Von Wolfgang Thüne *)
Die lange angekündigte und vom „Zeitgeist“ mit hohen Erwartungen beladene Umwelt-Enzyklika von Papst Franziskus trägt das Datum 24. Mai 2015. Die Christenheit feierte Pfingsten, den Tag, an dem der Heilige Geist“ auf die Erde kam. In der Apostelgeschichte heißt es: „Plötzlich hörte man ein mächtiges Rauschen, wie wenn ein Sturm vom Himmel herabweht. Das Rauschen erfüllte das ganze Haus, in dem die Jünger waren.“ Doch das Rauschen blieb aus, und erst am 18. Juni 2015 wurde der Weltöffentlichkeit „Gelobt seist du“ – die „Umwelt-Enzyklika“ des Papstes – präsentiert.
Wenn einer päpstlichen Enzyklika auch eine disziplinierende Lehrautorität zukommt, so nimmt sie doch keine päpstliche Unfehlbarkeit in Anspruch und darf daher geprüft, hinterfragt und durchaus kritisiert werden. Unter 14. heißt es: „Ich lade dringlich zu einem neuen Dialog ein über die Art und Weise, wie wir die Zukunft unseres Planeten gestalten.“ Dies ist ein hehres Unterfangen und solange utopisch, solange uns Menschen der Schöpfungsplan verborgen ist und als Geheimnis in Gott ruht. Doch wann wurde die Einladung zum „neuen Dialog“ ausgesprochen? Unbekannt ist ebenso, wer alles an der Enzyklika gearbeitet und wie viele Federn an ihr geschrieben haben; denn der Papst allein kann dies nicht gemacht haben.
Abschnitt 15. beginnt mit dem Satz: „Dann werde ich versuchen, zu den Wurzeln der gegenwärtigen Situation vorzudringen, bis zu den „tiefsten Ursachen“. Doch wer über das Klima redet, muss sich dessen Ursache gewiss sein und zu seiner Wurzel, dem Wetter, vordringen. Die „Klimaexperten“ hassen zwar das Wetter, weil es undiszipliniert und ungehorsam ist, aber sie können nicht leugnen, dass das Wetter die Grundlage jedweder Klimabetrachtung ist. Auch die biologische Vielfalt auf der Erdsphäre hat ihre Ursache in der Wettervielfalt. Die Aussage unter 21. „Die Erde, unser Haus“ stimmt nicht. Daher gibt es auch kein „Globalklima“, obgleich man in einem Haus über die Steuerung eines Thermostaten ein „Einheitsklima“ herstellen kann. Auf der Erdoberfläche, die von den polaren bis zu den tropischen Flächen reicht, muss der Mensch Häuser bauen, in denen er vor dem Wetter Schutz suchen und so vor allem im Winter durch Beheizen überleben kann.
Unter 69. heißt es: „Der Herr hat die Erde mit Weisheit gegründet“. Der Satz unter 79. „In diesem Universum, das aus offenen Systemen gebildet ist, die miteinander in Kommunikation treten“, verbietet es, wenn nicht die Weisheit des Herrn in Frage gestellt werden soll, die Erde als ein „geschlossenes Ökosystem“ anzusehen. Wer die „gesamte Schöpfung“ betrachtet und eine „ganzheitliche Ökologie“ anstrebt, muss das ganze Universum ins Auge fassen. Er muss zumindest anerkennen, dass Leben auf der Erde ohne die Strahlungsenergie der Sonne unmöglich ist. Nicht ohne Grund, so heißt es in der Genesis, gab Gott nach der Erschaffung von Himmel und Erde den Befehl „Es werde Licht!“
Das Licht, ob sichtbar oder unsichtbar, erwärmt die Erde, aber extrem unterschiedlich, was in der Erdgestalt liegt, die sich als „Kugel“ täglich um die eigene Achse wie jährlich um die Sonne dreht. Der Wechsel der Temperaturen mit dem Wechsel der Jahreszeiten belegt den übermächtigen Einfluss der Sonne und bezeugt die Weisheit Gottes. Die Erderwärmung durch die Sonne entfacht keinen „Teufelskreis“ (Punkt 24.), denn dem täglichen Einstrahlungsgewinn durch die Sonne steht die immerwährende Ausstrahlung der Erde als Verlust gegenüber. Überwiegt die Einstrahlung, dann herrscht Sommer mit hohen Temperaturen, überwiegt die Ausstrahlung, dann haben wir Winter und tiefe bis eisige Temperaturen. Die Gerechtigkeit des Schöpfers liegt darin, dass die Jahreszeiten mal die Nordhemisphäre, mal die Südhemisphäre begünstigen bzw. benachteiligen. Der Mensch hat sich bei der Besiedlung der Erde an diese Gegebenheiten angepasst.
