Mehr Zeitgeist – weniger Ideale

von Peter Helmes, www.conservo.wordpress.com

Ideale adé?
Es fing damit an, daß wir statt von Idealen zu sprechen und sie zum Vorbild zu nehmen, immer mehr zum Kult der Idolen-Verehrung gelangten. Idol versus Ideal, Pomp gegen Klasse, moralische Leitfigur gegen Zeitgeist-Idol. Mögen die Übergänge auch fließend sein, irgendwann haben wir uns von „Vorbildern“ verabschiedet und sind zu „Anhängern von…“ und zu Groupies geworden – und viele wissen nicht einmal, warum. Weil sie sich blenden lassen vom Glamour und weil „ideal“ anstrengend ist?1Marx

Das Gefährliche an dieser Entwicklung: Die Gesellschaft verliert ihre Ideale und damit den wahren Sinn des Lebens. Die Erfüllung der eigenen Wünsche wird zum Hauptzweck des Lebens. Dabei geht die tiefe Dimension menschlicher – und für Gläubige: auch göttlicher – Liebe verloren, auch die Liebe zu sich selbst.

Der leider viel zu früh verstorbene Schriftsteller Thomas Merton (1915-1968), römisch-katholischer französischer Trappistenmönch, stellt sehr treffend fest: „Was nützt es uns, zum Mond reisen zu können, wenn es uns nicht gelingt, den Abgrund zu überwinden, der uns von uns selbst trennt? Dies ist die wichtigste aller Entdeckungsreisen; ohne sie sind alle anderen nicht nur nutzlos, sondern zerstörerisch.“

KapitalMaterialismus statt Werte
Der Zeitgeist läßt nicht viel Raum für Gefühle. Er bringt uns zwar bei, was erstrebenswert sei, aber „wahre Werte“ stören da nur. Materialismus ersetzt Glauben und Werte. Auch das ist eine der dramatischen Folgen der „Frankfurter Schule“, die uns Menschen jeglichen Glauben an echte Ideale verbieten und stattdessen einen Neuen Menschen schaffen wollte. Dieser Neue Mensch hat keine Ideale, sondern „funktioniert“: Aus „Liebe“ wird Sex, aus „Ehe“ wird eine Zweckgemeinschaft (zweier oder mehrerer) Partner egal welchen Geschlechts usw. Logisch, daß die Institution Familie – ebenfalls ein (gewesenes) Ideal – dabei vor die Hunde geht.

Für die Frankfurter Schule ist der Mensch „denkende Materie“, eine Seele braucht er nicht, weil man eine Seele auch nicht beweisen kann. Wie der Urvater der Frankfurter Schule, Karl Marx, schon feststellt: „Religion ist Opium für das Volk.“ In seiner „Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie“, verfaßt 1834/44, schrieb er u. a. wörtlich: „Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volkes.« (Da Marx mit Heine befreundet war, der ähnliche Gedanken von Ludwig Börne erwähnt, ist der Originaltext eher Heine zuzuschreiben – was aber hier nicht wichtig ist.)

Karl Marx: „Knechtschaft brechen durch Revolution“
Das Volk berauscht sich nach Marx also selbst und bekommt das Gift nicht verabreicht, wie es die Wendung „Opium für das Volk“ suggerieren würde. Nach Ansicht Marx´ müßten die Menschen sich in der materiellen Welt emanzipieren zur „Überwindung der Entfremdung, insbesondere der Entfremdung des Menschen in der Arbeitswelt des Kapitalismus“ (Entfremdungstheorie). Nach seiner Ansicht wird sich dadurch auch die Religion erübrigen. Da Marx die Ursachen zur Überwindung der Entfremdung und zur Beseitigung der Religion in der materiellen Welt sieht, müßen auch die Ursachen der Religion hier zu finden sein. Die Verehrung jenes Gottes halte den Menschen davon ab, sich seiner eigenen Möglichkeiten und Kräfte gewahr zu sein, und er verfalle so in religiösen Fanatismus.

