Eine vorläufige Kritik zur neuen Papst-Enzyklika
von Peter Helmes
Ach, hätte Papst Franziskus doch einen Artikel, meinethalben für den „Osservatore Romano“ oder für eine Sonderausgabe der „Vatikanischen Frankfurter Rundschau“, geschrieben! Stattdessen wählte er für die Verkündung seiner ökologischen Heilslehre ausgerechnet die Literatur- Liturgieform einer Enzyklika, in der er die offenbar überholte katholische Soziallehre links überholt.
„Enzyklika“, sagt wikipedia, kommt aus dem Griechischen (εγκύκλιος enkyklios) und bedeutet „im Kreis laufend“. Vielleicht hat Papst Franz „im Kreis laufend“ zu wörtlich genommen; denn der Orientierung suchende Katholik fühlt sich nach der Lektüre von „Laudato si“ *), der vor einigen Tagen vorgestellten ersten Enzyklika des Papstes, im Kreis herumgeführt (*) „Laudato si“ lat. „Sei gepriesen“)
Nun sollte man wissen, wer dem Papst (wahrscheinlich) den Griffel gehalten hat: Kein geringerer als Prof. Dr. Hans Joachim „John“ Schellnhuber CBE. Er ist Mitglied der Päpstlichen Akademie sowie des Club of Rome und Leiter des PIK, des „Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung. Schellnhuber – meine Leser und die meines Freundes Dr. Wolfgang Thüne wissen es längst – gehört seit langem zu meinen Favoriten, wenn ich blühenden Unsinn und mangelnde Seriösität angreifen will. Er weicht keiner Falle aus – Hauptsache Schlagzeilen! DER Fachmann für Klimawahn.
Vatikanischer Klimawahn
So stammen die Kapitel 23-26 zum Klimawandel mit einiger Gewißheit nicht aus Franziskus’ Feder, sondern aus Potsdam. Dieser Textteil ist naturwissenschaftlich gesehen nicht haltbar. Unter Benedikt wurde 2007 noch das genaue Gegenteil verlautbart.Dieselben Akteure aus Potsdam wurden seinerzeit mit “non convincono” (überzeugt nicht) abgefertigt. Schon der erste Satz in Kap. 23 ist schlicht unsinnig. Das Klima ist kein “gemeinschaftliches Gut von allen und für alle”, sondern ein bloßer Rechenwert. Man kann nicht einmal sagen, daß das den Berechnungen zugrundeliegende Wetter in irgendeiner Weise ein “gemeinschaftliches Gut” sei. Unter dem anerkannten Wissenschaftler Benedikt XVI. schrieb noch das Giornale del Popolo: „Le tesi catastrofiste sul clima non convincono il Vaticano“ („die Katastrophen-Thesen zum Klima überzeugen den Vatikan nicht“). Daß jetzt auch Papst Franz auf den Zug des angeblich menschengemachten Klimawandels aufspringt, deutet eher auf das Mitwirken des PIK denn auf Einsicht durch Vernunft hin.
Nehmen wir einen typischen Satz aus § 24, um den Geist, der durch die Enzyklika weht, zu erkennen:
“Die Erwärmung beeinflusst ihrerseits den Kohlenstoffkreislauf. Dadurch entsteht ein Teufelskreis, der die Situation weiter verschärft und der die Verfügbarkeit unerlässlicher Ressourcen wie das Trinkwasser, die Energie und die Agrarproduktion in den heißesten Zonen beeinträchtigen und das Aussterben eines Teils der biologischen Vielfalt des Planeten verursachen wird. Durch das Schmelzen des Polareises und der Hochgebirgsflächen droht eine sehr gefährliche Freisetzung von Methangas, und die Verwesung der tiefgefrorenen organischen Stoffe könnte die Ausströmung von Kohlendioxid noch weiter erhöhen. Das Verschwinden der tropischen Urwälder verschlechtert seinerseits die Lage, denn sie helfen ja, den Klimawandel abzuschwächen. Die durch das Kohlendioxid verursachte Verschmutzung erhöht den Säuregehalt der Ozeane und gefährdet die marine Nahrungskette.
Wenn die augenblickliche Tendenz anhält, könnte dieses Jahrhundert Zeuge nie dagewesener klimatischer Veränderungen und einer beispiellosen Zerstörung der Ökosysteme werden, mit schweren Folgen für uns alle. Der Anstieg des Meeresspiegels, zum Beispiel, kann Situationen von äußerstem Ernst schaffen, wenn man bedenkt, dass ein Viertel der Weltbevölkerung unmittelbar oder sehr nahe am Meer lebt und der größte Teil der Megastädte sich in Küstengebieten befindet.”
