Was braucht die CDU einen (teuren) Bundesparteitag? Sie könnte ihn billiger, ehrlicher und weihevoller haben. Warum nicht statt eines Parteitages ein Hochamt im Kölner Dom? (Meinetwegen auch im Berliner Dom, aber der Kölner ist sinnvoller – alles strebt nach oben. Und zur Erinnerung: Der Kölner Dom ist das Gotteshaus, bei dem die Lichter ausgingen, als Pegida demonstrierte.)
Und erst die (denkbare) Inszenierung! Die eintausend Delegierten ziehen – geführt vom multikulturellen Viergestirn aus Oberrabbi, Kardinal, EKD-Präses und Obermufti – in einer feierlichen Prozession ein, derweil sich die tausenden Gäste aus dem In- und Ausland von den Bänken erheben und die Orgel „Großer Gott, wir loben Dich“ intoniert.
Und dann der Höhepunkt der Einzugsprozession: SIE! Sie schreitet gemessenen Schrittes, weihrauchumwölkt, unter einem schützenden Baldachin in den Dom ein, die Eckpfeiler, also die Stützen des Baldachins, von den politisch-korrekten Granden der Union getragen: vorne links Armin Laschet, rechts Julia Klöckner, hinten links Thomas Strobl, rechts Volker Bouffier. Ursula von der Leyen trägt der Kanzlerin Schleppe (mit spitzen Fingern), Peter Tauber geht vorneweg als Zeremonienmeister (Domjargon „1. Schweitzer“) und Schatzmeister Philipp Murmann mit dem Hauptklingelbeutel hinterher. Die Kanzel im Kölner Dom würde wiederhergerichtet, damit die Kanzlerin kanzelgerecht Freund und Gegner abkanzeln kann. Der regierungssprechende Staatssekretär Steffen Seibert verkündet sodann feierlich ex cathedra, daß die Bundeskanzlerin auf Lebenszeit in ihren Ämtern bestätigt wird – „so wahr ihr Gott helfe“.
Ehrliches Theater
Gütiger Himmel, eine solche Feierlichkeit schafft keine Parteitagshalle! Und das ganze Theater wäre ehrlicher als das Theater zuvor, das in der Partei veranstaltet wurde. Aber nein, die Delegierten waren ja aufgefordert, Hunderte von Anträgen zu stellen – die niemanden interessieren – und ernsthaft über das zu diskutieren, was eh schon feststeht und nur der Kanzlerin Politik bestätigt. (Schließlich bestimmt sie ja die Richtlinien der Politik, also auch ihrer Partei.)
Aber wat mutt, dat mutt. Es gab also lange Debatten – im Vorfeld. Und dann einen „last-minute-Kompromiß“: Alle reden von Kontingenten und Begrenzungen, nur die Kanzlerin nicht. Braucht sie auch nicht; denn sie setzt eh durch, was sie will. Das war bei Adenauer so und nicht anders bei Kohl, also jetzt auch nicht anders unter Merkel. So ein bißchen Tradition darf´s schon sein, ist ja schließlich eine konservative, also bewahrende, Partei!
Schlauerweise hatte Merkel die Bischöfe der Partei (Präsidium, Bundesvorstand) einen Tag vorher eingeladen, ihnen die Grundzüge ihrer Parteitagspredigt dargelegt – und den dringend notwendigen „Kompromiß“ vorgestellt, den dann alle (bis auf 1 Gegenstimme) abnickten, selbstverständlich nach schmerzhaften Selbstprüfungen. Angela Merkel hatte doch erklärte, die Aufnahme der Flüchtlinge sei ein “humanitärer Imperativ”.
Nun man mag man darüber streiten, ob zu einem solchen Jahreshochamt ein oder zwei Tage ausreichen. Für das Wohfühlgefühl der Mitglieder wäre wohl ein Tag genug. Da sich aber die Hofschranzen und Funktionäre ebenfalls in ihren alten und neuen Kleidern zeigen wollen, reicht ein Tag wohl nicht – Laufsteg muß sein. Was soll´s, die Gastronomie freut´s.
Zur Sache: Flüchtlinge
Natürlich stand der Parteitag unter dem Thema „Herausforderung Flüchtlinge – Gefahren und Risiken“. (Oh, Entschuldigung, da habe ich ins falsche Programm geschaut. Das richtige CDU-Thema heißt natürlich „Ja zur Willkommenskultur!“ – DAS Thema aller guten Menschen, wie z. B. auch der Kanzlerin.) Und so legte sie los:
Natürlich hat sie ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik verteidigt. Sie sei weiter überzeugt, daß Deutschland das schaffen könne. Es gehöre zur Identität des Landes, Krisen zu überwinden. Mit Blick auf den Leitantrag des Bundesvorstandes bekannte sich die Kanzlerin aber zugleich dazu, den Zuzug zu verringern. Eine spürbare Reduzierung sei im Interesse aller. Dies gelte für Versorgung und Integration in Deutschland, die Lage Europas und auch für die Flüchtlinge selbst. Merkel verteidigte jedoch ihre Entscheidung zur Grenzöffnung im August. Dies sei ein humanitärer Imperativ gewesen. Die CDU-Vorsitzende bekräftigte, eine Lösung der Flüchtlingsproblematik könne es nur auf europäischer Ebene und gemeinsam mit der Türkei geben. Es handle sich um eine historische Bewährungsprobe.
Und dann der Hauptteil der Festtags-Predigt: „Mein Deutschland“
Merkel entwickelt eine Vorstellung vom Deutschland der Zukunft in 25 Jahren:
– Leistung muss sich weiterhin lohnen.
