War die AfD-Gründung eine „Blitzableiter”-Aktion?

AFDDeutschland Anfang 2013: Der sehr knappe Mitgliederentscheid der FDP über einen Ausstieg aus der Euro-Rettung liegt gerade mal ein Jahr zurück. Mit ihrem neuen Chef Mario Draghi streift die EZB endgültig alle Hemmungen ab und lässt die Druckerpressen auf Hochtouren rotieren. Mit den Rücktritten von Wulff und Schavan im Januar und Februar 2013 verliert Merkel wichtige „Vertraute“. Und dann droht im März mit der Zypernkrise das nächste Euro-Fiasko. Die in den Bundestagsfraktionen der Union und der FDP zuletzt stark gestiegene Zahl der „Rettungsgegner“ – wie erinnern uns vor allem noch an den Fall Bosbach – könnten in diesem besonders prekären Fall eine kritische Masse erreichen. Sollen die deutschen Steuerzahler die zypriotischen Bankkonten russischer Oligarchen retten? Tatsächlich verweigerten noch nie so viele Abgeordnete aus den Regierungsfraktionen Merkel ihre Zustimmung als bei der Zypernabstimmung im April 2013. Auch die kritischen Stimmen an der CDU-Basis waren zu diesem Zeitpunkt unüberhörbar geworden, denn im Januar 2013 hatte die CDU die 12. Wahlniederlage in Folge kassiert und mit Niedersachsen das letzte große Flächenland im Westen verloren.

Doch Merkels Rettung nahte auf dem Fuße, denn am 11. März 2013 konstituierte sich im hessischen Oberursel mit über 1.000 Interessierten die neue Partei „Alternative für Deutschland“ mit ihrem neuen Sprecher Bernd Lucke, flankiert von Frauke Petry und Konrad Adam. Lucke war erst vor kurzem aus der CDU ausgetreten, der er 30 Jahre lang angehört hatte. Der aus Niedersachsen stammende Lucke hatte dort im Januar 2013 erfolglos für den Landtag kandidiert und zwar für die Freien Wähler, mit denen er ursprünglich eine neue, Euro-kritische, bundesweit agierende Partei etablieren wollte. Der Plan scheiterte aber an persönlichen Querelen zwischen den handelnden Personen, wahrscheinlich vor allem an der exzentrischen Figur des bayerischen Freien Wähler Chefs Hubert Aiwanger.

Welche Folgen hatte die AfD-Gründung?

Die Gründung der AfD war das Beste, was Merkel in ihrer schwierigen Situation Anfang 2013 passieren konnte: Die AfD konnte sich mit Ökonomieprofessor Lucke, dem ehemaligen BDI-Präsidenten Hans-Olaf Henkel und der Unternehmerin Frauke Petry als Partei mit ökonomischem Sachverstand präsentieren und vor allem der FDP viele Stammwähler und Mitglieder abjagen. Tatsächlich scheiterte die FDP im Herbst 2013 prompt an der 5-Prozent-Hürde und war im Bundestag nicht mehr vertreten, was Merkels linke Projekte stark erleichterte und ihr freie Hand in der Eurofrage gab.

Darüber hinaus konnte die neue Konkurrenz von der AfD als Instrument zur Disziplinierung von „Rechtsabweichlern“ in den eigenen Reihen eingesetzt werden, nach dem Motto: Wage es nicht, die Positionen der AfD in der CDU weiter zu vertreten, denn damit schadest Du den Wahlchancen der Union. Außerdem konnte man allen parteiinternen „Widerstandsgruppen“ in der Union, wie der 2010 gegründeten und erfolgreich operierenden „Aktion Linkstrend stoppen“ das Wasser abgraben, weil eine große Zahl von Merkel-Kritikern die CDU verließen und folglich nicht mehr als Störenfriede in der Partei andere Mitglieder „anstecken“ konnten.

Der Anfangserfolg der AfD und ihr fast gelungener Einzug in den Bundestag, nur wenige Monate nach Gründung der Partei, war erstaunlich. Noch erstaunlicher war die Tatsache, dass vor allem Bernd Lucke seit März 2013 ständiger Gast in Fernsehtalkshows und Interviewpartner einer Vielzahl wichtiger Zeitungen war. Hatte sich das Medienestablishment, das die kritischen Stimmen in der Union und neue politische Gruppierungen im bürgerlichen Lager seit Jahren völlig ignorierte, plötzlich eines Besseren besonnen und sich vom Saulus zum Paulus gewandelt?