Unter 98. heißt es: „Jesus lebte in vollkommener Harmonie mit der Schöpfung, und die anderen wunderten sich: „Was ist das für ein Mensch, dass ihm sogar die Winde und der See gehorchen.“ (Mt 8,27) Markus erzählt in seinem Evangelium, wie sich über dem See Genezareth ein heftiger Sturmwind erhob und das Schiff mit Wasser füllte. Die ängstlichen Jünger weckten Jesus, der den Wind bedrohte und dann sprach: „Schweig, verstumme! Und der Wind legte sich, und es entstand eine große Stille.“ Wahrscheinlich wusste Jesus um die plötzlichen Fall-Winde, ihr plötzliches Entstehen wie Vergehen. Doch bis heute hat der Mensch keine Macht über das Wetter, so sehr er danach trachtet.
Und solange er keine Macht über das Wetter hat, hat er auch keine Macht über das Klima; denn dieses hängt ursachlich per Definition vom Wetter ab. Wenn auch die Atmosphäre als gemeinsames Gut angesehen werden kann, so ist das Wetter keine gemeinsames Gut, sondern ein ungleiches Gut. Die Pole werden nie tropisches Wetter haben und umgekehrt. Folglich ist auch das Klima kein gemeinsames Gut!
Der Punkt 23. stammt mit Sicherheit nicht aus der Feder von Papst Franziskus, doch hätte die Päpstliche Akademie der Wissenschaften alles tun müssen, dass solch unhaltbare Passagen in die Enzyklika Aufnahme finden. Er beginnt mit dem Satz: „Das Klima ist ein gemeinschaftliches Gut von allen und für alle.“ Es gibt eine ganze Fülle sehr unterschiedlicher Klimata auf der Erde, als statistisches Abbild sehr unterschiedlichen Wetters. Es ist völlig abwegig, das Klima als gemeinschaftliches Gut von allen Menschen für alle Menschen zu bezeichnen. Auch die Berufung aus „zahlreiche wissenschaftliche Studien“ und die „starke Konzentration von Treibhausgasen“ rechtfertigt nicht folgenden Satz: „Wenn sie sich in der Atmosphäre intensivieren, verhindern sie, dass die von der Erde reflektierte Wärme der Sonnenstrahlen sich im Weltraum verliert.“
Hierzu passt der Satz unter 110.: „Die Wirklichkeit steht über der Idee.“ Tag für Tag erleben wir während der Vegetationsperiode auf beiden Hemisphären den Anstieg der Temperaturen mit „Sonnenaufgang“ und ihr Absinken mit „Sonnenuntergang“. Gleichzeitig erleben wir aufgrund der Photosynthese der grünen Pflanzen, wie am Tage der CO2-Gehalt der Luft abnimmt und während der Nacht aus dem Boden heraus wieder aufgefüllt wird und zunimmt, denn die Pflanzen sind existentiell auf CO2 in der Luft als Nahrungsmittel angewiesen. Ohne grüne Pflanzen gäbe es keine Nahrung und keinen Sauerstoff. Daher hat Gott auch zuerst die Pflanzen und dann die Tiere geschaffen. Und erst als er sah, dass es gut war, schuf er den Menschen.
In der Enzyklika wird die große anthropozentrische Maßlosigkeit (116) angeprangert, wird eine mutige kulturelle Revolution (114) gefordert und wird gesagt, dass die weltweite Ökologiebewegung bereits einen langen Weg zurückgelegt hat (166.). Es wird die Notwendigkeit des Vorhandenseins einer „echten politischen Weltautorität“ (175.) für nötig erachtet. Es wird gesagt, dass sich die Politik nicht der Wirtschaft und diese sich nicht dem Diktat der Technokratie unterwerfen darf (189.) Das ist richtig, aber weder die Politik noch die Kirche darf sich dem Diktat der Wissenschaft unterwerfen. Hier fehlt der Enzyklika jedweder kritische Ansatz.
