In der politischen Diskussion mit eher linksdenkenden Zeitgenossen passiert es: Da fällt der Satz “Wir Deutschen haben Europa und die Welt zweimal in den Krieg gestürzt.” – Mit dieser “Begründung” soll pauschal dann jeglicher Patriotismus im Keim erstickt werden. Aber stimmen diese pauschalen Aussagen tatsächlich?
von Freddy Kühne
Der Beginn des 1. Weltkriegs ist weder die Hauptschuld noch die alleinige Schuld Deutschlands gewesen. Der 1. Weltkrieg ist vielmehr ein kollektives Versagen der Diplomatie der europäischen Herrscherhäuser – von Russland, Österreich-Ungarn über Deutschland bis Frankreich: sowohl Russland als auch Österreich-Ungarn und ebenso Frankreich erhofften sich Vorteile aus einem Krieg: Österreich-Ungarn wollte das orthodoxe Serbien bestrafen, welches sich gegen ein großkroatisches katholisches Königreich wehrte. Russland wiederum wollte Serbien unterstützen und sah in einem möglichen Krieg willkommene Ablenkung von seinen eigenen Eroberungen im Schwarzmeerbereich. Frankreich wiederum stärkte Russland den Rücken, um Deutschland in die Zange zu nehmen. Deutschland unterstütze Österreich-Ungarn und ging vor allem deswegen in den Krieg, weil man befürchtete, wenn man zuwartet, dass man von Frankreich und Russland in die Zange genommen wird und dann erneut- wie von 1806 bis 1871 – von Frankreich überrannt werden könnte.
So lehnte z.B. auch der US-Kongress die Ratifizierung des Vertrages nach dem 1. Weltkrieg ab, welcher Deutschland die Alleinschuld auferlegte: etliche Kongress-Abgeordnete sahen in dem Vertragsentwurf von Versailles , welcher Deutschland die alleinige Schuld für den 1. Weltkrieg zuordnete, schon direkt nach Kriegsende 1919 die Grundlage und Ursache für einen möglichen neuen Krieg von Seiten Deutschlands gegeben und lehnte die Ratifizierung daher ab – obwohl der US-Präsident den Vertrag dann dennoch ebenso wie die anderen Staatenlenker unterschrieb. Nichtsdestotrotz – also trotz der Warnungen des US-Kongresses und auch trotz der Warnungen des britischen Premiers – wurde im Vertrag von Versailles Deutschland die alleinige Schuld zugesprochen.
Diese Sichtweise über den ersten Weltkrieg bestätigen auch namhafte nichtdeutsche Historiker, wie der Brite Christopher Clark in seinem Buch “The Sleepwalkers”, sowie der deutsche Politikwissenschaftler Herfried Münkler in “Der Große Krieg”. Der deutsche Historiker Holger Afflerbach stellt fest: “Die Deutschen tragen Schuld am ersten Weltkrieg. Aber nicht mehr als andere”. (Holger Afflerbach, “Schlafwandelnd in die Nacht”)
Der US-Kongress sollte mit seiner Einschätzung nach Beendigung des ersten Weltkriegs leider Recht behalten: durch die übertriebenen Reparationsforderungen und die alleinige Schuldzuweisung an Deutschland – gepaart mit der Wirtschaftskrise in den 20er Jahren und den deutschen Gebietsabtretungen – wurde der Aufstieg der nationalen Sozialisten um Hitler forciert.
Hitler und die nationalen Sozialisten sprachen der deutschen Seele, welche durch die Feldzüge von Napoleon sowie die Niederlage im ersten Weltkrieg und die alleinige Schuldigsprechung von Versailles und den übertriebenen einseitigen Reparationsforderungen sowie Gebietsabtretungen nach Anerkennung dürstete, genau diese Anerkennung und Wertschätzung aus, indem sie dem deutschen Volk die Lehre von der Überlegenheit der sogenannten arischen Rasse mittels Propaganda von der Wiege bis zur Bahre einimpften.
Auch die vom NS-Regime verbreitete Verschwörungstheorie, das Weltfinanzjudentum (Rothschild) sei an der für Deutschland einseitig negativen Reparationsauflagen nach dem ersten Weltkrieg schuld – welche zur Judenverfolgung im dritten Reich beitrug oder für diese eine Scheinlegitimation darstellte – könnte eine Folge der Allein-Schuldzuweisung des Versailler Vertrags an Deutschland sein.
Die Entstehung des zweiten Weltkriegs und die Verfolgung der Juden in Deutschland – so lautet diese These – sei demnach eine direkte Folge der nach dem ersten Weltkrieg von den Siegern einseitig an Deutschland gerichteten Schuldzuweisung und de facto unbezahlbaren Reparationsforderungen.
Was könnte, sollte, müsste man aus diesen Katastrophen des 20. Jahrhunderts für das 21. Jahrhundert lernen? Auch heute gibt es wieder zuhauf Verschwörungstheorien: Die einen sehen Deutschland als Hauptschuldigen für die Finanzkrise und Massenarbeitslosigkeit in Südeuropa an. Die anderen sehen die Südeuropäer als Ursache für die Abschaffung ihrer stabilen Währung und die Nullzinspolitik der Zentralbank an, welche sie ihrer Altersvorsorgeanlagen beraubt.
Wiederum andere sehen die USA als Hauptübel für Banken- und Staatsschuldenkrise an…. Die Wahrheit dürfte – wie so häufig – in der Mitte anzutreffen sein. Die Politik muss daher schleunigst auf die Ängste und Bedenken der Bevölkerungen mit Verstand, Bedacht und Weitsicht agieren, rechtzeitig sinnvolle Kompromisse finden, wo sie von Vorteil für die Völker sind und zur Not auch bereits gemachte faule Kompromisse aufkündigen, sofern sie mittel- und langfristig zu noch verheerenderen Missverständnissen, Fehlentwicklungen oder gar Katastrophen führen.
Quelle: 99 Thesen, Christlich liberal konservatives Blog.
*) Freddy Kühne betreibt das Blog 99 Thesen, Christlich liberal konservatives Blog
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