linkspartei im Abseits
Auch die Linkspartei leckt Wunden, auch wenn sie das nicht zugibt. Sie hatte doch so sehr von einer linken Mehrheit (SPD, Grüne, Linkspartei) geträumt! Aber sie hat Stimmen verloren und nichts gewonnen. Also macht man sich selber froh und tröstet sich: „Es sieht so aus, als hätten wir unser wichtigstes Wahlziel erreicht: die Rückkehr der CDU zur absoluten Mehrheit, die noch vor drei Monaten greifbar schien, zu verhindern“, sagte Parteichef Rico Gebhardt. Vor einem Jahr habe die Linke in den Umfragen noch bei 14 Prozent gestanden. Das hat schon was von schwarzem Humor!
Besondere Herausforderungen für die neue Wahlperiode
Die Schulpolitik wird eine der großen Herausforderungen für die kommende Legislaturperiode. Deshalb war sie auch das wohl wichtigste Thema im sonst so themenarmen Landtagswahlkampf. Laut einer Umfrage der “Sächsischen Zeitung” finden mehr als zwei Drittel der Befragten, daß ihnen die Situation an den Schulen die meisten Sorgen bereitet. Kurz dahinter stehen die Kriminalität und die demografische Entwicklung.
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1.9.14
Eine Auswahl von Pressestimmen (DLF 1.9.14, 7:05 Uhr):
In den Montags-Zeitungen (1.9.) ist die Wahl in Sachsen das beherrschende Thema – für Diskussionsstoff sorgt vor allem das überraschend gute Abschneiden der Alternative für Deutschland (AfD).
- Die LANDESZEITUNG aus Lüneburg resümiert: “Diese Wahl hat die politischen Koordinaten der Republik verschoben. Vor ein paar Jahren dominierte die Farbkombination Schwarz-Gelb noch die Länderparlamente, nun ist mit der schweren Schlappe der FDP in Sachsen die letzte Regierungsbeteiligung der Liberalen Geschichte. Der Untergang der Liberalen scheint nicht aufzuhalten zu sein. Bei den Wahlen in Thüringen und Brandenburg drohen die nächsten Katastrophen. Das politische ‘Erbe’ der FDP will die AfD antreten, der erstmals der Einzug in einen Landtag glückte. Fakt ist, dass sich Ministerpräsident Tillich einen neuen Regierungspartner suchen muss. Fakt ist auch, dass das Protestpotenzial in Sachsen zugenommen hat. Dies drückte sich in der geringen Wahlbeteiligung und dem guten Abschneiden von AfD und NPD aus”.
- Aus Sicht der Zeitung DIE WELT war in den vergangenen Jahren in Sachsen … “… eine Regierung von CDU und FDP am Werk, deren Arbeit sich sehen lassen kann. Wenn sich dennoch ein Drittel der Wähler für linke und rechte Populisten entscheidet, muss man sich schon fragen, wie ernst die Bürger sich und ihr Wahlrecht eigentlich noch nehmen. Offenbar geht es den Wählern immer mehr um das Anzeigen von Emotionen – und immer weniger um politische Ratio”.
- Die “Alternative für Deutschland” hat aus dem Stand fast zehn Prozent der Stimmen bekommen. Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG überlegt, wie Ministerpräsident Tillich von der CDU damit umgehen wird: “Es ist davon auszugehen, dass Wahlsieger Tillich die Option AfD als Druckpotenzial gegenüber der SPD benutzen wird, um diese in Koalitionsgesprächen klein zu halten. Er wird aber kaum derjenige sein wollen, der die AfD als Regierungspartei salonfähig macht”.
- “Das Ergebnis der AfD in Sachsen ist schon ein politischer Paukenschlag”, findet der TRIERISCHE VOLKSFREUND. “Doch Vorsicht: Das Resultat bedeutet nicht, dass die Alternative jetzt schon im Parteienspektrum als feste Größe angesehen werden kann. Auch den Piraten ist es gelungen, in mehrere Landtage einzuziehen, und anschließend haben sich die Freibeuter von Land zu Land selbst zerlegt. Heute spricht von ihnen keiner mehr. Trotzdem wird in der Union jetzt wieder die Debatte aufflammen, wie mit der Partei rechts von ihr weiter umgegangen werden soll”.
