Von Peter Helmes und You Xie *)
Heimat? Wer spricht denn heute noch von Heimat? Für „moderne, grün-rote Menschen“ ist dieser Begriff leer, sie sind buchstäblich heimatlos und empfinden den Begriff als von gestern. Sie sind entfremdet, verfremdet.
Der „einfache“ Bürger – der sich damit abhebt von einer gewissen Kaste des Elitedünkels – denkt an seine Heimat als etwas Vertrautes, an etwas, bei dem er sich wohlfühlt. Und viele klagen, daß sie sich in ihrer Heimat eben „nicht mehr wohlfühlen“ und gar Angst haben. Angst, in ihrer Heimat nicht mehr „daheim“ zu sein. Das zeigt eine tiefe emotionale Bindung der Menschen zu ihrer Heimat.
Die Bürger, die sich in ihrer Heimat wohlfühlen, identifizieren sich mit ihr. Es ist „ihre“ Heimat – genauso wie ihre Nation, ihr Vaterland und ihre Sprache. Für Gläubige gehört auch die Religion, die „geistige Heimat“, hierzu. Heimat ist also untrennbar mit einer Identität wie Sprache, Geschichte und Kultur verbunden.
Was bewegt uns denn dann, diese „Heimat“ zu gefährden, ja letztlich aufzugeben? Politisch korrekte Menschen – mit der Moralschere der „Frankfurter Schule“ im Kopf – hämmern uns seit Jahrzehnten ein, daß wir nicht „stolz auf unser Land sein“ dürfen. Sie wollen den Neuen Menschen, eine andere Natur. Da stört Heimatbindung – ja ist das krasse Gegenbild zu Multikulti. Das stumme bzw. bei Grün/Rot begeisterte Abnicken dieses Trends durch Medien und Politik – gemeint sind die „etablierten Parteien“ – leistet der Entwicklung zur „Ent-Heimatung“, Entwurzelung und Entnationalisierung Vorschub. Genau das ist ihr Ziel!
Heimatliebe ist ein Ausdruck bürgerlichen Wohlbefindens und einer Nationalverbundenheit. Die Sehnsucht nach Heimat und die Liebe zur Heimat – beide sind so menschlich wie der Mensch selbst. Der Kampf gegen Nationalverbundenheit und Heimatliebe, meist geführt von Nihilisten aus dem „links-progressiven“ Milieu, ist grundfalsch, gefährdet den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und erschwert die Integration der Zuwanderer.
„Wenn Integration in unserem Lande gelingen soll, dann müssen wir den Zuwanderern ein klares „Integrationsangebot“ aufzeigen. Hier dürfen nicht „nur“ das Grundgesetz und unsere Gesetze, sondern vielmehr auch unsere Werte, unsere Überzeugungen, unsere Bräuche, ergo unsere Leitkultur als Grundlage dieses „Integrationsangebots“ dienen. Dieses Angebot ist die Voraussetzung dafür, daß die Zuwanderer nicht neben oder gar gegen uns leben – sondern mit uns!“ Das steht in einem Positionspapier des „Konservativen Aufbruchs“ (in der CSU), einer Bewegung junger, traditions- und wertebewußter Parteimitglieder.
Als You Xie, ein chinesischer Migrant (siehe https://www.conservo.blog/2015/05/01/sag-ja-zur-heimat-eine-chinesisch-deutsche-romantisch-ernste-geschichte/),sich entschied, Deutscher zu werden, wußte er gewiß, was eine echte Integration ausmacht. Und sich deshalb auch für eine Mitgliedschaft in eben dieser CSU entschied. Für ihn ein selbstgestellter Auftrag, dem er sich ohne Zwang stellte – und der ihn heraushebt aus der Masse der „Zugewanderten“.
Ich gestehe, liebe Leser, daß mich das Schicksal, der Lebensweg, die Bescheidenheit, aber auch die Geradlinigkeit dieser Persönlichkeit fasziniert. Würden alle Migranten ähnlich handeln wie er, gäbe es kein Integrationsproblem in Deutschland.