Parteineugründungen erfüllen im behäbigen deutschen Politikbetrieb mit den ewig gleichen Phrasen und dem sinnbildlichen Zug, der seit Jahren immer nur unentwegt in Richtung Eurozentralismus fährt, eine wichtige Funktion, nämlich die eines Blitzableiters. Dem immer müder werdenden Wahlvolk wird der Eindruck vermittelt, es gäbe endlich wieder neue, glaubwürdige und unverbrauchte politische Kräfte. Gleichzeitig ziehen neue Parteien unzufriedene und gefährlich aufsässig werdende Mitglieder aus den Altparteien ab und absorbieren damit unbequeme Konflikte über den Kurs der jeweiligen Partei. Die AfD konnte sich, wie zuvor die Piratenpartei, plötzlich einer medialen, nicht allzu kritischen Dauerpräsenz freuen, die wie durch Wunderhand, sechs Monate vor der Bundestagswahl geschaffen wurde.

Die Sache hat nur einen Haken: Die neue Partei darf nicht zu erfolgreich werden, um nicht die Möglichkeit von Koalitionsbildungen jenseits der jahrzehntelang eingeübten linken Generallinie zu eröffnen. Die hysterischen Reaktionen der EU-Nomenklatura im Jahr 2000 auf die damalige erste nichtlinke Regierungsbildung in Österreich seit 1945 (die SPÖ war nur an einer einzigen Regierung, nämlich zwischen 1966 und 1970 nicht beteiligt) und gegen die konservative Fidez-Partei von Viktor Orban in Ungarn zeigen, dass kein Propagandatrick, noch Kosten und Mühen gescheut werden, um einzelne Länder an einem eigenständigen, nicht am Brüsseler Zentralismus ausgerichteten Kurs zu hindern.

Der politische Blitzableiter ist also nur dann nützlich, wenn der Stern der neuen Partei möglichst schnell wieder sinkt, so dass es gar nicht erst zu so ernsten Vorfällen wie in Österreich 2000 oder in Ungarn heute kommen kann. Konservative oder freiheitliche Parteien müssen also unbedingt von der Regierung fern gehalten werden.

Die Piraten konnten erfolgreich gestoppt werden. Sie „versenkten“ sich letztlich selbst, weil es offenbar gezielten Zustrom von kampferprobten Linksradikalen gab, die liberal gesinnte, seriös agierende Mitglieder aus den Parteiämtern drängten. Auf die x-te linksradikale Spinnerpartei hatte das deutsche Wahlvolk nämlich wahrlich nicht gewartet.

Wie kann heute die AfD gestoppt werden, die seit 2014 von Wahlerfolg zu Wahlerfolg zieht und trotz schwerster innerparteilicher Querelen jüngst sogar den Sprung über die 5-Prozent-Hürde in Bremen geschafft hat? Ohne dass man als Außenstehender die tieferen Ursachen des Führungsstreits in der AfD ergründen könnte, fällt doch auf, dass inhaltlich Differenzen, die vor allem Bernd Lucke immer wieder in den Vordergrund schiebt, kaum ernsthaft auszumachen sind. Handeln Lucke, Henkel und andere wirklich nur unüberlegt und unprofessionell oder entspricht es dem Willen der eigenen Führung, dass sich die AfD jetzt spaltet, weil das „Blitzableiter-Projekt“ seine Schuldigkeit getan hat und die neue Partei nicht zu mächtig werden darf?

Als Außenstehender kennt man die Beweggründe der handelnden Personen nicht. Man weiß nicht, ob es Führungsfiguren gibt, die nicht im eigenen Auftrag handeln. Man stellt sich aber die Frage, warum 2013 gerade Bernd Lucke der neue Star der AfD wurde und warum sich jemand, der jahrzehntelang dem „EU-fixierten“ Establishment der Bundesrepublik angehörte, ausgerechnet der AfD in führender Funktion andiente, um heute am intensivsten auf die Spaltung der AfD hinzuarbeiten. Die Rede ist von Hans-Olaf Henkel.

Erinnern wir uns an den perfekten Zeitpunkt der Gründung der AfD Anfang 2013. Damals war es Frau Merkel, die davon politisch am meisten profitierte. Und heute wäre es auch wieder sie, die den größten politischen Nutzen hätte, wenn sich die AfD durch eine Spaltung selbst erledigen würde. Auf die weitere Karriere von Bernd Lucke (innerhalb oder besser außerhalb der AfD) können wir jedenfalls noch alle gespannt sein. Verloren haben bei diesem Spiel vor allem diejenigen, die sich als Konservative und Wirtschaftsliberale für einen Kurswechsel in der linken Merkel-CDU eingesetzt hatten. Sie wurden 2013 mit der AfD-Gründung ausgebremst, wenn sie in der CDU blieben oder hinters Licht geführt, wenn sie damals zur AfD übertraten.

Eingestellt von DIE ECHTE CSU am Mittwoch, Mai 20, 2015

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