Zum Verständnis unserer (christlich-konservativen) Auseinandersetzung mit dem Zeitgeist, dem neuen Gegner jeglicher Kultur des Denkens und immaterieller Werte (Ideale), ist das Folgende besonders bemerkenswert und (leider) heute erst recht aktuell:

Für Marx ist die „Emanzipation des Menschen“, natürlich auch die von der Religion, nur möglich, wenn dem Menschen die „Befreiung in der Arbeitswelt“ gelingt. Auf Deutschland bezogen, kommt er dann zum Ergebnis, daß „in Deutschland (…) keine Art der Knechtschaft gebrochen werden (kann), ohne jede Art der Knechtschaft zu brechen. Das gründliche Deutschland kann nicht revolutionieren, ohne von Grund aus zu revolutionieren. Die Emanzipation des Deutschen ist die Emanzipation des Menschen. Der Kopf dieser Emanzipation ist die Philosophie, ihr Herz das Proletariat. Die Philosophie kann sich nicht verwirklichen ohne die Aufhebung des Proletariats, das Proletariat kann sich nicht aufheben ohne die Verwirklichung der Philosophie.“

Wie die „Emanzipation des Menschen“ nach Marx funktioniert, durften Deutsche (Ost) vier bittere Jahrzehnte erfahren. Aber durch Marx´s Gedankenwelt, die über die Generation(en) der ´68er auch (und besonders) im Westen blühte, wurden viele alte Werte zerstört, verschwanden Ideale – und an seine Stelle trat der Neue Mensch, die seelenlose Marionette des Zeitgeistes.

Ideale – „angestrebte Idee der Vollkommenheit“
Ein krasses Beispiel für den Verfall der Ideale sind die Vielfach-Scheidungen deutscher Politiker und vieler „Aushängeschilder“ (Idole) des deutschen Staates. Notabene, der höchste Mann unseres Staates, der Bundespräsident, lebt seit vielen Jahren mit einer Lebenspartnerin zusammen, ohne von seiner Ehefrau geschieden zu sein. Früher nannte man das Bigamie, heute redet niemand drüber. Sind das unsere Vorbilder?

Der Neue Mensch ist „genormt“, ein Einheitsmensch. Da passen schon rein logisch keine Ideale; denn sie sind eine „individuelle Idee“ – siehe z. b. Kant, Hegel oder Schiller. Diese individuelle Idee strebt ständig nach einem höheren Ziel, kann aber eine höchste Norm nicht erreichen. So bleibt das Ideal ein als höchsten Wert erkanntes Ziel, eine angestrebte Idee der Vollkommenheit – ganz im Gegenteil der Frankfurter Schule, die vom genormten Menschen träumt(e).

Das sozialistische „Paradies auf Erden“
Und da sind wir zum Schluß wieder bei der Religion: Für uns Christen ist der Mensch „unvollkommen“, er soll zwar zum höchsten Glück streben, aber er wird es hienieden nicht erreichen. Anders Karl Marx und seine Sozialismus-Nachfahren in aller Welt: Der Irrglaube des Sozialismus – und damit der Schlüssel zu viel Unterdrückung und Elend – liegt in seiner Vorstellung vom „Paradies auf Erden“, wie z. B. vom „Arbeiter- und Bauern-Paradies“, aus dem die Arbeiter und Bauern millionenfach flohen.
Peter Helmes

Klaus Hildebrandt, ein Mensch mit Idealen und streitbarer Christ, schrieb mir noch gestern zu diesem Thema:

Vorbilder – Wo sind sie?
Egal wohin man schaut, in Deutschland läuft es nicht rund. Die Reichen werden immer reicher und die Armen ärmer. Kriminalitität ohne Ende und immer brutaler, Menschen arbeiten sich trotz längst vorhandener Infrastruktur zunehmend kaputt, aber wofür? Viele kommen kaum noch über die Runden. Familien saufen ab, und es werden kaum noch Kinder geboren. Abtreibung – obwohl formal verboten – ist heute selbstverständlich und wird durch die Übernahme der Kosten durch die Krankenkassen sogar indirekt noch gefördert. Die Politik macht es uns vor.

