Will der Mann eine andere Nation? Oder weiß er mit dem Begriff „Nation“ nichts anzufangen? Gauck faselt ungeniert davon, man müsse den „Begriff Nation neu definieren“ (Interview im Bonner Generalanzeiger vom 29.08.15). Da läuten alle Alarmglocken, doch niemand scheint hinzuhören. Eine öffentliche Debatte hat jedenfalls (bisher) nicht eingesetzt, wäre aber dringend geboten. Denn es offenbart sich hier ein eigenartiges politisches Verständnis des Ersten Mannes der Republik.
Was bedeutet eigentlich „Nation“?
Schauen wir doch ´mal zuerst, wie einzelne „Sprachinstitutionen“ den Begriff der Nation erläutern:
„Gemeinsame Sprache, Tradition, Sitten, Gebräuche oder Abstammung“
Der Begriff „Nation“, sagt Wikipedia, wurde „um 1400 ins Deutsche übernommen, von lat. natio, „Volk, Sippschaft, Menschenschlag, Gattung, Klasse, Schar“ und bezeichnet größere Gruppen oder Kollektive von Menschen, denen gemeinsame Merkmale wie Sprache, Tradition, Sitten, Gebräuche oder Abstammung zugeschrieben werden. Diese Begriffsdefinition ist jedoch empirisch inadäquat, da keine Nation diese Definition vollumfänglich erfüllt. Daneben wird die Bezeichnung auch allgemeinsprachlich als Synonym für Staatswesen und Volk gebraucht, von denen sie in der wissenschaftlichen Darstellung getrennt werden. Die zugeschriebenen kulturellen Eigenschaften können dabei als der Nationalcharakter eines Volkes oder einer Volksgemeinschaft dargestellt werden. „Nation“ erweist sich so als ein Konstrukt, das von seiner diskursiven Reproduktion und materiellen Effizienz lebt. Indem Menschen sich handelnd auf das Konzept der Nation beziehen, wird es für die Beteiligten und Betroffenen wirksam…“
Die eher linkslastige „Bundeszentrale für politische Bildung“ versucht den Spagat zwischen „Tradition“ und „Moderne“ – ein Spagat, der wehtut:
„[lat.] Der Begriff Nation hat zwei unterschiedliche Bedeutungen:
1) Die konservative Interpretation betont das statische Element, d. h. die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gemeinschaft (auch: Volk), die als Großgruppe von Menschen über bestimmte homogene Merkmale (z. B. gemeinsame Sprache, Kultur, Geschichte) verfügt und (zumeist) innerhalb eines bestimmten Territoriums zusammenlebt (Abstammungsgemeinschaft).
2) Die offene Interpretation betont die Veränderungs- und Entwicklungsmöglichkeiten, die sich daraus ergeben, dass in einem Staat (Groß-)Gruppen zusammenleben, die sowohl über gemeinsame als auch über unterschiedliche Merkmale verfügen und dadurch die Chance für einen Austausch zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft fördern (Zugehörigkeitsgemeinschaft). Die offene Interpretation des Begriffes N. entspricht eher dem Verständnis moderner demokratischer Gesellschaften.
Unter Berücksichtigung des territorialen Aspekts ist zwischen staatenloser (Kultur-)Nation, deren Merkmale insbesondere eine gemeinsame Sprache, Kultur und Religion sind (z. B. Kurden), und Staatsnation zu unterscheiden, die in (mehr oder weniger geschlossener) territorialer Gemeinschaft lebt und anstelle des ethnischen stärker das politische Element der Gemeinschaft betont (Verfassungspatriotismus).“
Immerhin führt die Bundeszentrale doch wesentliche Elemente einer Nation auf – ob bei „offener“ oder „konservativer Interpretation“: „Element der Gemeinschaft“, gemeinsame Sprache, Kultur, Geschichte. Sie, die BPB, kann (will?) sich aber beim Aspekt „Religion“ nicht festlegen. Und dann folgt ein Satz, der typisch für die Grundhaltung „moderner“ Menschen ist: „Die offene Interpretation des Begriffes Nation entspricht eher dem Verständnis moderner demokratischer Gesellschaften…“
Nun wartet der geneigte Leser leider vergeblich auf die Erklärung, was die Bundeszentrale unter „moderner“ demokratischer Gesellschaft versteht. Gibt´s auch eine „unmoderne“ demokratische Gesellschaft? Und woher will die Bundeszentrale für Volksverbildung eigentlich wissen, daß ihre Interpretation „eher dem Verständnis moderner demokratischer Gesellschaften“ entspricht?
