„Harmonie der Speichen“ – ein ganz außergewöhnliches Reisebuch

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Rezension von Frank Meyer: “Eine Fahrradtherapie für Unternehmer und Manager“

Hier soll nicht die Rede sein über die gesundheitlichen Probleme der zahllosen Unternehmer und Manager, die an Herzinfarkt, überhöhtem Blutdruck und an Zivilisationskrankheiten gestorben – oder nicht weit davon entfernt sind.

Hier soll die Rede von einem sein, der es – auf die einfachste Art und Weise – geschafft hat, nicht nur all diesen Zivilisationskrankheiten die Rote Karte zu zeigen, sondern sich währenddessen noch einmal völlig neu zu erfinden . Als Reisebuchautor.

Es ist ganz einfach, meine Damen und Herren aus jenen gestressten Kreisen, die ihre Unternehmen “im Erfolg” halten müssen:

Hören Sie einfach einmal auf.

Nehmen Sie sich ein normales gutes Fahrrad, hängen Sie zwei wetterdichte Gepäckträgertaschen dran. Tun sie dort alles rein, was Sie glauben, in acht Wochen auf einfachstem Niveau zu benötigen. Schauen Sie sich die Karte Europas an und wählen Sie eine 4000 – Kilometerstrecke aus, am besten in Küstennähe.

Schauen Sie sich alle Orte an, die auf dieser Strecke liegen, am besten in Abständen zwischen 60 und 120 Kilometern pro Tag. Und was für Hotels und Gaststätten in diesen Orten liegen. Schreiben Sie sich diese alle auf, und legen Sie sich einfach so eine Hotel – zu – Hotel Route fest.

Kaufen Sie sich einen Fahrradnavigator mit allen Europakarten und regendichte Fahrradklamotten, zugehörige Falt – Karten, ein gutes Smartphone für Hilferufe, eine ordentliche Kamera und ein dickes Notizbuch für Ihre viele täglichen Tagebucheintragungen !

Rufen Sie dann all ihre Stellvertreter zusammen und verheißen Sie ihnen hinreichend Streicheleinheiten, da sie von nun an – ab Tag X (!) 8 Wochen lang Ihren Job ( !!! denn Sie sind nicht unersetzbar!) tun müssen.

Machen Sie eine Abschiedsparty für Frau, Kind, Katze, Hund und Mitarbeiter, und hören Sie sich genüßlich die düsteren Untergangsszenarien und Sarkasmen ihrer Lieben an, die Ihnen alle ein schreckliches vorzeitiges Ende prophezeien werden !.

Am nächsten Tag jedoch setzen Sie sich auf Ihr Fahrrad und fahren Sie los – und nach zwei Tagen haben Sie ihr ganzes bisheriges Leben vergessen.

In den kommenden Jahrzehnten werden wohl Zehntausende folgen – denn Europa ist wirklich ein ungeheuer zivilisiertes – Abenteuer!

Einer hat es gemacht.

Er heißt Frank Meyer, und hatte eine jener schwierigen DDR – Biografien, wie sie dort Menschen hatten, denen die Freiheit nun einmal lieber als die ständige Anpassung ist.

Nach drei Jahren Kampf gelang ihm die “genehmigte” Ausreise – und er konnte sich in Berlin nicht nur in dem Beruf selbstständig machen, den er in der DDR einst erlernte: Den des Oboenbauers.

Sondern er konnte – in der wilden westlichen Marktwirtschaft – sogar einer der besten werden! Und seine Instrumente weltweit verkaufen.

Das wird einem nicht geschenkt.

Denn in der Welt gibt es nicht nur viele anspruchsvolle Orchester – sondern noch anspruchsvollere und egomanische Künstler. Er mußte alle ihre Affinitäten bestanden haben, denn heute verkauft er mit seinem Partner seine Instrumente in alle Welt – und trotz aller Feilscherei – wird zum Schluss doch immer der Preis bezahlt, den er haben will. Ob in Rußland, China oder Brasilien. Und das tut ein Kunde nur, dem letztendlich alles egal ist – weil er das Instrument haben will.

Und dann hat er einfach mal so “Ade” gesagt, und sich 8 Wochen auf einen Fahrradtrip begeben.

Der ihn an der Ostsee entlang – von Finnland – von Helsinki bis nach Spanien, nach San Sebastian führte. Über Litauen, Lettland, Estland Rußland ( Königsberg!), Polen, Deutschland, Holland, Belgien, Frankreich ( Cognac, Bordeaux ) bis nach Spanien ( San Sebastian). Über 4000 Kilometer mit einem einfachen guten Fahrrad.

Über viele gute, aber auch schlechte Fahrradwege, Höhen und Tiefen, Sonnen- und Regenwetter, und durch unvergeßliche Orte und Begebenheiten, ein “touristischer Normalo” niemals erleben wird. Und viele, viele Länder und Kulturen – unterschiedliche Gastronomien mit ihren vielen Befindlichkeiten – der Autor hätte auch noch gleich ein Gastronomiebuch schreiben können!

Zum Schluss war er – immerhin schon fast sechzig, in körperlicher Höchstform, wog fast 15 Kilo weniger, und seine “Arbeitsakkus” waren für die nächsten Jahre voll aufgetankt. Das schafft keine Managertherapie, wie opulent sie auch immer in der Werbung inszeniert werden mag.

Vor allem hatte er erlebt, daß in Europa die meisten Menschen großartig, zivilisiert und hilfsbereit sind und auch auf diese Weise über die Runden kommen wollen.

Was ja für die europäische Idee spricht, wenn auch erhebliche Meinungsverschiedenheiten über deren Umsetzung bestehen.

Besonders auffallend ist: Normale Reisebuchautoren schildern kaum mehr als ihre “Reisebegebenheiten”. Oft gehen sie auch auf die politischen und historischen Hintergründe ein – in den wenigsten Fällen aber berichten sie über sich selber.

Zum Glück war unser Reisebuch – Autor kein solcher Profi, denn wir erfahren sehr viele Begebenheiten auch aus seinem Ostwest – Leben, und diese geben der ganzen Lektüre noch einen besonderen Reiz, für den fast jeder Leser dankbar sein wird, da Ossiland mehr und mehr im Nirwana verschwimmt.

An dieser Stelle möchte ich aber nichts von all dem verraten, sondern nur dringlich anregen, dieses Buch zu erwerben.

Und sich zu eigenem Nachdenken zu veranlassen. Vor allem, wenn das Arbeitsleben von stressintensiven Situationen geprägt ist, könnte sich hier eine begeisternde und überzeugende Alternative ergeben.

Dank an Wolf Deinert für den tollen Tip!

Ludwig Frank : “Harmonie der Speichen”. Eigenverlag. Oktober 2014; ISBN : 978-3-00046919-0; 14,00 €; Erwerb beim Autoren. Mailadresse: music@frankundmeyer.de; Post: Ludwig Frank & Frank & Meyer GbR, E-Mail music@frankundmeyer.de

Schulstraße 4, 13187 Berlin (Pankow), Telefon 030 / 494 8188, Fax 030 / 494 7953

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  1. April 2016
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