Deshalb greife ich heute seine Geschichte unter einem anderen Aspekt wieder auf, dem des Staatsbürgers You Xie.
Peter Helmes
Hier ist der Artikel:
Ein Migrant fragt: Werde ich deutsch werden?
Von You Xie
„Sag´ ja zur Heimat – eine chinesisch-deutsche, romantisch-ernste Geschichte“ – so war ein Artikel überschrieben, der auf www.conservo.wordpress.com am 1. Mai 2015 veröffentlicht wurde. Dazu schrieb Blogger „greypanter“:
„Sehr geehrter Herr Xie, von Peter Helmes wurde ein Artikel über Sie auf conservo.wordpress.com publiziert. Ihre darin wiedergegebene Lebensphilosophie hat mich zutiefst berührt. Trefflicher könnte ich meine eigene Verhaltensrichtschnur nicht beschreiben. Bitte lassen Sie mich auf Facebook Ihr Freund sein, um als dankbarer Schüler an Ihren Gedanken Teil zu haben.“
„conservo“ antwortete hierauf: „Danke, Mr. greypanter, Sie sprechen mir aus dem Herzen.“
Und die Bloggerin „lostlisa schreibt: „Verehrter Herr Xie, danke für diesen Artikel. Mich beeindruckt Ihre ethische Grundlage, die Heimat zu verteidigen. Ich freue mich, daß Sie als Chinese Deutscher geworden sind. Sie beschämen uns – ohne Besserwisserei – mit Ihrer Überzeugung, was ein Bürger seiner Heimat schuldet. Und was ein Migrant tun sollte, sich hier zu integrieren. Das ist eine Botschaft, die jeder verstehen und als Auftrag wahrnehmen sollte. Danke auch conservo für die Veröffentlichung dieses so gar nicht „schreierischen“ Artikels. Er kommt leise daher, seine Botschaft ist aber laut und deutlich. Viel Glück für Sie und Ihre Familie im schönen Bamberg.
Schließlich schreibt „Paul“: „Wer wagt es zu behaupten, dass wir Ausländer nicht mögen? Es gibt Gott sei Dank noch mehr solcher Ausländer wie Herrn You Xie. Ich kenne auch einige.
Nein, sie müssen keine Deutschen werden. Ja, sie sind eine Bereicherung für unser Land.
Herzlich, Paul
„Stadtrat mit chinesischen Wurzeln – der Glückskeks“
Diese Antworten haben mich, You Chie, berührt und veranlaßten mich zu folgendem Artikel:
In der Süddeutschen Zeitung fand ich am 19. März 2014 einen Artikel ,,Stadtrat mit chinesischen Wurzeln – Der Glückskeks“ von Katja Auer. Ich habe online eine Lesermeinung gelesen, die mich nachdenklich stimmte. Es war: Don Loewi 19.3.2014 | 15:48 Uhr ,,Ich bin schon froh, dass ich als Ausländer in der CSU und im Stadtrat bin”, sagt er.
Soweit hat man es in Deutschland gebracht, dass sich Staatsbürger weiterhin als “Ausländer” definieren. Kein Wunder, wo wir doch so perfekt im Kategorisieren und Erfinden von Ausgrenzungsterminologie wie “Migranten”, “Zugewanderte” und “Migrationshintergrund” sind. Und die “Rechtspopulisten” betonen ja auch leiernd immer wieder, dass diese Leute ja “nur den deutschen Pass besitzen” und “keine echten Deutschen” seien. Wir grenzen alle neuen Bürger aus und indoktrinieren sie, auch ja nie zu vergessen, dass sie in Wirklichkeit nicht zu uns gehören. Da helfen weder CSU-Pass noch Stadtratsposten.
Nachdem ich (You Xie) diese Kommentare gelesen habe, denke ich nach: Wer ist „Wir“? Wer ist Ausländer? Warum gehören sie in Wirklichkeit nicht zu den ,,normalen” Deutschen? Wie könnten sie zu den Deutschen gehören? Muss ich Deutscher werden?
