Hinten, weit, in der Türkei…
Das war es noch biedermeierische “Wirklichkeit”, was Goethe vor 200 Jahren in seinem Faust reimte:
Bürger:
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.
Dritter Bürger:
Herr Nachbar, ja! so laß ich’s auch geschehn:
Sie mögen sich die Köpfe spalten,
Mag alles durcheinander gehn;
Doch nur zu Hause bleib’s beim alten.
Heute erreichen uns nicht nur an Sonn- und Feiertagen die Meldungen von Krieg und Kriegsgeschrei und zwingen uns zu Gesprächen, der biedere Wunsch „… nur zu Hause bleib’s beim alten“, ist zur Posse geraten.
Ob es das türkische Militär war, welches einen russischen Kampfbomber abschoss – angeblich über türkischem Territorium – wird uns wahrscheinlich je nach Opportunität dargelegt werden. Es hat sich angeblich auch eine syrisch-turkmenische Rebellengruppe zu dem Abschuss bekannt, was zu Spekulationen über eine türkische “Geheimdienstmission” führt.
Wir können wieder eine Flut von Desinformationen erwarten.
Die Türkei wird an der je zu ortenden Stimmung bei den „Verbündeten“ ihre Verlautbarungen ausrichten. Die Nato wird ihren Bündnispartner in Schutz nehmen und eher geneigt sein, den Russen was in die Schuhe zu schieben.
Es hat ja zuletzt die geschickte Diplomatie der Russen und der beschworene gemeinsame Kampf gegen den IS nach den beide Seiten treffenden Anschlägen die Sanktionsfront möglicherweise nach dem Geschmack der Amerikaner etwas zu sehr aufgeweicht.
Ich kann mir nicht helfen, ich hege ein abgrundtiefes Misstrauen gegenüber der Türkei und ihrem neuerstandenen Sultan.
Erdogan wird unverkennbar von der Nostalgie nach der „Hohen Pforte“ getrieben, nach einem neuen osmanischen Großreich. Ich halte ihn für den klandestinen Wiedergänger des eroberungssüchtigen Islam auf eurasischem Boden, als „chalīfat rasūl Allāh“
Erdogan macht keinen Hehl aus seiner turk-rassistischen Einstellung und er wird alles nicht tun, was dem entgegensteht.
Wie er sich schon als Gast auf deutschem Boden vor seinen Landsleuten aufgeführt hat und diese unzweideutig zur Des-Integration aufforderte, ist uns in guter Erinnerung.
Wie er in der “Kurdenfrage” agiert, wirft gleichfalls ein Licht auf seinen Charakter.
Es darf niemanden wundern, wenn die Türken in Syrien einmarschieren werden. Wahrscheinlich noch mit Zustimmung der Nato, sodass Erdogan sich das dann auch bezahlen lassen kann. So nebenbei wird er in dem erwarteten Kampf gegen den IS so nebenbei sein “Kurdenproblem” zu lösen versuchen.
Ich bin kein “Experte” in Außenpolitik, aber Verstand und Bauchgefühl sagen mir, dass der größte Schuft nach dem IS im Nahen Osten nicht in Damaskus, sondern in Ankara sitzt (Die Saudis und die Emire am Golf lassen wir zunächst mal in der Gewichtung außen vor). Wer immer noch dem Beitritt der Türkei in die EU das Wort redet, der muss mit dem Klammerbeutel gepudert sein. Dass die deutsche “Kanzlerin” so eine “gepuderte” ist, braucht man dabei nicht mehr zu erwähnen.
“Doch nur zu Hause bleib’s beim alten” – diesem Wunsch kann man unter den jetzigen Gegebenheiten partout nicht folgen.
*) „altmod“ ist Blogger (altmod.de) und häufig mit zeitkritischen Beiträgen auf „conservo“ vertreten
27.11.2015