Proskynesis – GEDANKEN NICHT NUR ZUM KARFREITAG

„Dass der moderne Mensch sich nicht mehr bekreuzigt, nicht mehr niederkniet, nicht mehr betet, wird allgemein als der Aufklärung zu dankender Fortschritt betrachtet. Ästhetisch ist es ein Verlust.“  (Michael Klonovsky)

„Das Gewicht dieser Welt läßt sich nur tragen, wenn man niederkniet.“  (Davila)

Knie ich nieder, weil ich katholisch bin, oder bin ich katholisch, weil ich auch knie?

Nicht nur ästhetisch ist es ein Verlust, dass der moderne Mensch sich nicht mehr niederkniet. Ich („altmod“*)) zähle zu den Altmodischen, zu den Traditionalisten, zu dieser schwindenden Minderheit, die zuweilen sonntags noch den Kniefall übt. Wohl wie auch Martin Mosebach, für den dies ein Essential ist, wie er in seinem Buch „Die Häresie der Formlosigkeit“ bekennt. Ich gestehe, dass ich bei all meiner Selbstsicherheit beim Kniefall in der Kirche vor den Augen fremder und naher Gemeindemitglieder mich immer noch gelegentlich mit widerstreitenden Gefühlsregungen konfrontiert sehe. Martin Mosebach läßt eine „freundliche Protestantin“ den Satz sprechen: „Ich kann mir nicht helfen, aber ich finde es immer peinlich, wenn ich einen erwachsenen Mann auf Knien sehe.“ Findet sie Demuts-, Ergriffenheits- oder Unterwerfungsgesten generell peinlich? Oder nur beim Mann? Martin Mosebach geht es in seinem Buch um die Liturgie, den Kult oder Ritus. In seiner Apologetik für die vorkonziliare, die „alte Messe“ bezieht er mehr ein: sein Unbehagen an Entwicklungen der Moderne mit dem Verlust für Ästhetik und Formen, dem Fehlen sinnlicher und physischer Ausdrucksmöglichkeiten für die Grundtatsachen der Existenz und für die Beziehung zu den „ewigen Mächten“.

Bleiben wir beim „Kult“.

Mosebach: „Wann kniet man in der Heiligen Messe? ……die Kniebeuge und das Knien bezeichnen und begleiten die Augenblicke der göttlichen Epiphanie innerhalb der Liturgie. Beim Eintreten in den heiligen Raum, beim Betreten der Kirche, kniet der Gläubige nieder wie Moses, der aus dem Dornbusch heraus die Stimme vernimmt, die ihn mahnt, die Schuhe auszuziehen, weil er sich auf heiligem Boden befinde. Wenn im Credo und im Schlußevangelium, dem Prolog des Johannes-Evangeliums, der Inkarnation gedacht wird, dieser Sichtbarwer-dung Gottes, werden diese Worte auf Knien gesprochen. Nach dem Aussprechen der Wandlungsworte verehrt der Priester mit einem Kniefall die heiligen Opfergaben und die Gemeinde folgt ihm. Die Ausstellung des Opferleibs vor der Kommunion geschieht vor der knienden Gemeinde, die Kommunion wird auf Knien empfangen. Der priesterliche Segen schließlich wird zum Ausdruck dafür, daß er himmlischer Segen ist, der »von oben« kommt, auf Knien entgegengenommen. Das sind die Ereignisse der Liturgie, die mit dem Knien verbunden sind – alle beziehen sich auf die besonderen Augenblicke göttlicher Gegenwart…..“

„Ein Mann auf Knien, weil er glaubt, dass sein Schöpfer in einer kleinen weißen Oblate steckt. Das ist, wir müssen Gott dafür danken, an manchen Orten immer noch ein Skandal…“

„Wir glauben mit den Knien, oder wir glauben überhaupt nicht.“

Dieser Erfahrung kann ich beipflichten: „In meiner Jugend kamen bei Familienfesten Katholiken und Protestanten zusammen, wie das in den meisten deutschen Familien der Fall sein wird. Wenn dann die Messe gelesen wurde und die katholischen Tanten bei der Wandlung knieten, standen die evangelischen Onkel – das enthielt für mich folgende Botschaft: »Wir respektieren eure Andacht, haben aber mit der Sache selbst nichts zu tun.« Das Stehen war zu etwas dezidiert weniger Feierlichem, Andächtigem geworden, es hatte jetzt etwas Ziviles, eine Haltung aus dem Bereich der »guten Manieren«, deren Unbequemlichkeit schmerzlich empfunden wird – und so folgte denn auch vielerorts, wo der mündige Christ weiß, daß »gute Manieren« keine religiöse Kategorie sind, anstelle des peinigenden Stehens das behaglichere Sitzen….“

