Ein Erlebnis in meiner Nachbarschaft: Oskar ist 18 Jahre alt und Abiturient. Er schaut hin und wieder bei uns rein und diskutiert mit uns über dies und jenes, auch aus der Schule. Neulich legte er mir seine letzte Klausurarbeit in Deutsch vor, 30 Seiten, tolles Thema („Der Fernsehkonsum meiner Mitschüler“). Dazu hatte er eine aufwendige Befragung veranstaltet und eine exzellente Auswertung gefertigt: Fazit: Je seichter eine Sendung, desto beliebter.
Sein Deutsch-Lehrer hatte die Arbeit mit „ungenügend“ bewertet und zudem rd. 50 Fehler angekreuzt. Der Junge war verzweifelt, weil die Note für das bevorstehende Abitur wichtig war. (Er hat´s dennoch inzwischen mit „gut“ bestanden.) Oskar bat mich, seine Klausur durchzuarbeiten. Ergebnis: Der Lehrer hatte 30 (!) angebliche Fehler angestrichen, die keine waren, aber – unglaublich! – in seinen eigenen „Korrekturbemerkungen“ fand ich 25 Fehler (des Lehrers wohlgemerkt). Das war sein DEUTSCH-Lehrer!
Im Lichte dieses ganz privaten Erlebnisses las ich die folgende Nachricht in der WAZ mit offeneren Augen (Die Auszüge aus dem WAZ-Artikel sind kursiv geschrieben, alles andere von PH):
„(Essen) Uni-Dozenten schlagen Alarm: Viele Lehramtsstudenten könnten „keine zwei Sätze fehlerfrei schreiben.“ Schuld sei das „Schreiben nach Gehör“. Zudem machten sie eine überraschende Entdeckung: Die deutsche Rechtschreibung wolle gelernt sein. Gute Feststellung! Doch welche Methode ist die richtige?
„ich habe mit meinem froind carera geschbilt“. Der Schulanfänger, der diesen Satz zu Papier gebracht hat, lernt wahrscheinlich nach der „Reichen-Methode“, die auch als „Lesen durch Schreiben“-Methode bekannt geworden und seit ihrer Anwendung in den ´80er-Jahren umstritten ist. Sie schade vor allem Kindern mit Migrations-hintergrund oder aus bildungsfernen Schichten, meinen die einen. Sie sorge schnell für Erfolgserlebnisse bei den Grundschulkindern, meinen die anderen. Dass die korrekte Rechtschreibung scheinbar als verzichtbar gilt, hat mit der Lernmethodik des Schweizer Reformpädagogen Jürgen Reichen zu tun, bei der den Kindern in den Grundschulen über Lauttafeln die Rechtschreibung beigebracht wird. Die Kinder sollen die Beziehung zwischen den Buchstaben und Lauten selbst ergründen, und die Lehrer sollen sie dabei nicht korrigieren.“
Die Leere fom Grieslibeer
In Reichens Methode lernen Kinder anhand der Anlauttabelle. Die Anlauttabelle gibt für jeden Buchstaben des Alphabets ein Beispiel, zeigt z. B. einen Affen für ein A, eine Banane für ein B usw. Und mit dieser Anlauttabelle sollen die Schüler selbst herausfinden, wie Worte geschrieben werden. Das ergibt dann solche Unsinnsworte wie “Grummbeer” oder “Kardoffell” oder “Leerer”; da ist der Grieslibeer nicht weit weg. Daß die Kinder die Rechtschreibung von Worten zunächst falsch erlernen, ist gewollt. Warum? Niemand weiß es. Vermutlich geht es darum, die kindliche Kreativität anzuzapfen, und vor allem geht es darum, Kinder nicht zur richtigen Rechtschreibung zu zwingen. (Eine vertrauliche Frage: Zeigt der Herr Reichen bei dem Buchstaben „L“ wie Leer vielleicht einen Hohlkopf-„Leerer“? Ich bitte alle Echtkopflehrer um Entschuldigung; die Hohlkopfleerer verstehen´s eh nicht.)
