Von Peter Helmes
Das Ergebnis der gestrigen Kommunalwahlen in Hessen mag manche überraschen, mich nicht. Es war deutlich abzusehen, daß der allgemeine Trend – in den letzten Wochen mit zunehmender Intensität – in Richtung AfD ging. Alte Wahlkampfhasen wissen, daß es eine (unausgesprochene) Wahrheit gibt: Die Verteufelung des politischen Gegners führt in aller Regel zu dessen Stärkung – was sich nun in Hessen wieder einmal bewies.
Aktuelle Umfragen hatten der AfD in Hessen landesweit rund zwölf Prozent Wähleranteil zugetraut. Das Endergebnis wird vermutlich noch deutlicher – ein Schock für die etablierten Parteien in Hessen: Vielerorts zweistellige Ergebnisse für die AfD bei den Kommunalwahlen im Land – ob in Wiesbaden oder Fulda, Kassel oder Darmstadt. Selbst in der fünftgrößten deutschen Stadt Frankfurt am Main erreichen die Alternativen rund zehn Prozent Stimmenanteil – die Wahlprognosen lagen in der Mainmetropole bei sechs Prozent.
Thorsten Schäfer-Gümbel im HR-Fernsehen zum Vormarsch der AfD: „In den Kreistagen und kreisfreien Städten werden sie einziehen und zwar auch mit hohen Ergebnissen. Das ist sehr bedauerlich, und die Auseinandersetzung mit den Rechtspopulisten wird uns in den nächsten Jahren weiter fordern. Das Land muss zusammengehalten werden.“
Der Gießener Helge Braun, CDU-Staatsminister im Bundeskanzleramt und dort für die Koordination der Flüchtlingspolitik von Bund und Ländern zuständig, verbarg seine Enttäuschung über die AfD-Wahlerfolge in seiner Heimatregion im HR-Fernsehen nicht: „Also, wir müssen den Trend ja nochmal abwarten, die etablierten Parteien haben durch Kumulieren und Panaschieren meistens in den Auszählungen nochmal einen positiven Trend, aber wenn die AfD flächendeckend in die kommunalen Parlamente kommt, dann ist das für unsere kommunale Arbeit natürlich sehr, sehr unangenehm.“
Wegen der neuen Stärke der AfD sind Regierungsbildungen auf kommunaler Ebene in vielen hessischen Städten nun wesentlich schwieriger geworden. In Darmstadt haben sich zwar die Grünen mit mehr als 30 Prozent Stimmenanteil deutlich als stärkste politische Kraft behauptet. Darmstadt ist bisher einzige Kommune in Hessen mit einem grünen Oberbürgermeister, die Ökopartei war nach ihrem Wahlsieg 2011 ein Bündnis mit der CDU eingegangen.
Doch weil auch in Darmstadt die AfD zweistellig werden könnte, muß sich das grün-schwarze Bündnis voraussichtlich einen weiteren Koalitionspartner suchen. Vor ähnlichen Problemen stehen nun die Lokalpolitiker etwa in Kassel oder Wiesbaden. Selbst in der Universitätsstadt Gießen liegt die AfD bei rund 15 Prozent und damit nur wenige Prozentpunkte hinter der CDU.
Kompliziertes Wahlsystem
Weil in Hessen die Wähler ihre Stimmen splitten können – das sogenannte Kumulieren und Panaschieren – ist die Auszählung der Stimmen aufwendig, und es wird bis zum endgültigen Wahlergebnis noch bis Mittwoch dauern.
Erfolg Martin Hohmanns
Für die traditionell in Fulda starke CDU ist auch der dortige zweistellige Wahlerfolg von Martin Homann sehr unangenehm. Hohmann, AfD-Spitzenkandidat in Fulda, war ehemals CDU-Bundestagsabgeordneter. Eine als antisemitisch bewertete Rede Hohmanns 2003 hatte letztlich zu seinem Ausschluss aus der CDU geführt: “Wir geben, in dem wir hier antreten, einfach ein Zeichen nach oben. Wir sagen, es ist eine große Unzufriedenheit im Volk. Und diese Unzufriedenheit mußs transportiert werden nach oben.”
Äußerst niedrige Wahlbeteiligung
Bei der vergangenen Kommunalwahl 2011 war die AfD noch nicht angetreten. Damals lag hessenweit die CDU mit 33,7 Prozent vor der SPD mit 31,5 Prozent, die Grünen erzielten kurz nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima ein Ergebnis von 18,3 Prozent. Auch die niedrige Wahlbeteiligung könnte den Rechtspopulisten zu Gute gekommen sein: Sie lag etwa in Frankfurt am Main nur noch bei 37 Prozent – ein historischer Tiefststand.
(Quelle: Ludger Fittkau, http://www.deutschlandfunk.de/kommunalwahlen-in-hessen-afd-vielerorts-zweistellig.1773.de.html?dram:article_id=347622 – Stand: 5 Uhr)
„Kurz nach 20 Uhr lag die CDU bei 24,4%, die Grünen bei 14,6%, SPD 23,6% und vierte Kraft die AfD bei 11,2%, vor den Linken 8%. In Bad Karlshafen (Kassel), wo das erste Trendergebnis vorliegt, lag die AfD als zweitstärkste Partei bei 22,3%. Auch in Neu-Isenburg, Kassel, Offenbach oder Darmstadt sieht es sehr gut für die AfD aus. In Grävenwiesbach (Hochtaunuskreis) überholte die AfD (21,9%) sogar die CDU (20,0%). Der Kommentar von Landrat Ulrich Krebs zum Erstarken der AfD im Hochtaunuskreis: „Das ist das Ergebnis der Bundespolitik.“ (Liveticker bei hessenschau.de)
Es wird noch spannender am nächsten Sonntag! Nachtruhe gestrichen! Eines sollten die „etablierten“ Parteien sofort ändern: ihr Verhalten zur AfD. Die Verteufelung dieser Alternative kommt beim Wähler nicht an – und ersetzt im Übrigen auch nicht fehlende Argumente. Wir werden sehen. Der Wähler ist nicht so dumm, wie offenbar einige Alt-Parteimenschen glauben machen wollen.
- März 2016