– Wir müssen den Umbau mit der Technik der Zukunft mitgestalten.
– Wir müssen über eines der besten Bildungs- und Forschungssysteme verfügen.
– Wir müssen den demografischen Wandel gestalten.
– Wir müssen dann die Energiewende geschafft haben, ohne die Wirtschaft zu vertreiben.
– Wir sollen ein Land sein, in dem Bürokratie klein geschrieben wird.
– Kinder und Familie sollen Alltag sein und nicht ständiger Konfliktpunkt.
– In der Gesellschaft sollen keine Rassenkonflikte ausgetragen werden.
– Wir sollen sicher vor inneren und äußeren Bedrohungen sein – aber auch Konflikte mit
lösen.
– Wir sollen offen, tolerant und spannend sein – mit einer starken eigenen Identität.
– Die Gesetze stehen über Stammesregeln und Traditionen.
– Wer zu uns kommt muss unsere Regeln und Gesetze achten und die Deutsche Sprache lernen. Multikulti führt in Parallelgesellschaften und ist eine Lebenslüge. Integration ist das Gegenteil, denn wir profitieren nur von gelungener Einwanderung usw. usw.
Kurz, die Kanzlerin der Bundesrepublik entwarf das Traumbild einer Traumgesellschaft in einer Traumwirklichkeit. „Ich möchte, daß Deutschland auch in 25 Jahren noch mein Deutschland, unser Deutschland ist!“ Unverkennbar Angela Merkel – und unverkennbar die Stimme des Volkes. Nur wir braven Bürger finden uns darin nicht wieder – aber das ist ein anderes Thema und stört nur die Feierlichkeit des Augenblicks.
(Eine Entgleisung des Autors: In der Sowjetunion war die Länge des Applauses immer ein sicherer Indikator für die Lage des Parteivorsitzenden. Unter einer Stunde – schwierig. In Deutschland ist das ein wenig anders. Aber mehr als fünf Minuten ist auch schon was. Bei Merkel waren es heute zehn Minuten – parteiinterner Rekord!)
Und das durfte bei Merkel auch nicht fehlen: Der CDU sei etwas Besonderes gelungen, so Merkel: eine Volkspartei, die Klassengrenzen überwindet. Sie sei keine Arbeiterpartei und keine für Besserverdienende, sondern eine Partei für alle, ruft die Kanzlerin.
Der Merkelsche „humanitäre Imperativ“
Und dann streut sie Zückerchen in die Wunden der Konservativen: „Wie sehr wird sich unsere Lage verändern? Sind wir nach der Zuwanderung so vieler Muslime noch das Deutschland, das wir kennen?“
„Wir sind stolz auf den Titel “Exportweltmeister” und mögen, daß wir überallhin reisen können. Das ist die Globalisierung wie wir sie mögen“, ruft sie. Jetzt kämen aber auch Extremismus und Terror. Doch: „Abschottung im 21. Jahrhundert ist keine Möglichkeit.“
Nun spricht die Kanzlerin aller Deutschen (Gutmenschen) direkt von den Flüchtlingen, von den Flüchtlingen, die sich über die Autobahn auf den Weg nach Deutschland und Österreich gemacht haben: „In dieser Nacht wurde wie im Brennglas deutlich: Europa hat es mit der größten Flüchtlingswelle seit dem 2. Weltkrieg zu tun. „Diese Flüchtlinge aufzunehmen, sei nicht mehr und nicht weniger gewesen „als ein humanitärer Imperativ“.
Der DLF vermerkt: „Minutenlanger, tobender Applaus nach der Ansprache der Kanzlerin. Angela Merkel hat in ihrer über einstündigen Rede klargemacht, daß sie in der Flüchtlingskrise keine Kompromisse eingehen wird, und die CDU auf das “C” im Parteinamen eingeschworen. Gleichzeitig kam sie ihren parteiinternen Kritikern so gut es ging entgegen, machte klar, daß sie deren Ängste wahrnimmt, und zeigte damit deutlich, wohin der Parteitag der CDU sich bewegen soll: Die Partei soll Geschlossenheit zeigen (…) „Deutschland ist ein starkes Land in Europa. Wir schaffen das. Und dazu bitte ich Sie um Ihre Unterstützung. Wir sind die eine Volkspartei für alle, so handeln wir!“
Der Hauptantrag wird angenommen – mit zwei Gegenstimmen. Wer sagt´s denn! Einigkeit und Recht und Klarheit – die SPD, die sich vor einer Woche gequält hat, wird´s mit Bauchgrimmen registrieren.
Ende des Kommentars
Ja wenn das so ist, kann ich hiermit die Kommentierung beenden, ich brauch den zweiten Tag nicht zu beobachten. Was würde es auch bringen? Was jetzt noch läuft, ist „Parteitag as usual“ – langweilig und unwichtig. Was jetzt noch kommen könnte, ist Parteitags-Routine zur Selbstbefriedigung der Teilnehmer.
Eine kritische Kommentierung würde nur die Feierlichkeit des Merkel-Festivals stören. Man stört ja auch nicht ein Hochamt, indem man während des Gottesdienstes die Predigt kritisiert. Es läuft schließlich alles nach göttlichem Ratschluß: Mutti spricht, und wir lauschen (und gehorchen) andächtig – in Ewigkeit, Amen.
P.S.: Sollte sich in den letzten Stunden des Parteitages doch etwas Überraschendes tun – etwa der Rücktritt der Parteigöttin – werde ich selbstverständlich die Kommentierung wieder aufnehmen. So wahr mir Gott helfe!
14.12.2015