Der Wissenschaft gegenüber herrscht eine sträfliche Leichtgläubigkeit, eine Untertanen-Mentalität. Es grenzt an eine Selbstaufgabe, wenn dazu aufgerufen wird, durch Erziehung ein „ökologisches Bürgertum“ (211.) zu schaffen und „Leitlinien ökologischer Spiritualität“ (216) zu entwerfen, um zu einer „Versöhnung mit der Schöpfung“ (218) zu kommen. Gleichzeitig heißt es unter 221., „dass Gott die Welt erschaffen und in sie eine Ordnung und Dynamik hineingelegt hat, die der Mensch nicht ignorieren darf“.
Jawohl, die Welt ist dynamisch und nicht statisch. Und am dynamischsten von allen Naturereignissen ist das Wetter. Wie das Wetter so sind auch Erdbeben und Vulkane Naturereignisse, mit denen der Mensch leben muss. Dies sieht auch Papst Franziskus so; denn unter 228. fordert er von uns, „den Wind, die Sonne und die Wolken zu lieben und zu akzeptieren, obwohl sie sich nicht unserer Kontrolle unterwerfen.“ Wir sollten dem Beispiel von Jesus folgen und die Natur wie ihre Abläufe akzeptieren, um wieder in vollkommener Harmonie mit der Schöpfung zu leben.
Die größte Gefährdung der Freiheit des Menschen liegt in dem Satz 208.: „Wenn wir fähig sind, den Individualismus zu überwinden, kann sich wirklich ein alternativer Lebensstil entwickeln, und eine bedeutende Veränderung in der Gesellschaft wird möglich sein.“ Ist das Auftrag der römisch-katholischen Kirche, die jeden Mensch als einmaliges Individuum, als Geschöpf Gottes, ansieht? Sollen wir Christen unsere Glaubens- und Gewissensfreiheit aufgeben, um in einem kommunistischen Kollektiv aufzugehen? Wer die „Zeit irrationalen Vertrauens auf den Fortschritt und das menschliche Können“ (19.) anprangert, muss auch nach deren Ursache fragen. Diese liegt eindeutig im Marxismus und Kommunismus!
Wer die Humboldt-Universität in Berlin betritt, dessen Blick fällt automatisch auf Karl Marx und seine Aussage: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt aber darauf an, sie zu verändern.“ Karl Marx deklarierte den Fortschritt zum Geschichtsgesetz. Er frönte dem Materialismus und bereitete dem Konsumismus den Weg. Der Fortschrittswahn wird keineswegs besser, wenn man ihm den Deckmantel „nachhaltig“ umhängt. In der Enzyklika wird die „Kultur des Relativismus“ als „Krankheit“ (123.) bezeichnet. Aber ist das nicht Ausdruck des Relativismus, wenn unter 183. gefordert wird: „Immer ist es notwendig, den Konsens unter den verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren einzuholen, die unterschiedliche Perspektiven, Lösungen und Alternativen beisteuern können.“
Wohl deswegen hat der Vatikan das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung als Berater bemüht und dessen Leiter, Prof. Dr. Hans Joachim (John) Schellnhuber CBE, am Tag vor der Präsentation von „Laudato Si“ zum ordentlichen Mitglied der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften gemacht. Schellnhuber hat sich selbst offen als Agnostiker bezeichnet. Der Agnostizismus ist nachhaltig offen und sowohl mit dem Theismus als auch dem Atheismus vereinbar. Auch ist der Agnostizismus eine Weltanschauung, die vor allem die prinzipielle Begrenztheit menschlichen Wissens und Verstehens bzw. Begreifens betont? Wer jedoch die „prinzipielle Begrenztheit menschlichen Wissens“ betont, sollte nicht als Zukunftsberater, sondern eher als Orakel-Prophet auftreten.
*) Wolfgang Thüne (www.derwettermann.de), regelmäßiger Kommentator auf conservo, ist Diplom-Meteorologe und Dr. phil. Er war 16 Jahre lang „Wetterfrosch“ des ZDF.