Das Kernproblem an der Reichen-Methode ist, daß sich bei den Kindern der Eindruck festsetzt, es sei „egal“, wie man schreibt. Die Idee, daß die Rechtschreibung später korrigiert werden muß, kommt bei den meisten Schülern vermutlich gar nicht erst an. Aus meiner Sicht ist die Anlauttabelle besonders problematisch für die schlechten Schüler. Diese lernen z. B. „fährt” statt Pferd. Das spätere Umlernen wird dann wohl ziemlich schwierig. Man braucht sich nur die Kommentare auf Facebook anzuschauen, dann sieht man ganz plastisch die Ergebnisse dieser Unterrichtsform (Leherform) – zum Gruseln! Es scheint aber niemand willens oder in der Lage zu sein, die Methode abzuschaffen oder wenigstens geeignet zu verbessern.
„Mehr Toleranz für Fehler“
„Mehr Toleranz für Fehler“ lautet z. B. das Motto in Schulen Nordrhein-Westfalens, dem Vorreiterland aller Verbildungsreformen. Die Art und Weise, in der Kindern Schreiben und Lesen (nicht) beigebracht wird, ist Angelegenheit der Schulleitung oder des jeweiligen Lehrers – kann also von Schule zu Schule in der gleichen Stadt unterschiedlich sein. Ein Irrsinn!
Die Degeneration der deutschen Sprache nahm schon Mitte der 70er-Jahre ihren Anfang, indem mit der sog. Ganzheitsmethode den Grundschülern Lesen und Schreiben beigebracht werden sollte. Anstelle der logischen Folge, daß Buchstaben Wörter bilden und Wörter Sätze, wurde den Kindern ein Wort oder ein Satz als Ganzes vermittelt. Die Folge war eine Sprachverkümmerung der Schüler, weil sie diese Worte auswendig gelernt haben und nicht fähig waren, aus einzelnen Buchstaben beliebige andere Wörter zu formen. Gab man einem Schüler andere Worte zum Lesen, war er überfordert; denn die Worte waren (z. B.) erst ab der nächsten Woche dran. Diese Reichen-Methode ist die unselige Fortsetzung einer Sprachverkümmerung. Unsere Sprache verkümmert seit über 40 Jahren zu einem Sprachgemisch. Das bedeutet auch, daß schlechtes Deutsch von den Eltern dieser Jahrgänge an die Kinder weitergegeben wurde.
Sozialistische Gleichmacherei
Unter dem Vorwand, Lernen sollte immer einfacher werden, wurden die Lehrsysteme ständig gewechselt und Klassenarbeiten sowie Zwischenprüfungen abgeschafft, da sie nach sozialistischer Lehre „menschenverachtend“ seien. Im Musterland NRW wurde immer konsequent sozialistische Schulpolitik betrieben. Alle Kinder, unabhängig vom Elternhaus oder völkischer Herkunft, sollten den gleichen Bildungsstandard haben. Von Lernen im Sinne von Kraftanstrengung und Leistungserbringung war naturgemäß nie die Rede. Lernen ist aber nun mal mühselig und kann nur mit Leistungswillen erreicht werden. Eine Binsenweisheit, der sich die grünroten Bildungsträumer nur zu gerne verschließen.
Ergo: Es muß dringend wieder zur Leistungsorientierung in den Schulen kommen. Es kann nicht sein, daß Argumente wie „das demotiviert das kleine Kind” dazu herhalten sollen, von einer deutlichen Leistungsorientierung abzuweichen. Inklusive einer logischen Konsequenz: Ein Kind, das mit dem richtigen Schreiben überfordert ist, gehört eben nicht aufs Gymnasium – und kann dann auch nicht einen Lehrberuf ergreifen.