Von den Verteidigern des neuen Ritus wird eingeworfen, dass das Stehen die Gebetshaltung der frühesten Christenheit gewesen sei, das Knien in der Liturgie nun mithin entbehrlich. Der Protestant kniete ohnehin nicht, mit den Bildern wurde auch der Kult entfernt. Zum „Stehen“ ein kulturkritischer Schlenker:

„Die formloseste Weise, sich festlich zu versammeln – aber von Festlichkeit kann da eigentlich nicht mehr gesprochen werden – ist der Stehempfang, der von fern betrachtet wie eine Gruppe aussieht, die schon lange auf den Omnibus wartet, daß man ins Gespräch gekommen ist.“

Der Kniefall ist eines der ältesten Handlungssymbole der Menschheit, Gebärde der Unterwerfung, der Anerkennung von Macht –  und der Demut. Im Altertum Unterwerfung unter die weltliche Macht, nach Konstantin d. Gr. die Unterwerfung der weltlichen unter die göttliche.

Wenn man im Internet „Kniefall“ „googelt“, meint man, es gäbe nur eine Form, ein Ereignis dieser Art in der Geschichte: der Kniefall von Willy Brandt 1970 in Warschau. Diese “Proskynesis” ist in unserem zeitgeschichtlichen, „kulturellen Gedächtnis“ anscheinend besonders lebendig. Der Kniefall und damit auch der Mann wurden zu einer säkularen Epitaphe der Nachkriegszeit.

Was hat diesen Mann dort und gleich auf die Knie gezwungen?“ Die Überwältignung des Augenblicks? Oder nur das Gespür für Pathos?

Man kann sich der Frage nach der Wirkung dieses Kniefalls wissenschaftlich-soziologisch, kulturhistorisch, hermeneutisch und wie sonst noch nähern. Man kann auch die„Pathosformel“ (Aby Warburg) bemühen.

Bei allen Vorbehalten gegenüber Willy Brandt halte ich seinen Kniefall dort und damals nicht für eine allein nur billige, geplante Pathosformel. Wenngleich bekannt ist, dass ihm vor dem Besuch in Polen ein Berater schon zu einer besonderen „Geste“ geraten hatte. Überwertig und degoutant sind denn auch Affirmationen wie „Christus des Kalten Krieges“ in diesem Zusammenhang.

Wir leben heute mehr noch als damals in einer Zeit der großen Posen in den Medien, in einer Zeit der Selbstfeierung und -beweihräucherung, der pornographischen Zurschaustellung persönlicher Emotionen. Der Lichterketten-Beteuerungen, medial aufgejazzter Massentrauer und Schuldrituale mit und über Gestalten des öffentlichen Lebens.

Was fehlt, ist ungeheuchelte und gelebte Demut. Weil das so ist, werden die Gesten überflüssig oder erregen Anstoß. Demut, die man von einem Wissenschaftler – Physiker oder Gehirnforscher – gegenüber dem Nicht- Erklärbaren erwarten sollte. Des Managers und Wirtschaftsführers hinsichtlich der Erkenntnis, dass er ohne seine Mitarbeiter ein Nichts ist. Des Politikers, dass seine Macht nur geliehen ist und er nicht über den Bürgern steht. Der Verkäuferin oder Krankenschwester, zu erkennen, dass sie ohne Kunden oder Patienten eigentlich überflüssig ist. Des Priesters, sich gewahr zu werden, dass er sich Gott und nicht der Welt verpflichtet hat.

Eines der eindrucksvollsten Zeichen, eine der stärksten Demutsgesten ist sicher, wenn bei der Priesterweihe der künftige katholische Priester kurz vor der eigentlichen Weihe ausgestreckt, niedergeworfen auf der Erde liegt. Was für eine Geste! Eine katholische Geste! Und mehr noch als der Kniefall „überholt“ und „anstößig“. Wer bringt es heute noch fertig, sich in seiner Demut so zu zeigen? Ausgestreckt auf der Erde liegend – nicht vor den Menschen, sondern vor Gott.

Beugen wir wenigstens die Knie…..

(Quelle: http://altmod.de/)*)

*) „altmod“ ist Blogger (altmod.de) und häufig auf „conservo“ vertreten

www.conservo.wordpress.com

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