Gutmenschen („moderne“) haben auch hier ihren Rotstift kreisen lassen, hieß es doch vor der „modernen“ Version bei Wikipedia viel klarer und eindeutiger: „Der Begriff Nation bezeichnet eine große meist geschlossen siedelnde Gemeinschaft von Personen die über gleiche Abstammung Geschichte Sprache und Kultur und ein gemeinsames Staatswesen auf einem bestimmten Territorium verfügen können ( Nationalität )…“ Das gefällt mir schon besser. Und paßt auch besser zu der wohl „hoffnungslos veralteten“ Definition des Duden:
Die Duden-Erklärung: (Nation…)
- große, meist geschlossen siedelnde Gemeinschaft von Menschen mit gleicher Abstammung, Geschichte, Sprache, Kultur, die ein politisches Staatswesen bilden
- Staat, Staatswesen
- (umgangssprachlich) Menschen, die zu einer Nation gehören; Volk
Synonyme zu Nation
- Gemeinwesen, Land, Staat, Staatswesen
- Volk, Völkerschaft; (besonders nationalsozialistisch) Volksgemeinschaft
Ganz schlimm (im Sinne der Nation-Veränderer) wird es, wenn man an die Wurzel des Wortes erinnert: lateinisch natio = das Geborenwerden; Geschlecht; Volk(sstamm), zu: natum. Da wird doch tatsächlich (fast faschistisch) daran erinnert, daß man durch Geburt zur Nation gehört. Mehr noch: Jetzt wird klar, warum die Muslime durch mehr Geburten als die Deutschen eine neue Nation begründen.
Die Interpretation des Duden haben die „modernen“ Nationenversteher offensichtlich noch nicht registriert. Oder doch? Der Bundespräsident, eigentlich der höchste Repräsentant unserer Nation, schleicht sich bereits davon und reklamiert eine neue Deutung des Begriffes Nation.
Neue „deutsch-islamische Nation“?
Nun kämpfen wir uns allmählich zu des Pudels Kern durch: Bereichern die Neuzugänge aus aller Herren Länder unsere Nation, oder schaffen sie eine neue „deutsche“ Identität, z. B eine „deutsch-islamische“? Diejenigen, die die „Zuwanderer“ generell als Kulturbereicherer betrachten, haben gewiß einen anderen Nationenbegriff als die autochthonen Deutschen. Entscheiden wird letztlich die Macht der Zahl: Wieviel „Ur-Deutsche“ stehen wievielen „Neu-Deutschen“ gegenüber?
Da hilft es überhaupt nicht, den Begriff „Nation“ – wie der Bundespräsident meint – neu zu definieren. Wir sind, wie er meint, keine „Gemeinschaft der Verschiedenen“. „Sein
Vorschlag sei in etwa so tiefschürfend wie der Vorschlag, den Begriff der Familie neu zu definieren als Gemeinschaft derjenigen, die den gleichen Kühlschrank benutzen“ schreibt hierzu treffend der „Scholastiker.blogspot.com“ am 31.08.2015.