(WAZ weiter:) Tägliche Katastrophe
„Kritiker warnen seit Einführung der „Reichen-Methode“ vor negativen Folgen. „Die Katastrophe begegnet mir jeden Tag“, sagt der Wissenschaftslektor und ehemalige Kommunikationswissenschaftler der Ruhr-Uni Bochum, Peter Kruck, der WAZ (s.u.). „Die meisten Lehramtsstudenten können keine zwei Sätze fehlerfrei schreiben.“ Und diese kommen anschließend zurück an die Schulen und „haben keine Ahnung von Rechtschreibung“, so Kruck.
Professor: Viele Studenten haben große Probleme
Albert Bremerich-Vos hat nichts gegen das Schreibenlernen mit der Anlauttabelle. Doch sollten Lehrer schon früh auf die richtige Schreibweise achten. Täglich korrigiere er Abschlussarbeiten von Studenten und angehenden Lehrern, und er finde auf 80 Seiten Hunderte Fehler. Das sei inzwischen normaler Standard. Kruck: „Es kommen Leute ins Lehramt, die nie darauf getestet wurden, ob sie die deutsche Sprache überhaupt beherrschen.“ Die Professoren würden es nicht als ihre Aufgabe betrachten, ihren Studenten in diesem Punkt Nachhilfe zu erteilen.
Krucks Vorschläge: Die Reichen-Methode an den Grundschulen sofort abschaffen und Vorbereitungskurse für alle Lehramtsstudenten an den Unis einrichten.
Erfolgserlebnis für Schüler
Dass Lehrer die falsche Rechtschreibung nicht korrigieren dürften, weist Tanja Hilker, Deutschlehrerin an der Theodor-Heuss-Grundschule in Essen, zurück: „Wir sprechen nicht von Korrektur, sondern schreiben unsere Version unter das fehlerhafte Wort.“ Die herbe Kritik an der Reichen-Methode basiere auf Vorurteilen. Denn tatsächlich sorge sie für ein schnelles Erfolgserlebnis und motiviere die Grundschüler. Diese lernten die Laute und später, durch das richtige Abschreiben von Wörtern, präge sich eine korrekte Rechtschreibung ein. „Egal, welche Methode zum Zuge kommt: Die Kinder müssen üben, üben, üben. Ob in der Schule oder Zuhause.“
Lehrer beklagen “Gleichmacherei” bei Noten
Die Landeselternschaft Grundschule NRW hat sich bereits 2014 in einem Brief an den Landesschulausschuss dafür ausgesprochen, dass Schulen gemeinsam mit dem Kollegium und den Eltern eigenständig im Sinne der Schüler entscheiden sollten, welche Methode der richtige Weg ist. Zum „Lesen durch Schreiben“ sagen die Eltern: „Nicht jedes Kind wird bereit und in der Lage sein, eine falsch erlernte Rechtschreibung nach ein oder zwei Jahren neu zu lernen.“ Doch die klassische Methode – richtig Schreiben von Anfang an – presse die Kinder sofort in ein Gerüst aus Regeln: „Kinder werden den Spaß am Schreiben und Erlernen der Rechtschreibung verlieren.“ (Quelle: Silke Hoock, Christopher Onkelbach in: „Dozenten klagen: Lehramtsstudenten können nicht schreiben“ / WAZ.de).
Das politische Ziel der Nivellierung nach unten wurde also erreicht – ein weiterer schöner Erfolg rotgrüner Politik! Getreu dem Linken-Glaubenssatz: Nur ein verdummter Staatsbürger ist ein grenzenlos manipulierbarer, unkritischer Konsument. Sämtliche Bildungspolitiker müßten sofort zurücktreten angesichts der katastrophalen Ergebnisse. Und das selbstaufgeklebte Etikett „Bildungspartei“ sollten die “Grünen” schnellstens ablegen.