Chinesisches Träumen in Bamberg
Aber ich denke nie gedacht zu haben; denn mein Denken der Gedanken ist doch gedankenloses Denken. Ein Wahlkampfspruch von mir lautet: „Ich bin ein Bamberger!“ Ich kann doch zwischen Wahlkampf und Wirklichkeit sehr gut unterscheiden: Aber natürlich bin ich kein Bamberger. Ich versuche, einer zu werden. Die Bamberger zu kennen und zu verstehen, ist nicht so einfach, 27 Jahre sind dafür einfach zu wenig. Das braucht drei Generationen. Meine Enkelkinder würden – sofern in Bamberg geboren und aufgewachsen – als echte Bamberger durchgehen.
Ein Kommunikationswissenschaftler versteht den Spruch sofort, wenn er ihn gelesen hat. Natürlich ist You Xie kein Bamberger, der versucht immer noch, ein Bamberger zu werden oder als Bamberger anerkannt zu werden.
Es ist klar, ich bin kein alteingesessener Bamberger. Und wer ist ein altangesessener oder ein altansässiger Bamberger? Laut meiner kulturellen Beobachtung ist jemand ein Bamberger, wenn er seit drei Generationen in Bamberg lebt, nämlich schon sein Großvater in Bamberg geboren wurde und seine Familie noch immer in Bamberg lebt.
Ich (You Xie) bin ein Ausländer; denn ich denke und träume noch chinesisch. Mein Sohn Edwar ist in Bamberg geboren und aufgewachsen, er ist ein Halbausländer, mein Enkel sollte deutsch sein, also könnte er „zu uns gehören“.
Und wie kann ich ein Bamberger werden oder als Bamberger anerkannt werden? Chinesisch: „rù ɡuó wèn jìn, rù xiānɡ suí sú“ (入国问禁, 入乡随俗。) Es gibt eine schlechte englische Übersetzung: „When in Rome do as the Romans do.“ Als chinesischer Germanist interpretiere ich den Satz so: Unbedingt die Gesetze und Vorschriften in deinem neuen Land einhalten; unbedingt die Sitten und Bräuche in deiner neuen Gemeinde beachten.
In Bamberg ewig ruhen
Als evangelischer Christ und eingebürgerter Deutscher denke ich sofort an „Der Christ und die staatliche Ordnung“ (Römer 13, 1-7): Jeder soll sich den bestehenden staatlichen Gewalten unterordnen. Denn es gibt keine Autorität, die nicht von Gott kommt. Jede staatliche Autorität ist von Gott eingesetzt.
Wer sich also den Behörden widersetzt, handelt gegen die von Gott eingesetzte Ordnung und wird dafür von ihm bestraft werden.
Wer gut und richtig handelt, braucht die Autorität des Staates ohnehin nicht zu fürchten; das muss nur, wer gegen das Recht verstößt. Wollt ihr also ohne Angst vor Bestrafung leben, dann haltet euch an die Gesetze. Euer gutes Verhalten wird Anerkennung finden.
Die öffentliche Gewalt steht im Dienst Gottes zum Nutzen jedes einzelnen. Wer aber Unrecht tut, muss sie fürchten, denn Gott hat ihr nicht ohne Grund die Macht übertragen, Strafen zu verhängen. Sie handelt im Auftrag Gottes, wenn sie Gesetzesbrecher verfolgt und bestraft.
Es sind also zwei Gründe, weshalb sich Christen den staatlichen Organen unterordnen müssen: zum einen ist es der drohende Zorn Gottes, zum anderen aber auch unser Gewissen, das uns sonst vor Gott anklagen würde.
Und weil die Beamten als Beauftragte des Staates ihren Dienst im Auftrag Gottes ausüben, zahlt ihr ja auch Steuern.
