Von Thomas Böhm *)
Es ist soweit. Ich verlasse die Hauptstadt. Weil ich mich hier wie ein Fremder fühle, weil ich mich permanent bedroht fühle, weil ich deutsch spreche und mich mit so mit vielen Menschen in meiner Umgebung nicht mehr verständigen kann.
Ich komme mir vor wie ein Indianer, der von Einwanderern, die sich letztendlich als Eroberer entpuppten, vertrieben wird und nun in einem Reservat seine letzte Zuflucht finden muss.
Als ich 1975 von Hamburg nach Berlin-Neukölln zog, sah das hier noch etwas anders aus. Türken gab es schon. Als Nachbarn und Arbeitskollegen. Voll integriert und der deutschen Sprache mächtig. Kein Kopftuch weit und breit, es wurde, wenn überhaupt, zuhause gebetet, Moscheen prägten noch nicht so sehr das Stadtbild.
Die Töchter der Türken waren „weltoffen“ und „tolerant“, ließen sich auch gerne mal mit einem Deutschen ein – gelebtes Multikulti – und ohne Kondom auch mit prächtigen Mischmasch-Folgen.
Dann fiel die Mauer, und alles wurde anders. Immer mehr Linke und Grüne beherrschten die Politik auf Landes- und Bezirksebene, und mit diesem politischen Umschwung wandelte sich auch der Alltag in der Hauptstadt. „Multikulti“ war das Zauberwort, das sich sehr schnell als „Fluch der neuen Zeit“ entpuppte.
Zu den Türken gesellten sich die Araber, der Ton in Neukölln wurde rauer, die ersten Kopftücher verschandelten die hübschen Frauen, und die ersten Messer glänzten bedrohlich in der Abendsonne.
Nicht sehr viel später hatte sich der Bezirk komplett gewandelt, ich fühlte mich als Fremder, konnte kaum noch an Gesprächen teilnehmen, weil ich nur Englisch als Fremdsprache in der Schule gelernt hatte. Meine türkischen und arabischen Nachbarn wurden immer lauter, arroganter, aggressiver, eine Religion namens Islam färbte meine Umgebung – die Migranten machten die Schotten dicht, und ich fing an zu grübeln und zu spüren, dass hier einiges nicht mehr mit rechten Dingen vor sich ging. Als dann vor meinen Augen eine deutsche Nonne von arabischen Jugendlichen als „deutsche Hure“ angepöbelt und ihr im Namen Allahs ins Gesicht gespuckt wurde, ergriff ich die Flucht aus meinem einst so geliebten Stadtteil. Ich wechselte in den damals gutbürgerlichen Bezirk Wilmersdorf.
Ein Schwätzchen mit dem türkischen Gemüsehändler um die Ecke, ein gemeinsames Essen mit der drusischen Familie aus dem Libanon bei uns im Haus. Mein Hund wurde gekrault, bekam die Kebab-Reste im Dönerladen an der Ecke. Alles bestens, Deutsch war die gemeinsame Sprache, Multikulti im Kleinformat, für jeden bekömmlich.
Doch auch hier nahm alles seinen gewohnten Lauf. Neben dem Gemüsehändler und der Dönerbude gingen immer mehr Geschäfte des deutschen Einzelhandels in türkische oder arabische Hände über. Der Billigfriseur, das Internet-Café, der Zeitungshändler, das 24-Stunden-Restaurant, der Gold-Ankauf, dazu noch jede Menge russischer Geldwaschanlagen. Dann kamen die Drogen in die U-Bahnhöfe und Parkanlagen, Koma-Prügler, Kopftreter und Vollverschleierte gesellten sich dazu, bis auch hier das erste menschliche Blut floss und sich in den Abflüssen mit dem Blut der betäubungslos geschächteten Tiere der Halal-Imbisse vermischte. Multikulti im Breitformat, nicht mehr für jeden bekömmlich.
Die noch vor zwanzig Jahren gutbürgerliche Wohngegend war im Wandel, das spüren die Alteingesessenen, und viele spielten mit dem Gedanken, wegzuziehen. Doch das ist nicht so einfach bei den hohen Mieten in Berlin.
Ich begebe mich nun wieder auf Wanderschaft, bin sozusagen ein Flüchtling auf der Suche nach einem sicheren, besseren Leben. Diesmal geht´s in eine Kleinstadt. Dort gibt es nur wenig Türken, Araber und so genannte Flüchtlinge. Dafür toben auf den Schulhöfen neben den deutschen viele vietnamesische, französische und brasilianische Kinder herum, Multikulti in Bestform.
Mal sehen, wie lange das dort noch gut geht.
*) Der Berufsjournalist Thomas Böhm ist Chefredakteur des Mediendienstes „Journalistenwatch“ und ständiger Kolumnist bei conservo