„Bildungsreformen“ – Instrumente der Bildungs-Verformung
Erste Bemerkung dazu: Angesichts des oben Beschriebenen wird drastisch deutlich, wie „verformt“ unsere Bildungspolitik heute ist. Niemand blickt mehr durch. Die neue Falsch- äh Rechtschreibung bietet keinerlei Orientierung. Die „Regeln“ sind im Kern eine Sammlung von Ausnahmen und – gewollt – interpretationsfähig. Das Sowohl-als-auch ersetzt die klare Ordnung. Weshalb der Autor dieses Artikels in seinen Schriften aus Protest gegen das Un- Neu-Deutsch grundsätzlich die alte Rechtschreibweise anwendet (gilt nicht für Gastartikel). Bliebe es bei der derzeitigen Handhabung der „Rechtschreibung“, sollten wir in Zukunft tunlichst von „Linksschreibung“ sprechen. Das träfe den Kern eher.
Zweite Bemerkung dazu: Vorsichtig geschätzt darf man davon ausgehen, daß rund Zweidrittel unserer Lehrer der linksgrünen Rasse angehören. Vielleicht sind zehn Prozent noch „normal“ (dem Rest ist alles wurscht). Einige dieser „normalen“ Pädagogen bestätigen mir übereinstimmend die Probleme im Unterricht und den verheerenden Einfluß gleichmacherischer Bildungs-Amateure. Wären es doch wenigstens nur Amateure! Aber es sind Hasardeure, die unserer Jugend das Wichtigste wegnehmen bzw. vorenthalten: eine gute Bildung!
Schon im letzten Jahr hat die FAZ in einem gründlich recherchierten Artikel auf die Mängel hingewiesen (FAZ, 04.09.2014, von Jürgen Kaube):
Bildung, Reform, Wahn – Lasst doch mal alles so, wie es ist
„In den vergangenen vierzig Jahren wurde an den Schulen so gut wie alles geändert, wieder rückgängig gemacht und wieder geändert. Hier eine gewiss unvollständige Reformliste als dadaistische Prosa.
Gymnasium
Seit den siebziger Jahren wurde am Schulsystem alles mindestens einmal verändert.
In Thüringen, wird gemeldet, sei die Stimmung in den Lehrerzimmern schlecht wie seit langem nicht. In Thüringen? Im ganzen Land. Denn es bedarf an den Schulen keinesfalls der Erinnerung an die Zeiten Margot Honeckers, um beispielsweise auch in den westlichen Bundesländern zu dem Eindruck zu kommen, dass die Stimmung so mies fast noch nie war. Oder berechtigterweise schon lange mies ist. Oder jedenfalls ständig verschlechterungsbereit. Der Grund dafür ist kurz zu benennen, er lautet „Reform“.
Was die Lehrer zermürbt, zu enormen Fehlzeiten und Krankenständen wie in Vier-Schicht-Betrieben führt, sind nämlich nicht nur die Kerntätigkeit und jüngere Belastungen durch schulinadäquat erziehende Familien und/oder einmischungsfreudige Helikopter-Eltern in Bildungspanik.
Teilweise oder auch gar nicht verbindlich
Seit den siebziger Jahren wird das Schulsystem vielmehr in beispielloser Weise von politischen Reformwellen heimgesucht. Sie über- und unterspülen mit so hoher Frequenz die Schule, dass inzwischen nur noch Verwaltungsspezialisten und Bildungshistoriker wissen, welche Regeländerungen gerade in Kraft getreten sind, welche sich, kaum, dass man sich an sie gewöhnt hat, schon wieder auf dem Rückzug befinden und welche nach kurzer Abwesenheit unter anderem Etikett neuerlich Druck auf Unterricht und die Schulorganisation ausüben. Geändert, rückgängig gemacht und erneut geändert wurde an den Schulen in den vergangenen vierzig Jahren – alles.
Die Schulformen: dreigliedrig, dreigliedrig mit Gesamtschuloption, Gesamtschule mit drei- oder zweigliedriger Binnendifferenzierung, Gesamtschule unter verschiedenen Titeln und gemeinsamem oder teilweise getrenntem Lernen, Sekundarschule (Sachsen-Anhalt seit 1991, Bremen seit 2005), Integrierte Sekundarschule mit Haupt-, Real- und Gesamtschulzweig (Berlin seit 2010), Mittelschule, Erweiterte Realschule (Saarland), Gemeinschaftsschule (Saarland, von 2012 an), integrierte oder additive Regelschule (Thüringen), Regionale Schule (Rheinland-Pfalz, seit 1997), Realschule plus (Rheinland-Pfalz, seit 2009), Sonderschule, Förderschule, inklusive Schule.