Gebt also jedem, was ihr ihm schuldig seid. Zahlt die Steuern, die man von euch verlangt, ebenso den Zoll. Unterstellt euch der Autorität des Staates, und erweist denen, die Anspruch darauf haben, den notwendigen Respekt.
Ich bin ein Ausländer. Aber „Der Christ und die staatliche Ordnung“ und „rù ɡuó wèn jìn, rù xiānɡ suí sú“ helfen mir dabei, ein Bamberger zu werden. Ich bin mit leeren Händen gekommen und habe jetzt fast alles. Ich beanspruche nichts von meiner neuen Heimat, nur einen Platz für mein Grab, wenn ich in Bamberg sterbe.
Für die Universität Bamberg entstand ein Artikel von Theresa Thein:
Gebratene Nudeln und ein bisschen Politik
Von Theresa Thein (https://www.uni-bamberg.de/kowi/transfer/praxisnahe-uebungen/print-und-pr/)
„Als You Xie vor 26 Jahren aus China nach Bamberg kam, kam er mit leeren Händen. Heute möchte der neu gewählte Stadtrat seiner fränkischen Heimat etwas zurückgeben. Unsere Reporterin Theresa Thein hat ihn bei seinem ersten offiziellen Termin, der konstituierenden Sitzung des Rates, begleitet und mit ihm über seine außergewöhnliche Lebensgeschichte gesprochen.
„Hallo! Grüß Gott! Wie geht es dir?“, mit strahlendem Lächeln, festen Händedruck und einer tiefen Verbeugung begrüßt der Chinese You Xie seine neuen Stadtratskollegen. Sie alle haben heute ihren ersten offiziellen Termin in dieser Amtsperiode: die konstituierende Sitzung im Spiegelsaal. Der 55-jährige Xie, der den „China Fan Imbiss“ betreibt, zieht für die CSU in den Stadtrat ein und wird heute mit den anderen Amtsträgern vereidigt. Außerdem wird ein Zweiter und Dritter Bürgermeister gewählt – ein wichtiger Termin also. Aufgeregt?
„Nein, kein bißchen“, winkt der Imbissinhaber ab. Er hat sich heute in seinen schicksten Anzug geworfen: schwarz, mit hell-blauem Hemd und weiß-blau gestreifter Krawatte – die Farben seiner Partei. Er setzt sich in die erste Reihe des CSU-Blocks, direkt vor das Podest, auf dem Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD) und verschiedene Referenten der Stadt Platz genommen haben. Die Stimmung im Saal ist gut: Die Stadträte halten noch einen Plausch, einige Journalisten laufen durch die Reihen der Parteiblöcke und machen Fotos.
Xie posiert munter für sie – er ist in seinem Element.
„Die wichtigste Frage, die man sich als Stadtrat stellen muss, ist: Was ist das Beste für die Stadt?“, legt Andreas Starke seinen neuen Volksvertretern der Stadt ans Herz und eröffnet mit diesem Ratschlag die Sitzung. Xie hört aufmerksam zu, denn genau diese Frage hat er sich bei seinem Wahlkampf auch gestellt: Was kann er für seine Heimat tun? Als er vor 26 Jahren zum Studium nach Bamberg kam, wurde ihm das Leben hier leicht gemacht: Die Uni hat ihn schnell zugelassen, er fand problemlos eine Wohnung und durfte einen Nebenjob annehmen. Jetzt will er etwas zurückgeben. Dabei ist ihm das Soziale besonders wichtig:
Ente gut, alles gut
„Ich stehe für Schule, Kindergarten, Altenheime und Fahrradwege“, erzählt der 55-Jährige von seinen politischen Plänen. Mit seinen Wahlversprechen und seinem Slogan „Ente gut, alles gut“ konnte der Chinese die Wähler überzeugen und wird nun vereidigt. Dazu stellt er sich mit den anderen 43 Stadträten alphabetisch vor das Podest in einer Reihe auf – Männer und Frauen verschiedenen Alters stehen nebeneinander. Ganz am Ende der Reihe: You Xie.
