Von Mathias von Gersdorff *)
An Pfingstmontag trafen sich in Räumen der römischen Jesuiten-Universität Gregoriana 50 der wichtigsten Köpfe des liberalen Katholizismus aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz.
Darunter waren Kardinal Marx, Bischof Bode, Erzbischof Pontier und linksliberale Theologen wie etwa P. Eberhard Schockenhoff, Professor für Moraltheologie in Freiburg im Breisgau usw. Die Liste der Teilnehmer ist inzwischen online.
In der Tagung sollten neue theologische Ansätze hinsichtlich Ehe, Familie und Sexualität vorgestellt werden. Das Treffen fand ausdrücklich in Perspektive der Familiensynode im Oktober 2015 statt.
Über die Themen und die Referate dieser Tagung sind inzwischen etliche Berichte veröffentlich worden. Zuerst in der „Repubblica“ – die einzige offiziell anwesende Zeitung – , später in anderen, vor allem im „National Catholic Register“.
Das wichtigste Thema war die neu kreierte „Theologie der Liebe“. Was das ist, erläutert P. Eberhart Schockenhoff in einem Interview mit Domradio: „Überall dort, wo Freundschaft, füreinander Eintreten und Verantwortlichkeit der Menschen gelebt werden, ist das moralisch achtenswert, gleichgültig, unter dem Vorzeichen welcher sexuellen Orientierung dies geschieht. Wenn das unzweifelhaft klar ist, dann kann man fragen, ob die Ehe die angemessene Form dafür ist oder ob nicht die Lebenspartnerschaft ein eigenständiges Institut ist.“
Mit anderen Worten: Alle Formen praktizierter Sexualität sind zu akzeptieren, solange sie „verantwortungsvoll“ ausgeübt werden.
Unschwer kann man erkennen, dass diese „Theologie“ die katholische Sexualmoral komplett ersetzen würde. Diese besagt nämlich, dass nur in einer gültig abgeschlossenen Ehe Sexualität praktiziert werden darf.
Dass die Kardinal-Marx-Fraktion so denkt, ist nicht völlig neu. Neu allerdings ist die Klarheit, mit der diese Position – zudem im Hinblick auf die Familiensynode 2015 – ausgedrückt wird.
Nach der Tagung von Pfingstmontag ist sozusagen die „Katze aus dem Sack“.
Nun muss man sich fragen, was die Liberalen rund um Marx von der Synode erwarten.
Gegen die liberalen Avancen hat sich ein erheblicher Widerstand auf der ganzen Welt gebildet. Gegen die Thesen von Kardinal Walter Kasper – er brachte den liberalen Stein sozusagen ins Rollen – sind schon etliche Bücher veröffentlicht worden. Eine ganze Reihe von Kardinälen und Bischöfen haben Kardinal Marx öffentlich für seine heterodoxen Positionen kritisiert. Die internationale Initiative „Ergebene Bitte an Seine Heiligkeit Papst Franziskus über die Zukunft der Familie“ konnte schon 260.000 Unterschriften sammeln.
Angesichts dieses Widerstandes sagt P. Schockenhoff im Interview mit Domradio selbst: „Als Theologe erwarte ich nicht, dass grundstürzend alles neu ausgedrückt wird. […] Aber, wenn das nicht gelingt, dann sind die Gründe nicht entwertet. Die gelten natürlich nach wie vor. Und deshalb kann ich dem mit einer gewissen Gelassenheit entgegensehen.“
Auch Thomas Jansen von KNA ist nicht gerade optimistisch, was Reformen angeht: „Unter den Befürwortern von Reformen heißt es derzeit, man wäre schon froh, wenn die Tür für Veränderungen zumindest nicht ganz zugeschlagen würde.“
Aus heutiger Sicht sind also zwei Strategien für das liberale Lager rund um Marx, Kasper & Co. erkennbar:
- Sie vertreten entschlossen und militant in den nächsten Monaten ihre liberale Position in der Öffentlichkeit und riskieren dabei, die Kirche zu polarisieren. In der Synode könnte es zu tumultartigen Zustände kommen. Unter diesen Umständen würde die Synode kaum brauchbare Ergebnisse liefern, die Bischofskonferenzen würden danach eigene Wege gehen. Der Kampf zwischen Liberalen und Konservativen würde sich dann in den einzelnen Ländern weiter fortsetzen.
- Die andere Möglichkeit wäre, die öffentliche Diskussion zu beenden und zu versuchen, dass die Synode nach außen hin konfus und widersprüchlich erscheint. Das käme einem Scheitern der Synode, was eine Klarstellung der katholischen Lehre über die Ehe anbelangt, gleich. Nach einer solchen Synode würden die liberalen Delegationen nach Hause zurückkommen und in der Stille die katholische Lehre über die Ehe und die Sexualität im Volk erodieren lassen.
Das größte Risiko beider Strategien für die Liberalen ist, dass sie im Grunde Papst Franziskus dadurch in die Enge treiben. Er müsste möglicherweise eine klare dogmatische Aussage treffen. Franziskus setzt aber auf eine „Pastoral der Barmherzigkeit“. Auf diesem Wege will er die Menschen von der Lehre der Kirche über Ehe und Sexualität überzeugen. Die Liberalen könnten den Papst sogar zu einem teilweisen Abrücken von seiner bisherigen Pastoral zwingen.
Kommentar einer Leserin (auf http://mathias-von-gersdorff.blogspot.de):
„Überall dort, wo Freundschaft, füreinander Eintreten und Verantwortlichkeit der Menschen gelebt werden, ist das moralisch achtenswert, gleichgültig, unter dem Vorzeichen welcher sexuellen Orientierung dies geschieht. Wenn das unzweifelhaft klar ist, dann kann man fragen, ob die Ehe die angemessene Form dafür ist oder ob nicht die Lebenspartnerschaft ein eigenständiges Institut ist.“
Das ist so richtig fies. Denn der erste Satz stimmt ja: Freundschaft, füreinander Eintreten und Verantwortlichkeit sind moralisch richtig, und zwar unbedingt auch dann, wenn sie von Menschen kommen, die in Sünde leben.
Natürlich tut ein Schwuler, der seinen kranken Partner umsorgt, etwas Gutes. Nur macht das die Partnerschaft aus katholischer Sicht nicht gut. Hier wird ganz einfach unsauber argumentiert, und ich glaube Schockenhoff nicht, daß er so wenig von Logik versteht, dies zu übersehen.
*) Mathias von Gersdorff ist freier Publizist Mathias von Gersdorff und leitet die Frankfurter Aktion “Kinder in Gefahr” sowie die katholische Internetseite “Kultur und Medien online”