Geändert wurden die Übergangsregelungen zwischen den Schultypen: ob der Übergang von der Elternentscheidung abhängt, ob die Übergangsempfehlung durch Lehrer stark bindend oder teilweise verbindlich oder gar nicht verbindlich ist. Mit eigenen Tests oder mit mehrtägigem „Prognoseunterricht“ oder ohne, unter Heranziehung von Durchschnittsnoten oder unter möglicher Nichtberücksichtigung derselben.
Hin und zurück: die Reformschaukel
Geändert wurden die jeweiligen Beschulungszeiten: Grundschule vier Jahre lang oder erweiterte Grundschule sechs Jahre lang, Ganztags- und Halbtagsschule, gemeinsamer Unterrichtbeginn oder unterschiedlicher, 45-Minuten-Stunde, Doppelstunde, einstündiger Unterricht, bei Lehrermangel Stundenausfall oder Rückgriff auf Hilfslehrer oder auf externe Kräfte, etwa durch „Unterrichtsgarantie plus“ mit Vertretungspools (Hessen seit 2006) oder durch „Verlässliche Schule“ mit Unterrichtsgarantie (Hessen seit 2008), Abitur nach neun oder acht Jahren Gymnasium oder Gesamtschule, flächendeckend oder als Modellversuch, oder das alte G 9 als Modellversuch bei einstimmigem(!) Elternwillen oder bei Mehrheit im Schulrat oder mit flächendeckender Wiedereinführung oder mit Wahlfreiheit, mit Modellversuchen an ganzen Schulen oder mit Wahlfreiheit innerhalb von Schulen.
Geändert wurden die Umstände, unter denen das Abitur erlangt werden kann: mit festen Pflichtfächern und starken oder schwachen Limitationen bei der Hauptfachwahl, mit Kurswahl, mit Noten oder Punktesystem, mit Abwahlmöglichkeiten (Mathematik nur bis zur zwölften Klasse) und ihrer Rücknahme, mit Wahlpflichtfächern, mit vorgezogenem Abitur bei entsprechender Durchschnittsnote nach der elften Klasse, mit Modellversuchen fächerweisen Frühstudiums, mit dezentralem Abitur und mit zentralem, zentralem in allen Fächern oder vorerst nur in einigen. „Vorerst“ muss man aber nicht dazu sagen, denn es gilt eben alles nur vorerst, und die bleibenden Beteiligten, die Lehrer also, können sich bei allem, was neuerdings gilt, fragen, ob es wohl lohnend ist, sich darauf einzustellen, wenn es doch demnächst schon wieder nicht gelten wird.
Technologie im Unterricht oder doch nicht?
Das betrifft vor allem weitere Schulstrukturen, die ständig im Zeichen des Fortschritts geändert werden. Zum einen im Zeichen des technologischen Fortschritts, bei dem politische Reform und didaktische Ausrüstungsindustrie zusammenspielen: Mathematik mit Formelsammlung, mit Taschenrechner, mit Taschenrechner nur im Unterricht oder auch in der Prüfung. Hefte und Schulbücher oder Kopiensammlungen und Aufgabenblätter mit anschließender Rückkehrbereitschaft zu weniger flüchtigen Materien.
Schreibschrift als Erstschrift mit oder ohne Schönheitsbenotung, Druckschrift als Erstschrift. Fremdsprachenunterricht ohne Technologie, mittels Sprachlabor, dann dessen Abschaffung, dafür PC ab der ersten oder der dritten oder der fünften Klasse, in allen Fächern oder nur in manchen, Pflicht-PC zu Hause durch Lesekontrolle über internetbasierte Quizfragen zu Kinderbüchern, eigener computerbezogener Unterricht oder Computernutzung in den herkömmlichen Fächern. Laptops im Unterricht oder nicht. Übergang von der Schiefertafel über Overheadprojektion und Power-Point-Beamern bis zum elektronischen Whiteboard und – nachdem Schüler in nicht ganz verlässlichen Unterrichtsstunden Pornos auf dasselbe hochgeladen haben – eventuell Rückgang zu weniger bildmächtigen Anschreibtechnologien.