Dieses verquaste Geschwätz riecht verdächtig nach “Club of Rome”, Weltklimarat (IPPC) und eben auch Schellnhuber vom PIK.
Ein ähnlichen Rumpelsatz, aber in einem anderen Zusammenhang, findet sich in § 211: „Wenn jemand, obwohl seine wirtschaftlichen Verhältnisse ihm erlauben, mehr zu verbrauchen und auszugeben, sich gewohnheitsgemäß etwas wärmer anzieht, anstatt die Heizung anzuzünden, bedeutet das, dass er Überzeugungen und eine Gesinnung angenommen hat, die den Umweltschutz begünstigen.”
Als Thilo Sarrazin genau dies den Hartz-IV-Empfängern riet, nämlich bei Kälte einen dickeren Pullover anzuziehen statt nach mehr Heizung zu rufen, fiel die halbe Welt über ihn her
Der Papst hängt sich einen Populismusmantel um. Was sonst? Wie schon so häufig, greift er auch hier die Marktwirtschaft an und stellt sich auf die Seite der Armen, während die westliche Welt, Europa, in Völlerei versinkt. Das klingt wie aus dem Märchenbuch eines Salonsozialisten. Und natürlich kein Wort darüber, daß es vor 50 Jahren rd. zwei Milliarden Menschen auf der Erde gab, von denen etwa 400 Millionen hungern mußten. Heute aber zählen wir rund sieben Milliarden Erdenbürger, von denen etwa 800 Millionen hungern, aber drei Milliarden vergleichsweise üppig leben können (zu fett und übergewichig). Natürlich ist die Zahl der Hungernden entsetzlich. Aber in einem sozialistischen Modell wäre diese Zahl ungleich höher; denn es gab und gibt keinen einzigen sozialistischen Staat, der seine Bevölkerung ausreichend ernähren kann.
Der Kapitalismus, die Marktwirtschaft, hat Schwächen – wie jedes System. Doch die Kräfte des Fortschritts, die die Menschheit zu ihrer Fortentwicklung benötigt, werden nur in einem marktwirtschaftlichen System freigesetzt. Ohne Kapitalismus wäre unsere Gesellschaft längst zurückgefallen. Wie tief der Fall wäre, kann man exemplarisch in den islamischen Ländern begutachten – zurück in die Steinzeit, kein einziger Beitrag zum Fortschritt! Alternative Systeme (zur Marktwirtschaft) sind dagegen gescheitert. Warum nur übernimmt der Papst so unkritisch das-grüne Weltbild?
Muß Kirche fortschrittsfeindlich sein? Man kann den Armen nicht helfen, indem man die Reichen ärmer macht, sondern indem man ihnen die Möglichkeit zur Entwicklung gibt, sich selbst helfen zu können.
Daß Planwirtschaft weit weniger mit Effizienz einhergeht als Marktwirtschaft, hat sogar Karl Marx erkennen müssen. In der Geschichte haben alle Versuche mit „alternativen Systemen“ versagt. Märkte sind stärker denn Planungsbehörden. In den letzten 20 Jahren hat sich die weltweite Armut halbiert. Diese enorme Leistung war erst möglich, nachdem in China und Indien der Sozialismus durch marktwirtschaftliche Elemente (in China) und durch einen freien Markt (in Indien) ersetzt wurde.
Daniel Deckers, eher nicht als glühender Anhänger des Kapitalismus bekannt, schreibt in der FAZ (faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/kommentar-zur-papst-enzyklika-ein-oeko-manifest-13654517.html): „Freilich sind die Be- und Zuschreibungen der Krisenphänomene über weite Strecken in einem ebenso schlichten wie schrillen Ton gehalten, prophetischer Weckruf entpuppt sich als abgestandene Polemik. Immer wieder verbinden sich die klassisch-katholischen Vorbehalte gegen eine ordoliberale Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung mit den üblichen Verurteilungen aller möglichen Ismen von Anthropozentrismus über Konsumismus bis Hedonismus zu einem moralinsauren Gebräu. Versatzstücke von Verelendungs- und Weltverschwörungstheorien machen dieses ökologische Manifest mitunter ungenießbar.
