Von Thomas Böhm*)
Im aktuellen Berliner „Tagesspiegel“ finden wir einen interessanten Beitrag, der allerdings den bitteren Beigeschmack einer billigen Ausrede hat. Es geht um das immer wieder heftig diskutierte Thema „Herkunft der Täter – nennen, oder verschweigen?“:
„Türken, Russen, Deutsche: Wenn österreichische Medien über Verbrechen berichten, wird anders als in Deutschland wie selbstverständlich die Nationalität der Täter genannt. Kritiker sehen das als Belastung fürs gesellschaftliche Klima. Nach und nach setzt ein Umdenken ein…“
Merkwürdig nur, dass der „Tagesspiegel“ davon ausgeht, dass es sich bei Tätern um eine Rasse handelt, oder wie dürfen wir das verstehen: „…Kritiker fürchten, dass dadurch Rassismus in der Alpenrepublik verstärkt wird…“
Die Ausrede folgt dann auch so gleich:
„Der Deutsche Presserat gibt in dieser Frage eine klare Linie vor: „In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte“, heißt es im Kodex der Medienwächter…“
Und das kann natürlich auch der „Tagesspiegel“ unterstreichen:
„Nationalitäten erklären nicht die Hintergründe von Straftaten.“ Die vermeintlichen Erklärungen seien vielmehr oft klischeehaft. In der öffentlichen Wahrnehmung entstehe „eine Verbindung von Migration und Kriminalität.“ Auch Parteien, vor allem die rechte FPÖ, hätten sich dies zunutze gemacht. Und schließlich führt Forscher Hausjell noch an: „In Zeiten offener Grenzen gibt es natürlich auch grenzüberschreitende Kriminalität.“ (http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/diskussion-im-nachbarland-herkunft-von-straftaetern-in-oesterreichs-presse-kein-tabu/11286600.html)
Öffentliche Rüge für Tagesspiegel
Komisch nur, dass sich der „Tagesspiegel“ ansonsten einen feuchten Kehricht um den Pressekodex schert: Wegen der Veröffentlichung des sogenannten No-Go-Papiers aus der Linken-Parteizentrale ist der Tagesspiegel vom Presserat gerügt worden. Das Kontrollgremium sprach gegen die Online-Ausgabe dieser Zeitung eine öffentliche Rüge wegen Verstoßes gegen die Ziffern 2 und 8 des Pressekodex aus – es geht darin um Sorgfalt und den Schutz von Persönlichkeitsrechten… (http://www.tagesspiegel.de/medien/wegen-no-go-papier-aus-linken-parteizentrale-presserat-ruegt-den-tagesspiegel/10696934.html)
Und so richtig konsequent scheinen unsere Journalisten nicht zu sein, wenn es um andere Täterbeschreibungen geht, die nichts mit der Tat an sich zu tun haben. Wie oft haben wir diesen, oder einen ähnlichen Satz lesen müssen:
„Der Täter, ein Islamist aus Bayern, von Beruf Hausmeister, er lebt in Neukölln, ist verheiratet, etwa 1,80 groß und 90 Kilo schwer und trägt einen Bart.“ Hier werden dann gleich mal eine Religion, ein Bundesland, ein Berufszweig, ein Stadtteil, die Familienverhältnisse, die Körpergröße, das Gewicht und der Haarwuchs diskriminiert. Und wenn es dann noch heißt „Die Bestie“ muss gleich noch die ganze Tierwelt darunter leiden.
Außerdem: Was ist das eine perfide Logik, bei der man die Herkunft des Täters nicht nennen, aber alles über das arme Opfer bis ins kleinste intimste Detail (war im 9. Monat schwanger) an die Öffentlichkeit bringen darf?
Gehen wir also davon aus, dass der „Tagesspiegel“ uns in Zukunft nur noch über das „es“ informiert und uns vor allen Dingen nicht mehr mit „islamistischen Anschlägen“ belästigt. Schließlich treiben solche Beschreibungen den „Islamfeinden“ den Wind in die Segel.
*) Thomas Böhm ist Chefredakteur des Mediendienstes „Journalistenwatch“ und ständiger Kolumnist bei conservo