Man kann wesentliche Begriffe nicht einfach neu definieren. Jeder weiß, was eine Tasse ist. Jeder nennt einen Hund einen Hund, wenn er ihn sieht usw. Ich kann dann nicht einfach sagen: „Ich sehe eine Tasse“, wenn ich einen Hund sehe, oder „ich sehe einen Hund“, wenn ich eine Tasse sehe. Hund bleibt Hund, und Tasse bleibt Tasse.
Genauso kann auch ein Bundespräsident nicht einfach sagen: „Nation“ – das war gestern! Heute ist Nation ganz anders!“ Er mag so denken (wie ich glaube), aber er verrät dabei die deutsche Nation.
Wieder gibt der Blog „Scholastiker“ eine hilfreiche Erklärung: „Daß man alles Mögliche, nicht nur die Nation, sondern auch Ehe und Familie oder viele andere Entitäten, umdefiniert, gehört zu den Kennzeichen der modernen Weltanschauung, wie sie in westlichen Ländern weit verbreitet ist. Hintergrund dieser Weltanschauung ist der Konstruktivismus. Dieser behauptet, es gäbe überhaupt keine Nationen, Hühner, Katzen, Bäume oder was auch immer. Es gäbe überhaupt nichts, das unabhängig vom Menschen existiert. Wir sind es, so meint der Konstruktivist, die die gesamte „Wirklichkeit“ durch unser Erkennen und Handeln erst hervorbringen. Wir sind die Konstrukteure der Welt. Dieses ingenieursmäßige Weltbild liegt wohl auch den Äußerungen von Herrn Gauck zugrunde, denn besonders Politiker sind anfällig für die Vorstellung, dass sie es sind, die alles „machen“. Sie müssen die ganze Welt „machen“ und „retten“. Die „Rettung der Welt“ macht man, indem man alles Mögliche neu definiert.“
Schon ein ganz unvoreingenommener Blick auf den Satz des Bundespräsidenten, Nation sei die Gemeinschaft von Verschiedenen, zeigt – entschuldigen Sie bitte dieses Wort – die Dummheit einer solchen Definition. Eine „Gemeinschaft der Verschiedenen“ ist natürlich auch die Weltgemeinschaft, oder die europäische Gemeinschaft und eigentlich jede Gemeinschaft. Die „Definition“ von Herrn Gauck sagt also – garnichts!
(Quelle: www.Scholastiker.blogspot.com, Montag, den 31. August 2015 um 08:59 Uhr)
Nicolaus Fest, der frühere stellv. Chefredakteur der Bild-Zeitung, liefert eine klare Begründung: „Immer wieder der Verweis auf die Bevölkerungsentwicklung, welche die Einwanderung notwendig mache, wolle man Wirtschaftskraft und Sozialsysteme erhalten. Auch auf Seiten der Linken hat das kapitalistische Wohlstandsdenken vollständig triumphiert. Konsumkritik war gestern. Dass mit der Einwanderung von Menschen aus afrikanischen oder muslimischen Kulturkreisen auch ein irreparabler Kulturbruch stattfindet, will niemand wahrnehmen, auch wenn er schon jetzt vielerorts mit Händen zu greifen ist. Welches Kind von Einwanderern kennt die alten deutschen Lieder, die Heiligen in der Kirche, die Märchen von Grimm, Andersen, Hauff? In 50 Jahren wird Eichendorf so vergessen sein wie Jean Paul, wie Dürer oder Heckel, Schubert oder Brahms. Doch warum sie auch erinnern, wenn schon den Deutschen ihr Eigenes so gleichgültig ist? Im Grunde erleben wir auch hier seit Jahren täglich die Kultursprengungen von Palmyra. Nur heißen sie hier Rechtschreibreform, Einheitsschule, Bologna oder frühkindliche Sexualerziehung. Und die Täter sitzen in der Schulbürokratie und bei der GEW.” (Nicolaus Fest)
Mit einer Prise Humor bringt ein Blogger es auf den Punkt:
„Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?” (Bert Brecht) – „Aber genau das tut sie doch gerade!” (unbekannt)