Es ist kein Trost, dass auch Franziskus dem klassischen Dilemma der sogenannten katholischen Soziallehre nicht entgeht: Moralische Intuitionen und Sozialprinzipien wie Personalität, Solidarität und Subsidiarität gingen regelmäßig mit tendenziösen Beschreibungen und unterkomplexen Analysen der Wirklichkeit einher. Das Ergebnis: Bestenfalls ein geschwätziges Einerseits-Anderseits, meist ein Steinbruch für Argumentsfragmente jeder Art. „Laudato si“ ist keine Ausnahme.“
„Bewegend und tief, streckenweise albern“
Alexander Kissler wird auf cicero.de noch deutlicher: Unter der Überschrift „Der Papst gibt Energiespartipps“ schreibt er am 18. Juni: „Papst Franziskus schießt mit seiner Umweltenzyklika über das Ziel hinaus.
Bewegend und tief, streckenweise albern: Die neue Enzyklika „Laudato Si“ von Papst Franziskus ist ein Frontalangriff auf die Wirtschaftsweise des Westens. Der Appell zu Konsumverzicht und Umweltschutz schießt aber über das Ziel hinaus. (…) Wenn Franziskus behauptet, heute würden immer mehr Menschen ausgeschlossen und ihrer grundlegenden Menschenrechte beraubt, dann zeichnet er ein Zerrbild der Realität. Durch die Anstrengungen der Weltgemeinschaft sind seit den neunziger Jahren viel mehr Entwicklungsziele verwirklicht worden oder ihrer Verwirklichung näher gekommen, als viele Skeptiker es vorhergesagt hatten.
Fazit: Vieles in den Texten der Enzyklika verärgert. Es entsteht der Eindruck, daß Papst Franz ein einäugiges Weltbild hat: Die Reichen sind an allem schuld – an der Erderwärmung („Klimaerwärmung“, schreibt er) genauso wie an der Armut. “Die verhängnisvollen Prognosen dürfen nicht mehr mit Geringschätzung und Ironie betrachtet werden. (…). Der Rhythmus des Konsums, der Verschwendung und der Veränderung der Umwelt hat die Kapazität des Planeten … überschritten.” (§ 161)
Des Papstes Weltbild ist denn doch zu einfach gestrickt – man merkt die Absicht und ist verstimmt: Die wichtigsten ReizworteBegriffe, die überall durchscheinen, lauten „Arme“, „Schwache“ oder „Ausgestoßene“. „Sie sind der größte Teil des Planeten, Milliarden von Menschen” (§ 49). Und da wir Satten uns um diese armen Kreaturen zu wenig kümmern, kommen sie eben zu uns und fliehen vor der Erderwärmung nach Europa – die neue Flüchtlingsgeneration eben.
Was ist das denn? „Civitas“ (20.06.15) nennt dies „bis zum Überdruß wiederholter, pseudowissenschaftlicher, medienpolitisch abgedroschener, drittwelt-ökologischer Gutsprech“. Dem will ich nicht widersprechen.
Selbstverständlich sinnt ein solcher Papst auch auf Abhilfe – und greift tief in den Fundus des Sozialismus, der weiland auch durch das „Ahlener Programm“ aus den ersten Tagen der CDU wehte (und im Volk als „rheinischer Sozialismus“ veräppelt wurde: „Die CDU überwindet Kapitalismus und Marxismus“). Bei Papst Franz klingt das so:
„Ökologische Umkehr“ (Dieser Imperativ ist die Überschrift über Teil III der Enzyklika.).
„Darum ist die Stunde gekommen, in einigen Teilen der Welt eine gewisse Rezession zu akzeptieren und Hilfen zu geben, damit in anderen Teilen ein gesunder Aufschwung stattfinden kann.“ (§ 193)
Beschließen wir – zwar ein wenig ketzerisch, doch versöhnlich gestimmt – diese kritische Betrachtung mit § 83 aus der Feder des Pontifex maximus:
„Der letzte Zweck der anderen Geschöpfe sind nicht wir. Doch alle gehen mit uns und durch uns voran auf das gemeinsame Ziel zu, das Gott ist, in einer transzendenten Fülle, wo der auferstandene Christus alles umgreift und erleuchtet. Denn der Mensch, der mit Intelligenz und Liebe begabt ist und durch die Fülle Christi angezogen wird, ist berufen, alle Geschöpfe zu ihrem Schöpfer zurückzuführen.“
„Alle Geschöpfe zum Schöpfer zurückzuführen“, heißt es da tatsächlich. Nach alter judäischer und christlicher Auffassung sind auch Tiere „Geschöpfe“. So gesehen ist die Erlaubnis, sein Haustier neben sich im Grabe beerdigen zu lassen, durchaus sinnvoll. Denn dereinst dürfen wir ja mit unserem Hund und unserer Katze vor den Schöpfer treten.
Nein, Eure Heiligkeit, so geht es nicht.
Peter Helmes
www.conservo.wordpress.com