Caudillo Caudero: Basta!

Von Peter Helmes

„Abweichler“ in CDU und CSU sollen abgestraft werden, meint also deren Fraktionsvorsitzende Volker Kauder.

Volker Kauder
Volker Kauder

Ich höre immer nur „Abweichler“. Wieder so eine Wortschöpfung, die verständlich daherkommen soll, in Wirklichkeit aber vor Manipulation strotzt.

Wer eigentlich ist hier der „Abweichler“? „Die aufrechten 60“, die sich auf dem Boden der deutschen und europäischen Verträge bewegen? Oder der Caudillo, dem die Argumente zum Umstimmen seiner Kollegen entfallen sind und der deshalb seinen Knüppel aus dem Sack holen zu müssen meint?

Den 60 Griechenland-Abweichlern aus den Reihen der Unionsabgeordneten im Bundestag droht Kauder finstere Konsequenzen an. Das ist bei Merkel so, und das war bei Kohl nicht anders. Meinungsfreiheit auch für Abgeordnete? Aber ja doch – solange sie sich an die Vorgaben der Vorturner halten. Wer aufmuckt, wird abgesäbelt. Das ist der Caudillo seinem Gewissen schuldig.Wie die Folgen für die nach der „Gewissensfreiheit der Abgeordneten“ Handelnden aussehen, verkündet Kauder gleich mit: Er werde sie nicht mehr „in zentrale Gremien des Bundestages“ berufen. Wenn er da nicht ´mal einsamer Rufer in der von ihm angerichteten Wüste bleibt!

„Drohung beeindruckt nicht“

Promptest reagiert der nicht ganz unwichtige Führer der Mittelständler im Bundestag, Christian von Stetten: „Eine solche Drohung beeindruckt mich überhaupt nicht.“

Der Vorgang ist leicht erklärt: Bei der Abstimmung über die Aufnahme von Verhandlungen mit Griechenland über ein drittes Hilfsprogramm Mitte Juli hatten 60 Abgeordnete von CDU und CSU Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Gefolgschaft verweigert und mit Nein gestimmt. Fünf weitere enthielten sich. Nun reagierte Kauder (in der „Welt am Sonntag” vom 9.8.15) wie der Elefant im Porzellanladen, ganz „Kaudillo“: „Diejenigen, die mit Nein gestimmt haben, können nicht in Ausschüssen bleiben, in denen es darauf ankommt, die Mehrheit zu behalten: etwa im Haushalts- oder Europaausschuß.“ Die Fraktion entsende die Kollegen in Ausschüsse, damit sie dort die Position der Fraktion verträten.

Und dann zitiert Kauder die Fraktionsordnung: „In der steht: Wir diskutieren, streiten und stimmen ab, aber am Schluß muß die Minderheit mit der Mehrheit stimmen (…) Jeder entscheidet selbst, was für ihn eine Gewissensfrage ist. Aber ich werbe dennoch für Geschlossenheit. Das hat auch mit dem Korpsgeist zu tun, den eine gute Truppe haben sollte.“

Von Stetten jedoch kündigte unverdrossen weiteren Widerstand gegen die „Rettungspolitik“ der Bundesregierung an (Bild-Zeitung) an: „Kein einziges neues Argument für weitere Griechenlandmilliarden ist präsentiert worden.“ Er bleibe „selbstverständlich“ bei seiner ablehnenden Haltung.

„Die Meinungsfreiheit mit Füßen getreten“

Nach einer Meldung des Deutschlandfunks vom 9.8. warf der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt dem Fraktionschef vor, massiv die Rechte von Parlamentariern zu beschneiden. „Mit dieser Aussage hat Volker Kauder die Meinungsfreiheit, die im Grundgesetz für Abgeordnete fest verankert ist, mit Füßen getreten“, sagte Mattfeldt der “Bild”-Zeitung.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Europapolitiker Detlef Seif erklärte dem Berliner „Tagesspiegel“ ebenso deutlich: „Wenn diejenigen, die in der Unionsfraktion aus gewichtigen Gründen eine abweichende Meinung vertreten, bestraft werden, schadet das dem Klima und der Zusammenarbeit in der Fraktion.“ Ähnlich äußerten sich die CDU-Abgeordneten Heribert Hirte und Ursula Groden-Kranich. Kauders Ansage sei „schlecht für die interne Diskussionskultur“, kritisierte Hirte. „Ich gehe davon aus, daß wir eine demokratische Partei sind und anderslautende Meinungen akzeptieren“, sagte Groden-Kranich dem “Tagesspiegel”. (tgs/pg)

Der Caudillo rudert zurück

Schon direkt nach des Kauders Vernichtungsdrohung begann die Kritik an seinen Worten und wurde von Stunde zu Stunde härter. Kauder hatte – das war der Grundtenor – überzogen. Nun versucht er zurückzurudern. Seine Sprecherin relativiert Kauders Drohung gegen die Abweichler.

Hieß es noch am Vortag: Wer von seinen Kollegen bei der Griechenland-Politik von der Parteilinie abgewichen sei, sollte abgestraft werden, stellte die Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion die Äußerungen ihre Chefs noch am Abend „klar“: Volker Kauder habe nicht die Absicht, Abgeordnete aus einem Ausschuß abzuziehen, sagte sie dem Berliner „Tagesspiegel“.

Hut ab vor Erika Steinbach

In gewohnt klarer Form und sachlich schreibt Erika Steinbach, auch eine „Abweichlerin“, hierzu:

„Bis zum vorigen Jahr habe ich den Rettungsmaßnahmen für mehrere Euro-Länder zugestimmt. Auch für Griechenland. Danach nicht mehr.

Da erkennbar ist, dass weitere Unterstützungsmaßnahmen für Griechenland

  1. den EU-Spielregeln widersprechen und damit rechtswidrig sind. Das bewirkt auf Dauer, dass auch anderen Euro-Ländern regelwidrige Unterstützungen nicht versagt werden können.

Wenn Vereinbarungen nichts mehr wert sind, wird daran die EU früher oder später zerbrechen.

  1. das Land nicht aus seinen Schwierigkeiten herauskommen würde, habe ich bei den beiden Abstimmungen gegen weitere Griechenlandhilfen bzw. gegen Verhandlungen für weitere Hilfen gestimmt.

Leicht ist es mir nicht gefallen! Aber pacta sunt servanda! Alles andere führt in eine ungute Zukunft für die EU. Das ist für mich eine Gewissensfrage.

Die Probleme, die ein Fraktionsvorsitzender mit abweichendem Abstimmungsverhalten hat, schätze ich nicht gering ein. Aber das, was uns in den nächsten Wochen bezogen auf Griechenland vermutlich abverlangt wird, geht ins Grundsätzliche und läßt vermutlich alle Zusagen, die dem Deutschen Bundestag bei Einführung des Euro gemacht wurden, zu Makulatur werden. Das ist für mich nicht vertretbar!

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