Quo vadis, Putin?

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Von Karina Weber*)

Besonders die Baltikum-Staaten, die lange unter sowjetischer Besatzung standen, sind wegen der aktuellen russischen Militäraktivitäten in der Ukraine beunruhigt. Es gibt trotzdem nicht wenige Menschen, die die russische Annexion der Krim, dem Vorläufer zur jetzigen Ukraine-Krise, nachvollziehen können. Diese werden von Andersdenkenden gern in eine Ecke gestellt, was einer objektiven Betrachtung der Dinge wenig zuträglich ist. Deshalb habe ich das Thema aus dem Blickwinkel der historischen Tradition Russlands recherchiert.

Putins Russland bedroht seine Nachbarn, überfällt die Ukraine, annektiert die Krim, bricht geschlossene Verträge und verhöhnt das Völkerrecht. Im Prinzip soll offensichtlich die ehemalige Sowjetunion wiederhergestellt werden. Dass das alles bei den weiterhin Seit an Seit mit der untergegangenen Sowjetunion marschierenden Alt- und Neukommunisten der Linkspartei und ebenso bei einem jetzt bei Putins Gazprom angestellten früheren Bundeskanzler auf apologetisches Verständnis stößt, mag vielleicht niemanden überraschen.

Nicht verharmlosen!

Indes ist solche Nachsicht brandgefährlich. Sie verharmlost etwas, das wir lieber nicht verharmlosen sollten. Sie verstellt insbesondere den Blick auf die aggressive Tradition russischer Außenpolitik, aufgrund deren Putins sogar religiös verbrämte Absicht der Rückgewinnung “heiliger” russischer Erde bei großen wenngleich eher rückständigen Teilen der russischen Bevölkerung auf teils begeisterte Zustimmung und Unterstützung stößt.

Putins Vorgehen entspricht nämlich in diesem Punkt den aus der Geschichte bekannten traditionellen Grundmustern russischer/sowjetischer Politik: Seit Jahrhunderten überfällt und unterjocht Russland seine Nachbarn, weil es sich angeblich von diesen bedroht und eingekreist fühlt – wie weiland das alte Rom, das aus eben solchen Motiven mehr als den halben seinerzeit bekannten Erdkreis unterwarf (und in dessen Nachfolge als “drittes Rom” nach Byzanz/ Konstantinopel das zaristische Russland sich vormals denn auch sah).

In diesem Sinne begann schon Zar Iwan der Schreckliche (1533-1584) zum Zwecke der Errichtung eines Weltreichs von Moskau aus mit der Ausdehung seines Reichs nach Süden und mit der Eroberung Sibiriens. Unter Peter I. (1689-1725) eroberte Russland dann im Nordischen Krieg (1718-1721) von dem damals auch den gesamten östlichen Ostseeraum beherrschenden Schweden dessen Provinzen Karelien (Ost-Finnland), Ingermanland (die Gegend um St. Petersburg/Leningrad) sowie das Baltikum. Im 18. Jahrhundert überfiel die russische Zarin Katharina II. (1762-1796) zusammen mit Österreich-Ungarn und Preußen das Nachbarland Polen, das diese drei Mächte in den drei polnischen Teilungen (1772, 1773 und 1795) solange unter sich aufteilten, bis Polen als selbständige politische Einheit von der Bildfläche verschwand. Den Löwenanteil aus der polnischen Beute erhielt Russland.

Trauer über die untergegangene Sowjetunion?

Nachdem nach dem deutschen Sieg über Russland im 1. Weltkrieg in dem mit Lenins Sowjetunion 1918 geschlossenen Frieden von Brest-Litowsk deutscherseits der polnische Staat wiederhergestellt worden war, schloss Stalin mit seinem Spießgesellen Adolf Hitler 1939 den Hitler-Stalin-Pakt, der zu erneutem Überfall auf Polen und zu dessen neuerlicher Unterjochung führte. Die Rote Armee marschierte in Ostpolen ein und besetzte dieses. Außerdem griff die Sowjetunion 1939 Finnland an und besetzte Teile des finnischen Ostens. 1945, nach Jalta, verschob Stalin Polen nach Westen; Ostpolen wurde Teil der Sowjetunion.

Nach wie vor betrachten viele Russen Stalin in Ignorierung seiner Mord- und Greueltaten als einen ihrer Größten und sehen sich durch Auflösung und Untergang der Sowjetunion traumatisiert. Dass auch der ehemalige sowjetische Geheimdienstler Putin gefühlsmäßig der untergegangenen Sowjetunion nachtrauert, lässt sich auch sonst leicht erklären. Schließlich erlebte er als junger KGB-Mann, als Aufsicht über die SBZ/ DDR im Geheimdienst-Hauptquartier in Dresden auf dem schönen Elbufer residierend, eine gute Zeit, in welcher die Welt für ihn noch in Ordnung war.

In entsprechenden geheimdienstlichen Kategorien handelt er auch jetzt und sieht sich von der russisch-sowjetischen Geschichte gestützt. Insofern verstehe ich die Sorgen der Nachbarn Russlands, stimme den EU-Sanktionen gegen Russland zu und unterstütze sie, meine aber trotzdem, dass der Gesprächsfaden mit Russland nicht abreißen darf. Wir sollten Russland jede Chance geben, sich in Zukunft als verlässlicher Partner zu erweisen. Das wird auch und vor allem der russischen Bevölkerung zugutekommen.

*) Karina Weber ist ausgebildete Journalistin und AfD-Kandidatin in Hamburg zur Bürgerschaftswahl

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