Wohl um den Grünen das Thema zu entreißen, beginnen manche SPD-Politiker über eine Novellierung des Betäubungsmittelgesetz, insbesondere über die Freigabe von Cannabis, nachzudenken.
Vorreiter ist die Frankfurter SPD. Das Drogenproblem ist in der Stadt am Main seit Jahrzehnten besonders groß. Die Szenen, die sich in der Taunusanlage abspielten, also mitten im Bankenviertel, waren bundesweit bekannt. Schließlich reagierte die Stadt Ende der 1990er Jahre mit dem „Frankfurter Weg“. Es wurden sogenannte Fixerstuben eingerichtet, in denen unter hygienischen Bedingungen Heroin oder das Ersatzmittel Methadon verabreicht wurde. Dadurch sollte die Zahl der Drogentoten reduziert und der Konsum aus der Illegalität herausgeholt werden. In Wahrheit resignierte die Politik gegenüber dem zugespitzten Drogenproblem.
Ähnlich argumentiert nun die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD im Frankfurter Stadtverordnetenhaus, Renate Wolter-Brandecker, hinsichtlich der Freigabe von Cannabis. Auf einer von ihrer Partei organisierten Podiumsdiskussion in Frankfurt am 29. September 2014 erklärte sie, Konsum von Cannabis sei zunächst nicht problematisch. Das Ausprobieren gehöre zur Jugendzeit, wie etwa Alkohol. Sie plädiert für die staatliche Ausgabe. Eigentlich sollte das eine „Expertendiskussion“ sein. De facto war es eine Propagandaveranstaltung für die Freigabe von Cannabis.
Sekundiert wurde Wolter-Brandecker von Heino Stöver, Professor für sozialwissenschaftliche Suchtforschung. Seiner Meinung nach hätte der Staat nicht das Recht, sich in den Rausch der Bürger einzumischen. Eine Mehrheit im Saal quittierte das mit lautstarker Zustimmung. Diese Stimmung ausnutzend, stand die anwesende Frankfurter SPD-Bundestagsabgeordnete Ulli Nissen auf und verkündete voller Pathos, sie träte für die längst fällige Liberalisierung ein.
Der Suchthelfer Ulrich Claussen hatte kaum Chancen, den Zuhörern die Risiken des Konsums zu erläutern. Und das sind nicht wenige. Inzwischen sind mehr Menschen von Cannabis als von Opiaten abhängig. Der Konsum führt nicht nur zu Herz-Kreislaufproblemen, sondern zu einer Störung der Affektregulierung, was Depressionen und Suizid zur Folge haben kann. Konsumenten von Cannabis haben erhebliche Schwierigkeiten, einen Schulabschluss zu bekommen. Oft wird Cannabis mit Alkohol verglichen. Ein absurder Vergleich, denn Alkohol wird im Gegensatz zu Cannabis von der großen Mehrheit nicht konsumiert, um sich zu berauschen.
Die Grünen zeigen sich erstaunlich hilflos gegenüber den Vorstoß der Sozialdemokraten. Die Grüne Stadtverordnete, Rosemarie Heilig, immerhin Gesundheitsdezernentin, wollte sich nicht zu den Vorschlägen der SPD äußern. Die FAZ spottete: „Wer eine Frankfurter Stadträtin einmal so richtig leiden sehen will, sollte sich mit Rosemarie Heilig verabreden und der Grünen Politikerin eine Frage stellen: „Was bitte halten sie von einer Cannabis-Freigabe?“ Der Stadtverordnete der Grünen Matthias Münz beklagte: „Eine parteipolitische Veranstaltung zu diesem Zeitpunkt zeugt nicht von großer Sachkenntnis, sondern lediglich von dem aktionistischen Versuch, sich das Thema anzueignen“.
Sicherlich trifft das Letztere zu. Im Frühjahr 2016 findet in Hessen die nächste Kommunalwahl statt. Denkbar wäre, dass SPD und Grüne sich nun in Vorschlägen zur Liberalisierung von Drogen zu übertrumpfen versuchen, um die Stimmen der Drogenkonsumenten an sich zu ziehen.