Wie Manuela Schwesig einmal schwarz vor Augen wurde

zorn-grafik-180x216Zorn der Ge-Rechte, Folge IX

Von Thomas Böhm*)

Auf diese Einladung hatte Manuela Schwesig lange warten müssen. Nun aber fühlte sie sich mächtig geehrt. Als Trauzeugin sollte sie erscheinen, der Ehe zwischen einer schwul-lesbischen Randfigur und einem toten Rottweiler die entsprechende Würde geben. Die Feier sollte am 1. Mai stattfinden. Eigentlich ein Tag, den Frau Schwesig mit der Familie verbringen wollte. Aber die Arbeit geht nun mal vor. Gerade am 1. Mai, dem Feiertag der Arbeiter. Haha.

Der Ehegatte selber wollte sie von zu Hause abholen. Da sie nicht so recht wusste, wer das von den beiden Glücklichen war, setzte sie ihr allgemeingültiges Lächeln auf, als es an der Haustür klingelte. Es handelte sich bei diesem Ehegatten um einen männlichen Typ, das konnte Frau Schwesig an der Stimme erkennen, als sie begrüßt wurde. Der Rest steckte unter einer dunklen Kapuze, das Gesicht war von einer Ski-Maske verdeckt.

Frau Schwesig wunderte sich ein wenig, da es ihr noch gar nicht so kalt vorkam und wunderte sich noch mehr, als sich der Herr als Zorn der Ge-Rechte vorstellte und sie mit seiner Flachzange am Arm packte und in den Wagen zog, der mit laufendem Motor vor ihrer Haustür wartete.

„Wo soll denn die Trauung stattfinden“, fragte sie, während sie sich noch schnell die Nase puderte. „Entweder in einer evangelischen Kirche oder in einem der anderen Gotteshäuser, in dem Zwangsehen vollzogen werden. Das wird kurzfristig entschieden“, antwortete Zorn und legte den ersten Gang ein. „Wir fahren erstmal zu den beiden nach Hause.“

Haschischkrümel im Rührteig

Das freute Frau Schwesig ungemein, konnte sie dadurch einen Einblick in die familiären Verhältnisse des Brautpaares gewinnen. Aber diese verwirrten die Dame dann doch etwas. Als Zorn sie nach Friedrichshain verfrachtet und in einer Hinterhof-Bruchbude abgelegt hatte, musste sie erstmal kräftig husten. Es roch nach verbranntem Gras und schalem Bier. Von dem Brautpaar war nichts zu sehen, dafür hockte ein Dutzend weiterer schwarzgekleideter Kapuzenmännchen an einem verdreckten Küchentisch, rülpsten und furzten ungeniert durch den Raum.

Frau Schwesig fühlte sich hier sofort heimisch. Ein Kapuzenmännchen jonglierte mit Pflastersteinen, ein anderes schleppte Benzinkanister durch die Gegend, ein drittes füllte Bierflaschen mit einer scharf riechenden Flüssigkeit und verstopfte die Öffnungen mit Stofflappen, ein anderes bröselte Haschischkrümel in einen Rührteig, und ihr Gegenüber am Küchentisch baute aus bunten Legosteinen ein wunderhübsches Flüchtlingsheim.

„Frau Schwesig, herzlich willkommen bei der Antifaschistischen Brigade „Immer uff die Fresse“. Verzeihen Sie mir diese kleine Planänderung. Die Hochzeit muss noch warten, es gibt für Sie als Politikerin jetzt Wichtigeres zu tun“, erklärte ihr Zorn die Situation. Frau Schwesig zeigte sofort Verständnis. Der Begriff „Antifaschismus“ weckte bei ihr automatisch antifaschistische Reflexe, und irgendwie waren ihr die Typen äußerst sympathisch.

“Auf zur Nazi-Jagd!”

„Kein Problem“, sagte sie. „Ich bin ganz Ohr. Worum geht es? Immer raus mit der Sprache.“

„Es juckt uns in den Fingern. Wir müssen mal wieder auf Nazi-Jagd gehen“, sagte Zorn, der anscheinend der Anführer dieser Antifa-Truppe war. „Aber gerne doch. Ich bin dabei“, freute sich Frau Schwesig. Daraufhin knallte Zorn ein Telefonbuch auf den Tisch, schlug es auf, schaute an die Decke und kratzte mit seinem rechten Zeigefinger auf einer Seite herum, bis er gefunden hatte, was er suchte.