Aufmerksam steht er mit erhobener rechter Hand da, schaut den Oberbürgermeister mit ernstem Blick an und spricht mit den anderen im Chor die Eidesformel nach. Vor allem den letzten Teil betont er: „…, so wahr mir Gott helfe.“ Mit einem Nicken beendet er den Schwur und strahlt stolz. Glaube ist für den Chinesen besonders wichtig. Daher ließ er sich 2010 in Bamberg taufen und schloss sich der evangelischen Gemeinde Sankt Stephan an. Da neben dem Sozialen das Christliche ein bedeutender Wert der CSU ist, war das der Grund, warum der Imbissinhaber der Partei beigetreten ist. „Außerdem ist die Partei sehr ausländerfreundlich“, findet Xie, „und die konservative Kultur schätze ich sehr.“
Nachdem alle wieder Platz genommen haben, wird im Plenum über die Neufassung der Ortssatzung diskutiert. Die Stadtvertretung bestimmt, dass ein dritter, ehrenamtlicher Bürgermeister gewählt wird, der vor allem repräsentative Aufgaben für Bamberg übernehmen soll.
Nachdem die CSU Dr. Christian Lange, der bei der Wahl auf ihrem ersten Listenplatz stand, und die Grüne Alternative Liste ihren Listen-Zweiten Peter Gack als Kandidaten vorgeschlagen und sich diese kurz vorgestellt haben, dürfen die Stadträte in einer geheimen Wahl über ihren Favoriten abstimmen. Xie schätzt es sehr, dass er hier – anders als in seinem Herkunftsland – mitbestimmen darf. Er ist als letzter an der Reihe: Stolz läuft er mit seinem strahlendem Lächeln zur Wahlkabine nach vorne, schreibt den Namen seines Parteikollegen auf das Papier und wirft das zusammengefaltete Blatt in die Wahlurne.
Besonderes Anliegen: Pressefreiheit
Nach der Auszählung steht fest, dass CSU-Kandidat Lange Zweiter Bürgermeister ist. Neben der Demokratie findet Xie auch die Pressefreiheit in Deutschland schätzenswert. Als 1989 in Peking eine Studentenbewegung entstand, gründete er den „Verband der chinesischen Studenten und Wissenschaftler in Deutschland e.V.“, um seine Studienkollegen in Peking zu unterstützen. Zu dieser Zeit verfasste er viele regierungskritische Artikel, die er in China veröffentlichen ließ. Der Journalist schrieb hauptsächlich über Pressefreiheit und kämpfte für Menschenrechte im Land der Mitte. Als ihn die chinesische Regierung aufforderte, die Kritik zurückzunehmen, lehnte er dies ab. Seither ist er dort eine „persona non grata“ und darf nicht mehr in sein Herkunftsland einreisen.
Für die Wahl des Dritten Bürgermeisters schickt die SPD ihren Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Metzner ins Rennen, die Freien Wähler stellen Dieter Weinsheimer. Aus dem Urnengang geht Metzner (SPD) dann als Sieger hervor. Nach dieser Entscheidung ist die konstituierende Sitzung beendet und Xie muss schnell zurück in seinen Imbiss. Auf dem Weg dorthin bekommt er von ein paar Fußgängern noch einmal Glückwünsche zur erfolgreichen Wahl und wird mit „Herr Stadtrat“ angesprochen. „Das ehrt mich sehr“, gibt er geschmeichelt zu; denn er kann es immer noch nicht fassen, dass ihn so viele gewählt haben.
Im Imbiss angekommen, zieht er sich schnell um: Sein typisch chinesischer, türkis-goldener und samtig-glänzender Anzug ist sein Markenzeichen. Die Idee, einen Imbiss zu eröffnen, kam ihm damals, als er am Unicampus saß und bemerkte, dass die Studierenden in ihrer Mittagspause kaum eine Möglichkeit haben, gut, schnell und vor allem günstig essen zu gehen. Wegen seines Imbisses ist Xie in Bamberg bekannt wie ein bunter Hund. „Das ist auch der Grund, warum ich bei der Wahl so viele Stimmen bekommen habe: Die Leute kennen mich!“, ist er sich sicher. Aber: Ein Akademiker, ein Intellektueller, der in einem Imbiss arbeitet? „Das war anfangs schon ein Konflikt für mich“, gesteht der leidenschaftliche Schreiber, „also entschloss ich mich 1999, ein Magazin zu gründen.“ Das war die Geburtsstunde der chinesischen Zeitschrift „European Chinese News“, die bis 2011 erschien.