Vorbilder sind und bleiben wichtig für den Menschen, nicht nur in der Familie sondern auch in der Gesellschaft, die nur das schaffen kann, wozu die Politik sie befähigt und auch vorlebt. Wozu zahlen Bürger denn “Steuern”, wenn sie in die falsche Richtung “gesteuert” werden? Warum ehrt der Bundespräsident denn regelmäßig Bürger, die sich auf vorbildliche Weise gesellschaftlich engagierten? Der Politik geht’s heute nur noch um Macht und Geld und nichts anderes. Sie beschimpfen sich gegenseitig und vermitteln nach außen weder den Eindruck von Einigkeit noch Verantwortungsbewußtsein, aber hinter den Kulissen umarmen sie sich. Werden wir die bevorstehende Bewährungsprobe noch überstehen oder steuern wir auf Sodom und Gomorra zu?

Ein wichtiger Indikator für eine gute funktionierende Gesellschaft war schon immer die Geburtenrate. Ein Land, das Schwulen und Lesben einen höheren Stellenwert einräumt als der normalen traditionellen Familie, ist zum Scheitern verurteilt und stirbt aus. Wer den tausenden Teilnehmern am jährlichen „Berliner Marsch für das Leben“ vermutlich kichernd von oben durch die Glasscheibe des Bundeskanzleramts zuschaut, sich dann aber nicht blicken läßt, ist des Regierens eines ganzen Volkes unwürdig. Und wer er an Christoper Street Day vor seinem Ministerium demonstrativ die Schwulenfahne hißt, bekämpft die institutionelle Familie und ist des Titels “Familienministerin” auch nicht würdig. Das sind die heutigen Vorbilder, und dabei steht uns noch Schlimmeres bevor.

Ab 2020, so warnt sogar das Statistische Bundesamt, droht in Deutschland ein Absturz der Geburtenraten, denn, mal ganz abgesehen von den mehr als 100.000 jährlichen Abtreibungen, “leisten sich” schon seit Jahrzehnten die Bürger hierzulande viel zu wenig Kinder. Unter Akademikerinnen ist mittlerweile fast jede dritte Frau kinderlos. Somit sind viele Frauen, die demnächst Nachwuchs bekommen könnten, nie geboren worden. Es ist eine Spirale ohne Ende, die inzwischen nur noch durch den Zuzug von (männlichen?) Muslimen kompensiert werden kann, womit wir auch schon bei der Gegenwart angekommen wären.

Zerschlagung der Familie
Diese Entwicklung entstand nicht über Nacht und war klar absehbar. Aber die Politik setzte bei ihrer linken Genderpolitik auf die Zerschlagung der Familie und die Kirchen machten mit. Irgendwann mußte die Rechnung also kommen, und nun liegt sie auf dem Tisch. Wenn ein Altkanzler Schröder sich ganze viermal scheiden läßt, dann aber meint, großväterlich und barmherzig auch noch ein russisches Kind adoptieren zu müssen, stimmt doch mit den Vorbildern was nicht.

Als ich gestern durch ein rheinland-pfälzisches Dorf fuhr, fiel mir ein Wahlplakat der AfD “Kinder willkommen” auf. Welche Partei wirbt heute noch mit echter Familienpolitik? Paßt das nicht ausgezeichnet auch zu den konzertierten Diffamierungen und die offene Hetze gegen diesen politischen Neuling AfD, damit die Parteien ihre bisherige Schmusepolitik mit jeder noch so kleinen Minderheit der Wählerstimmen fortsetzen können?

Ein Land kann das nur eine gewisse Zeit lang aushalten, aber über die Jahre sind durch die vielen faulen Kompromisse irgendwann auch die letzten Moralreserven aufgebraucht, und es bleibt an Werten kam noch was übrig. Wir brauchen dringend eine Werte-Renaissance.
Wenn wir dieses Projekt über eine moralbasierte, wesentlich bessere Politik nicht schon bald freiwillig anpacken, wird es uns von außen aufgezwungen. Ich jedenfalls möchte diesen Tag nicht mehr erleben.
Gott, schenke uns wieder Vorbilder!
www.conservo.wordpress.com
17.02.2016

Über conservo 7863 Artikel
Conservo-Redaktion