Kompetenzkompetenz
Wechselhafter noch ist der pädagogische Fortschritt, bei dem sich zur Politik und den industriellen Ausrüstern nun die akademischen einfinden. Unbedingt zu ändern sei, wird den Lehrern – an der Hochschule, im Referendariat oder in der Weiterbildung und also in jeweils eigenen, sich aneinander brechenden Wellenbewegungen – mitgeteilt: Wer unterrichtet (die Lehrkraft, die Schüler sich selbst, die Schüler einander). Wer zu unterrichten sei: die Klasse (also der Durchschnittsadressat), die Einzelnen individuell, die Schüler in Gruppen, homogenen oder inhomogenen, nach Leistungsstärke oder Alter zusammengefasst oder nach beidem.
Wie zu unterrichten sei: frontal, im Kreis, monologisch, dialogisch oder überhaupt logisch, mit Drannehmen oder ohne, Fehler berichtigend oder auf Selbstkorrektur durch die Klasse wartend, zu ihr auffordernd oder lieber schonungsvoll, in Richtung Wissen oder Können oder Kompetenz, Sachkompetenz, Sozialkompetenz, Präsentationskompetenz, Teamkompetenz, Unterstreichkompetenz. Außerdem: auswendig lernen oder nicht, fachorientiert, interdisziplinär, projektorientiert, problemorientiert. Kein Wunder, dass neulich bei einer Einschulungsfeier eine Direktorin ihr Haus mit der Bemerkung vorstellte, es handele sich um eine lernorientierte Schule – und niemand auflachte.
Von den Lehrplänen und den Unterrichtsfächern, die ständiger Reform unterzogen werden, haben wir jetzt noch gar nicht gesprochen. Begriffe wie „Mengenlehre“ oder „Lektürekanon“ oder „Ethik“ sollten genügen, um das Verlangen nach weiteren Beispielen nicht aufkommen zu lassen. Auch Fragen wie „Sitzenbleiben oder nicht?“, „Zensuren oder schriftliche Beurteilungen?“, „Hausaufgaben oder nicht?“, „Ganze Bücher oder nur Auszüge?“, „Wahlfreiheit zwischen Linearer Algebra und Statistik?“ und dergleichen beliebig verlängerbare und ständig anders beantwortetete Alternativen gehören zu dem, was die Schule mürbe macht.
Am Ende steht die Unsicherheit
Die Reformfreude und der didaktische Rat, der sich über Lehrproben, durch Kriterienbildung für Karrieren – „Ist der Kandidat neuen Entwicklungen gegenüber aufgeschlossen?“ – und über Weiterbildungen verpflichtend macht, lassen so einen ganzen Berufsstand an sich irre werden. Sie betreffen die unwichtigsten Dinge wie die wichtigsten, das organisatorische Rand- wie das Kerngeschehen der Schule, den Unterricht, und produzieren in beiden Fällen stets Unmengen an Papier sowie riesigen Zeitverbrauch durch Grüßen der neuesten Gesslerhüte.
Vor allem aber produzieren sie Verhaltensunsicherheit. Und das in einem System, das, wir haben es oben berührt, von seiner Umwelt ohnehin nicht wenige Aufgaben gestellt bekommt. Und immer mehr und immer schwierigere. Die Frage, ob das gutgehen kann, erübrigt sich.“
Soweit die FAZ. Ich fürchte, daß der Wahn an unseren Schulen kein Ende kennt. Und wenn dann niemand mehr weiß, wie Deutsche Sprache funktioniert, dann kommt eine neue „Rechtschreibreform“. Die nächste „Verbildungsreform“ wartet schon.