Sein journalistisches Engagement wird er jetzt als Stadtrat zwar ein bisschen einschränken müssen. Ganz aufgeben aber will er es nicht, denn da gibt es immer noch das „Overseas Campus“-Magazin, das der Hobbyjournalist seit acht Jahren herausgibt.
Im Imbiss wird er von seinen Gästen schon erwartet. „Ja hallooo! Grüß Gooott! Bitte schööön?“, begrüßt er sie freudig und laut. Die Begrüßung singt er schon fast wie ein Pfarrer den Segen in der Kirche. Im kleinen Imbiss riecht es nach Fett und gebratenem Fleisch.
Wenn zur Mittagszeit viel los ist, muss man sich an den anstehenden Gästen vorbei drängeln, so eng ist es. Der Imbissbetreiber gibt Öl in eine große Pfanne und wirft rohes, geschnittenes Gemüse hinein. Sofort fängt es an zu brutzeln, zu zischen und zu dampfen.
Geschickt schwenkt er die Pfanne und wirbelt das Gemüse darin herum. Zusammen mit seiner Frau und zwei Mitarbeitern – alle Chinesen – bekocht Xie zu Stoßzeiten seine Gäste. Besonders unter der Woche zwischen 13 und 14 Uhr ist viel los; denn da kommen viele Schüler und Studenten und bestellen sich ihr Lieblingsgericht: gebratene Nudeln. Zu dieser Zeit geht es zu wie im Taubenschlag: Die Jugendlichen bestellen bei Xie auf Deutsch, er gibt die Bestellung auf Chinesisch weiter an seine Mitarbeiter, seine Frau verpackt das Gericht und der Chef kassiert das Geld und behält den Überblick – ein perfektes Zusammenspiel.
Die Verabschiedung der Gäste verläuft genauso freundlich und singend wie die Begrüßung:
„Danke schööön! Auf Wiederseheeen!“
*) Zu You Xie
You Xie ist 1958 in China geboren. 1988 fuhr er eine Woche lang mit dem Zug von Peking über die Mongolei, die ehemalige Sowjetunion, Polen und die ehemalige DDR nach Bamberg, um dort Germanistik mit Schwerpunkt Journalistik zu studieren. 1996 eröffnete er den „China Fan Imbiss“ in Bamberg, um leben zu können. 1999 gründet er das chinesischsprachige Magazin „European Chinese News“, in dem er bis 2011 über Politik, Kultur und Rechtsfragen schrieb. Seit 2006 gibt er die Europaausgabe der christlichen Zeitschrift „Overseas Campus“ heraus. Erst seit 2012 ist Xie Mitglied der Bamberger CSU. Im April 2013 wurde er in den Kreisvorstand gewählt und bekam im Juli 2013 einen Platz auf der Kandidatenliste der CSU für den Bamberger Stadtrat, in den er im März 2014 einzog.
Mit einer Wahlbeteiligung von circa 44 Prozent bestimmten die Bamberger ihre 44 Stadträte. Die CSU erhielt 27,51 Prozent und somit zwölf Sitze. Das sind drei Sitze weniger als bei der letzten Wahl. Xie fuhr der CSU die meisten Stimmen ein und wurde vom Listenplatz 29 auf den ersten „hochgewählt“. Der SPD wurden zehn Sitze, der Grünen Alternativen Liste acht, den Freien Wählern und dem Bamberger Bürger-Block jeweils vier und Bambergs unabhängigen Bürgern drei Sitze zugeteilt.
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