„Da haben wir schon unseren Nazi. Ein ganz übler Bursche!“ Frau Schwesig stand jetzt auf und schaute Zorn über die Schulter. „Können Sie sehen, liebe Frau Schwesig, wie dieser Nazi heißt?“, fragte Zorn.

Die Angesprochene senkte ihr Haupt und schaute Zorn auf den Finger. „Der Typ heißt Stefan Schwesig“, las sie laut vor. Die anderen jubelten und fletschten ihre braunen Zähne. Da erst wurde Frau Schwesig bewusst, um welchen Nazi es sich handelte: „Das ist ja mein Mann“, rief sie und machte große Augen.

„Ja, ja“, antwortete Zorn. „Die Nazis machen sich überall breit, sie sind mitten unter uns und meistens näher, als man denkt!“ „Aber wie kann das sein?“, wollte Frau Schwesig wissen. „Das ist mir ja noch gar nicht aufgefallen.“

„Denken Sie doch noch einmal genau nach“, versuchte Zorn ihr auf die Sprünge zu helfen und schlug ihr dabei einmal sanft mit seiner Flachzange auf den hübschen Hinterkopf. „Irgendetwas Verdächtiges wird Ihnen doch aufgefallen sein.“

Da kam Frau Schwesig ins Grübeln: „Wo Sie das so sagen. Also, gestern Morgen hat er einen Türken, der in seinem BMW saß, rechts überholt. Vor einer Woche wollte er mich überreden, dass wir uns einen Schäferhund anschaffen. Vorgestern hat er sich einen braunen Pullover gekauft. Ach ja, und jetzt fällt es mir auch wieder ein: Erst heute Morgen hat er zu mir gesagt, dass er mich lieben würde und sich noch ein Kind von mir wünscht. Hätte ich selber darauf kommen müssen. Wenn das kein Nazi-Spruch war.“

„Lieber spät, als gar nicht erkennen“, sagte Zorn und klappte das Telefonbuch wieder zu. „Habe Sie zufällig ein Foto von Ihrem Mann dabei?“ Frau Schwesig fischte ihr Portemonnaie aus der Handtasche und zupfte tatsächlich ein Foto heraus. Zorn nahm es an sich. Es handelte sich um ein niedliches Familienfoto. Vater, Mutter, Sohn.

Zorn zerriss es, so dass nur noch das Gesicht des enttarnten Nazis übrig blieb. Sein Kumpel legte es auf den Scanner, Frau Schwesig fütterte die gierigen Nazi-Jäger noch mit weiteren Informationen, und nur fünf Minuten später hatte sich das Foto im Netz, auf diversen Blogs, auf Facebook und Twitter verbreitet.

„Nazi-Fresse Stefan Schwesig, Vorsicht, der Mann ist mit einem Lächeln bewaffnet. Er ist Vater und Ehegatte und wohnt in der….Sein Arbeitgeber ist…und der Firmensitz ist in….“

Damit war das klar, und Zorn konnte zum Schluss dem neuen Antifa-Mitglied ohne Glied noch einen Scheck über 1,5 Millionen aus den Rippen schneiden.

Frau Schwesig machte einen glücklichen und zufriedenen Eindruck. Nun stand ein weiterer Nazi auf der Abschussliste, und sie hatte ihren Teil dazu beigetragen, dass seine Existenz vernichtet werden würde. Und sie wollte unbedingt noch einen draufsetzen: Gleich morgen früh würde sie die Scheidung einreichen und ihren Stefan mit einem Tritt in den Hintern zur Tür hinausbefördern.

Ein guter Plan für einen Tag, an dem sie eigentlich an einer Hochzeit teilnehmen wollte. Zorn aber war ebenfalls zufrieden, brachte Frau Schwesig wieder nach Hause und ließ den Scheck dem Konto seiner „Stiftung für Opfer der Denunziation“ zugutekommen.

*) Thomas Böhm ist Chefredakteur des Mediendienstes „JournalistenWatch“ und ständiger Kolumnist bei Conservo. Seine Sonntagssatiren „Zorn der Ge-Rechte“ haben Kultstatus.

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