Als Vielflieger hat mich die Meldung über den Absturz der Maschine der Germanwings (Lufthansa) sehr „betroffen“ gemacht. Betroffen auch deshalb, weil ich zweimal „durch Glück“, also durch Gottes Hand, vor einem solchen Unglück bewahrt blieb, da ich jeweils kurzfristig auf einen anderen Flug umbuchen mußte. Die ursprünglich gebuchten Maschinen fielen aus, die eine kurz nach dem Start wegen Triebwerkschadens, die andere stürzte ab. Ich kam also mit dem Schrecken davon. Wer Verkehrsteilnehmer ist, weiß, daß der Tod an jeder Ecke lauert.
Betroffen gemacht hat mich aber dieses Mal auch der ungeheure mediale Rummel („hype“) um das Ereignis. Da wurde respektlos spekuliert, über Menschen geredet, phantasiert. Das Haus der Eltern des Co-Piloten in Montabaur (nahe meinem Heimatort) wurde sofort belagert – von Schaulustigen, Sensationshaschern und Journalisten, die keine Scham zu kennen scheinen. Kurz: Hier wurde jede(-rmanns) Würde in die mediale Tonne getreten.
Respekt und Anteilnahme für die Angehörigen der Opfer und des Co-Piloten
Daß die Trauer der Angehörigen Respekt und Anteilnahme verdient, sollte selbstverständlich sein. Aber sollte dies nicht auch für die Angehörigen des Co-Piloten gelten? Ist es hinnehm-bar, daß diese von der Polizei vor rachsüchtigen, einem ausgerasteten Mob ähnlichen Menschen geschützt werden müssen? Nein – bei aller Trauer und bei allem Verständnis für die entstandene Bitterkeit und Wut: nochmals nein! Diese an dem Unglück ebenso Unschuldigen verdienen dieselbe Anteilnahme, wie sie den anderen Trauernden gilt. Hierzu lese ich einen beachtenswerten Kommentar auf „Civitas“ (civitas-institut.de/index.php?option=com_content&view=article&id=2392:betroffenheitskultur&catid=1:neuestes&Itemid=33):
An dieser Stelle soll niemandem die Ernsthaftigkeit seiner Gefühle abgesprochen werden. Dennoch stimmt es seltsam, wie auf den tragischen und sich als immer absurder darstellenden Tod von 150 Menschen bei einem Flugzeugabsturz reagiert wird: Das Ausmaß der Erschütterung, Betroffenheit und Trauer scheint von der Staatsspitze bis zu ihre Partys absagenden Kölner Abiturklassen keine Grenzen zu kennen – obwohl von all diesen Trauernden nur eine verschwindend kleine Zahl die Toten gekannt haben dürfte. Wenn überhaupt.
Es gibt bösartige Kommentare zu diesem Thema, die wir schnell und ohne Kommentar unsererseits in die zugehörige Ecke stellen. Und dann haben wir einen Kommentar gefunden, der uns durch seine Nachdenklichkeit und die Tiefe seines Inhaltes sehr beeindruckt hat (Gedankensplitter (25. März ’15). Er beginnt:
Angesichts des gestrigen Flugzeugunglücks zeigt sich wieder die geistige Leere des derzeit im Lande herrschenden Zustandes, ins Besondere in Worten und Taten der Repräsentanten des Staates. Sie beteuern bei solchen Ereignissen regelmäßig ihre Erschütterung und reisen am besten noch zum Ort des Unglücks, um ihre Anteilnahme zu erweisen. – Man bedenke nur, mit welcher Herzenskälte dieselben Leute vom Leiden und Sterben ihrer eigenen Volksgenossen im letzten Kriege auf deutschem Boden sprechen, da sie regelmäßig auf deren [angeblichen] Anteil an [kollektiver] Schuld verweisen.
Eine über das irdische hinausweisende Perspektive besteht in der Öffentlichkeit nicht, wenn überlieferte religiöse Vorstellungen dem Belieben des Einzelnen überlassen sind. So wird öffentlich allein Betroffenheit geboten. Alles spielt sich auf der Ebene des Emotionalen ab. Die Vernunft ist nun einmal dem ökonomischen Bereich vorbehalten. Was hätte sie auch schon mitzuteilen, wenn der Mensch nur das Zufallsprodukt einer Evolution ist, so daß nichts über sein irdisches Dasein hinausreicht? Es bleibt nur, die Betroffenheit der Hinterbliebenen “ernst zu nehmen”, um sie mit psychologischen Betreuern heimzusuchen, denen neuerdings von den Medien gern die ehrenvolle Bezeichnung eines Seelsorgers beigelegt wird, obwohl kaum einer von ihnen sich den Tod als Lösung der unsterblichen Seele vom Leibe denken wird. Das Ziel einer solchen Seelsorge kann letztlich nur darin bestehen, den Einzelnen wieder ins Vergnügungskollektiv einzugliedern. Die persönlich nicht durch das Unglück Betroffenen hingegen dürfen sich von der Katastrophe gruseln und vom Leid der Hinterbliebenen als “Event” ablenken lassen.
Wie würde die Atmosphäre doch geradezu gereinigt, wenn einer der Repräsentanten des Staates zeigte, daß er der Trauer der Hinterbliebenen gleichsam mit Ehrfurcht begegnet, ohne eine nicht vorhandene persönliche Betroffenheit vorzuzeigen! Die anderen würde er ermahnen, nicht als Schaulustige sich zu verhalten, sondern zu bedenken, daß jeden die Stunde erwartet, in der er vor seinen Richter zu treten hat, der von ihm Rechenschaft darüber fordert, wozu ihm seine Lebenszeit gedient hat. – Daß auch Kinder und Heranwachsende unter den Toten des Flugzeugabsturzes sich befinden, erscheint besonders tragisch, da sie keine Gelegenheit fanden, ihre Begabungen voll zu entfalten. So bleibt nur, stets im Bewußtsein des Todes zu leben, der Menschen jeden Alters hinwegraffen kann, was nur in Zeiten wie diesen allzu gern vergessen wird. “Oder meint ihr, jene achtzehn, auf die der Turm am Siloach stürzte, seien schuldiger gewesen als alle Bewohner Jerusalems? Nein, sage ich euch; doch wenn ihr nicht umkehrt, werdet ihr alle auf dieselbe Weise umkommen.” (Luk. 13, 4f. [Übersetzung der Jerusalemer Bibel])“. Soweit der Artikel von Civitas.
Diese Gedanken sollten uns und vor allem den Medien Anlaß sein, das eigene Verhalten zu überdenken. Ist es wirklich eine Frage der „Auflage“, Gefühle anderer hemmungslos zu verletzen? Tote verlangen besonderen Respekt!
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