Von Thomas Böhm*)
Immer und immer wieder appellieren unsere reichen Politiker, allen voran Kaiserin Angela und ihr Gauckler, aber auch viele Kirchenfürsten, an unsere Großzügigkeit und prügeln uns zur Solidarität mit den armen Menschen dieser Welt.
Dann heißt es „Deutschland muss…“, oder „Wir alle müssen…“ Aber wen dürfen wir eigentlich zu „Deutschland“ und „Wir alle“ dazurechnen? JouWatch hat sich mal umgehört:
Viele Menschen müssen zunehmend ihre Gehälter mit Hartz IV (zusätzliche Leistungen zur Lebenssicherung) aufstocken. In Deutschland sind davon derzeit rund 1,3 Millionen Menschen betroffen. Teilzeitbeschäftigte, Mini-Jobber und Selbstständige stocken ihre Gehälter am meisten auf. Rund 31 Prozent der Betroffenen gehen einer Vollzeitbeschäftigung nach, die ebenfalls nicht ausreicht, um davon leben zu können. Im vorigen Jahr mussten mehr als 200.000 Vollzeit-Arbeitnehmer ihre Einkommen mit zusätzlichen Leistungen aufstocken. Sowohl Angestellte als auch selbstständig Tätige verdienen nicht selten weniger als 8,50 Euro pro Stunde. Doch Wirtschaftsexperten rechnen damit, dass viele Menschen ihren Job gänzlich verlieren könnten, wenn der Mindestlohn eingeführt wird.
Vielfach arbeiten die „Aufstocker“ im Einzelhandel, in Restaurants und Hotels, im Sozial- und Gesundheitswesen, im Lager oder als Leiharbeiter. Die Löhne und Gehälter von Frauen fallen im Allgemeinen niedriger aus als die von Männern. Sie verdienen im Schnitt bis zu 400 Euro weniger. Deshalb nehmen Frauen die staatliche Unterstützung sehr viel häufiger in Anspruch.
Aber nicht nur den Angestellten und Arbeitern geht es immer schlechter. Auch den Selbstständigen und dem Mittelstand, von der Politik auf den Scheiter(n)haufen getrieben, quält die Existenzangst:
Die deutsche Wirtschaft muss sich auch im kommenden Jahr auf eine Pleitewelle einstellen. „Die deutsche Volkswirtschaft gerät zunehmend in den Sog der europäischen Staatsschuldenkrise“, sagte der Vorstand der Neusser Wirtschaftsauskunftei Creditreform, Helmut Rödl. Die Gesamtzahl der Insolvenzen dürfte demnach von 156.200 im laufenden Jahr auf etwa 160.500 steigen, darunter geschätzte 30.500 Firmenpleiten.
Wen aber haben nun unsere „Führer“ im Blick, wenn sie „uns“ das Herz öffnen wollen? Rund 75 Prozent der Deutschen fehlt schlichtweg das Geld, um privat vorzusorgen. Besonders betroffen sind dabei die Arbeiter. In dieser Berufsgruppe verfügen nur 19 Prozent über ausreichende finanzielle Spielräume für die private Altersvorsorge.
Kaum vorstellbar, dass Frau Merkel und Herr Gauck die 13 Millionen Menschen in Deutschland, die an der Grenze zur Armut leben oder die 4,4 Millionen Hartz IV-Empfänger meinen, wenn sie mal wieder Geld für Flüchtlinge und Asylanten einfordern.
Wer also bleibt noch übrig? Will man etwa diesen armen Menschen das letzte Brot aus dem Mund nehmen? In Deutschland haben nach Angaben des Hilfsverbandes BAGW Hundertausende Menschen keine Wohnung – die Tendenz ist sogar steigend. Nach 284.000 Wohnungslosen im vergangenen Jahr sei bis zum Jahr 2016 eine Zunahme auf 380.000 Menschen zu erwarten, teilte die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) in Berlin mit. Derzeit gibt es mehr als 900 Tafeln in Deutschland. Alle sind gemeinnützige Organisationen. Bundesweit unterstützen sie regelmäßig über 1,5 Millionen bedürftige Personen mit Lebensmitteln – knapp ein Drittel davon Kinder und Jugendliche. Und es wird nicht besser werden, im Gegenteil:
Fast eine halbe Million Ruheständler kommen mittlerweile mit ihrer Rente nicht mehr aus, beziehen zusätzlich Stütze! Eine Mehrheit von 51 Prozent der Inkassounternehmer sagt, dass die Zahlungsmoral der Senioren schlechter geworden sei. Nach Meinung des Inkasso-Verbands wird sich die Lage noch deutlich verschärfen: 72 Prozent rechnen mit einer weiteren Verschlechterung der Zahlungsmoral in den kommenden fünf Jahren. „Wir müssen davon ausgehen, dass in den nächsten Jahren mehr Ältere überschuldet sein werden“, sagt BDIU-Präsident Wolfgang Spitz. “Diese Entwicklung besorgt uns.“ Und dank des demografischen Wandels wird es diesbezüglich immer schlimmer werden: Mitte 2012 gab es in Deutschland etwa 20,6 Millionen Rentner. Demgegenüber stehen etwa 35,4 Millionen Beitragszahler…
Da sich die Altersstruktur der Bevölkerung voraussichtlich deutlich ändern wird, wird es künftig immer weniger Beitragszahler und immer mehr Rentner geben. Die Bundesregierung rechnet bis zum Jahr 2030 in der Altersgruppe der 20- bis 64-Jährigen mit einem Rückgang um mehr als fünf Millionen auf dann 45 Millionen Menschen. Im selben Zeitraum soll sich die Zahl der über 65-Jährigen um mehr als sechs Millionen auf dann etwa 22 Millionen erhöhen. Während 1991 noch vier Erwerbsfähige für eine Rente aufkommen mussten, werden es – nach Einschätzung der Bundesregierung – im Jahr 2030 also nur noch zwei Erwerbsfähige sein.
Wir können also sagen: Je mehr Rentner es gibt, desto mehr alte Menschen landen in der Altersarmut. Wer dann in diesem Zusammenhang immer noch vom „Luxusdampfer Deutschland“ faselt, kann nur ein reicher fett gefressener Zyniker sein. Eine Zahl wollen wir dann zum Schluss ebenfalls nicht vorenthalten: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden 2012 in Deutschland 9.890 Selbstmorde gezählt.
Diese Fakten belegen im Prinzip nur eins: Immer mehr Deutsche haben ihre eigenen Probleme zu bewältigen, sind von Geldsorgen geplagt und werden von den Steuereintreibern leer gesaugt. Wenn also unserer Politiker und Kirchenfürsten, die diese Zahlen ebenfalls kennen müssten, weiterhin davon reden, dass „Deutschland“ und „Wir alle“ ständig unsere Brieftasche aufmachen müssen, zeugt das von wenig Verstand und Charakterstärke.
Oder sie wissen nicht, was sie tun. Zum Wohle des deutschen Volkes schon gar nicht.
*) Thomas Böhm ist Chefredakteur des Mediendienstes Journalistenwatch und ständiger Kolumnist bei conservo.