- Die in Oldenburg erscheinende NORDWEST-ZEITUNG geht auf das Scheitern der FDP an der Fünf-Prozent-Hürde ein: “Aus, Schluss, vorbei. Diese Wahl in Sachsen dürfte der FDP endgültig den Todesstoß versetzt haben. Die Liberalen haben die letzte Regierungsbeteiligung in einem Bundesland verloren. Sie sind dabei in einem Land gescheitert, in dem die FDP kommunal nach wie vor gut verankert ist. Es hat nichts geholfen, dass Sachsen-Chef Holger Zastrow sich im Wahlkampf unmissverständlich von der Bundespartei abgesetzt hat. Das lässt im Grunde nur einen Schluss zu: Die Marke FDP ist verbrannt.”
- Das DARMSTÄDTER ECHO hält fest: “Der Untergang der FDP in Sachsen illustriert in grellen Farben, wie ungerecht Politik sein kann – und wie total, wie extrem das Vernichtungswerk der Generation Westerwelle war.”
- Die FRANKFURTER RUNDSCHAU betont: “Der Niedergang der FDP betrifft andere gleichermaßen – nicht existenziell zwar, aber empfindlich: Die CDU verliert eine Koalitionsoption. Sie hat sich zwar für die Grünen geöffnet, weil aber gleichzeitig die SPD die Scheu vor der Linkspartei zu verlieren scheint und mit der AfD eine Konkurrenz am rechten Rand erwachsen ist, gerät Angela Merkels Truppe ins Hintertreffen. Die Zeit der FDP ist vorbei, die Zeiten für die CDU werden schwieriger”.
- Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG hält die AfD für rückwärts gewandt – und erklärt sich gerade damit ihre Beliebtheit: “Wer wählen will, was früher war, wählt die AfD. Sie verspricht ihm in Euro-Zeiten das Deutsche-Mark-Gefühl. Sie ist gegen die Homo-Ehe, gegen die Frauenquote, gegen die Einwanderung – und ganz besonders gegen Flüchtlinge.Gleichberechtigung heißt dort ‘Gender-Wahn’. Und die Abtreibung wird als ‘Frevel’ bezeichnet. Es gibt gar nicht so wenige Wähler, denen das gefällt.”
- Der Berliner TAGESSPIEGEL sieht in der AfD ein Sammelbecken für Unzufriedene: “Sie holt ihre Stimmen bei den Nichtwählern, bei denen, die wenig parteigebunden sind, bei Protestwählern. Und wohl auch bei CDU-Anhängern – und jenem Teil der FDP, der die Euro-Politik der vormaligen schwarz-gelben Koalition ablehnte.”
- Kanzlerin Merkel hatte vor der Wahl Koalitionen mit der AfD ausgeschlossen. Die AUGSBURGER ALLGEMEINE bezweifelt, dass die CDU an diesem Kurs festhalten kann: “Langfristig wird sie nicht umhinkommen, ihr Verhältnis zur AfD zu klären. Sonst findet sich die CDU in der Opposition wieder, wenn es im linken Lager eine Mehrheit gibt.”
- Anders sieht dies die THÜRINGER ALLGEMEINE aus Erfurt: “Bisher geht der Aufschwung der AfD kaum auf Kosten der Union. Stattdessen klaubt die neue Partei die liberalen Prozente auf und verfängt bei Protestwählern. Das verschafft der CDU taktische Vorteile. Denn in der Relation schrumpft das linke Lager.”
- “Die Zeit der FDP ist vorbei”, meint die FRANKFURTER RUNDSCHAU: “Ihr Niedergang betrifft andere gleichermaßen – nicht existenziell zwar, aber empfindlich: Die CDU verliert eine Koalitions-Option.”
- Der KÖLNER STADT-ANZEIGER blickt auf die kleinen Parteien: “Die tot gesagte NPD hat sich überraschend stark behauptet. Die Pulverisierung der Liberalen setzt sich dagegen fort. Dass der Union damit eine anschlussfähige politische Kraft abhanden kommt, war Tillichs CDU herzlich egal. Hauptsache weiterregieren!”
(* Vorbehaltlich des amtlichen Wahlergebnisses)