Von Peter Helmes
Ostzonenflüchtlinge – von der westdeutschen Politik verraten Vor der „Wende“ haben viele Deutsche die DDR „verlassen“ – im Klartext: Sie sind geflohen oder wurden aus der Haft freigekauft oder abgeschoben. Die meisten von ihnen haben alles verloren – ihre Heimat, oft auch ihre Familien, Freunde und Hab und Gut. (Die Interessenvertretung dieser „Ostzonenflüchtlinge“ – so heißen sie amtlich – spricht von etwa 250.000 Menschen.) Ich habe schon in vielen Artikeln darauf hingewiesen, z. B. hier: https://www.conservo.blog/2016/01/26/fluechtlinge-alt-deutschland-millionen-euro-gestrichen-fluechtlinge-neu-islam-afrika-milliarden-euro-hinzu/ (mit weiteren Links zu meinen Artikeln).
Sie wurden ganz selbstverständlich Bürger der Bundesrepublik Deutschland, mit allen Rechten und Pflichten, was auch für ihre nun westdeutsche Rentenversicherung galt. Sie waren tief getroffen, als sie nach der Wende eiskalt zurückgestuft wurden (auf DDR-Niveau). Dadurch gingen ihnen hohe Rentenansprüche verloren (bis zu monatlich 500-600 Euro). Niemand hatte sie über diesen „Rentenbetrug“, wie sie es nennen, vorab informiert, niemand konnte eine entsprechende Gesetzesänderung vorweisen – niemand in der Politik hatte eine Erklärung dafür. Stattdessen erfahren sie Zynismus satt – und nicht gehaltene Versprechen!
Beeindruckende Demonstration am Mittwoch, dem 13. April 2016, im Berliner Regierungsviertel Die Betroffenen, die sich im Verein IEDF organisiert haben, wollten durch eine offene Demonstration auf den Betrug hinweisen. Das ist ihnen gelungen. Bitte lesen Sie die folgenden Berichte:
Berlin, 14.03.2016/cw – Der Unmut war geradezu physisch zu spüren, als sich vor dem Ministerium für Arbeit und Soziales um die 200 ehemalige Flüchtlinge und Übersiedler aus der einstigen DDR einfanden, um mit einem Protestmarsch durch Berlins Mitte gegen den Rentenbetrug zu protestieren.
Die damalige Kohl-Regierung hatte ohne Einschaltung des Parlamentes in einer Anweisung über das Sozialministerium an die Rentenversicherung festgelegt, dass Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) vom 18. Mai 1990 auch auf alle ehemaligen DDR-Bürger anzuwenden, die vor dem Mauerfall in den Westteil Deutschlands geflüchtet oder übergesiedelt waren. Nach den Zusicherungen gegenüber diesem Personenkreis bei deren Eintreffen im freien Teil Deutschlands wurden deren Rentenansprüche nach dem Fremdrentengesetz (FRG) bewertet. Danach wurden alle Anwartschaften rentenrechtlich so behandelt, als ob diese im Freien Teil Deutschlands entstanden seien.
Rentenbetrug an den Lastenträgern der Spaltung Gegen diesen Rentenbetrug an den eigentlichen Lastenträgern der deutschen Spaltung, der erstmals im Januar 2012 zu nächtlicher Stunde im Deutschen Bundestag debattiert wurde, wandte sich in einem engagierten Beitrag der verstorbene Sozialpolitiker der SPD, Ottmar Schreiner. Schreiner verlangte die Korrektur und kündigte an, diese Verordnung aufzuheben, wenn die SPD wieder in Regierungsverantwortung stehen würde. Doch das scheint Schnee von gestern zu sein. Denn jetzt will die SPD von Schreiners Ankündigungen nichts mehr wissen. In der Regierungsverantwortung angekommen, stimmte sie kürzlich gegen die ursprünglich eigene Vorlage. Den jüngsten Antrag hatte die gegenwärtige Opposition aus Bündnis90/GRÜNE und LINKE im Wortlaut vom SPD-Antrag von 2011/2012 übernommen, trotzdem stimmte die SPD diesmal dagegen. Peinlicher geht’s nicht.
Grußwort von Markus Kurth MdB, Bündnis90/GRÜNE Der GRÜNE-Bundestagsabgeordnete Markus Kurth ging in seinem übermittelten Grußwort an die Demonstranten darauf ein, in dem er feststellte: „Die Grüne Bundestagsfraktion hat – gemeinsam mit den Linken – der SPD vor kurzem eine Steilvorlage geliefert, ihrem Versprechen nachzukommen. Wir haben den ursprünglichen SPD-Antrag aus der letzten Legislaturperiode erneut in den Bundestag eingebracht. Doch die Sozialdemokraten stellen sich quer.“ Kurth erinnerte daran, dass „ein gebrochenes Versprechen der Anfang des wirklich bewundernswerten Engagements vieler ehemaliger DDR-Übersiedler und –Flüchtlinge“ ist. „Den Altübersiedlern wurde damals zugesichert, dass ihre durch den Wohnortwechsel in die Bundesrepublik verloren gegangenen DDR-Rentenansprüche, über das Fremdrentengesetz kompensiert würden. … Darauf haben sie vertraut.“ Dieses Vertrauen, so der Bundestagsabgeordnete, sei erheblich verletzt worden: „Systematisch werden die ehemaligen Flüchtlinge wie DDR-Bürger behandelt.“ Dies sei nicht länger hinzunehmen, betonte Kurth und forderte namens seiner Fraktion, „dass die Rentenansprüche der DDR-Flüchtlinge und –Übersiedler künftig nach den Tabellenwerten des Fremdrentengesetzes zu bewerten sind.“ Bedauernd stellte der Abgeordnete und einstige rentenpolitische Sprecher seiner Fraktion fest, dass dies „die Sozialdemokraten bis vor wenigen Jahren noch sehr ähnlich“ sahen.
Demonstration wichtiger Baustein Kurth: „Doch nun werden gerade die Menschen durch die Wiedervereinigung benachteiligt, die aus der DDR geflohen sind.“ Abschließend versicherte der Bundestagsabgeordnete in seinem Grußwort, das leider zu spät an die Veranstalter übermittelt wurde und daher nicht auf der Kundgebung verlesen werden konnte: „Die Grünen stehen weiterhin hinter den DDR-Übersiedlern und –Flüchtlingen. Lassen Sie uns den Druck auf die Bundesregierung aufrechterhalten. Diese Demonstration ist dabei ein wichtiger Baustein.“
Das sahen die teilweise weither aus Bayern, NRW, Niedersachsen und weiteren Bundesländern angereisten Protestler wohl ähnlich. Mit geistreichen und kreativen Plakaten und Transparenten zogen sie vom Nahles-Ministerium über Schäubles Finanzministerium und dem Potsdamer Platz am Brandenburger Tor vorbei zum Reichstag. Neben Sprüchen wie „Die Renten sind sicher – falls wir sie nicht nachträglich verändern“ oder „SbZ/DDR-Flüchtlinge: Vermerkelt und verschäubelt“ wurden auch massive Vorwürfe formuliert: “Wer hat uns verraten? – Ist mit Ottmar Schreiner Euer Gewissen gestorben?““ Vor dem Bundeskanzleramt endete der Protest nicht ohne laute BUH- und Betrüger-Rufe nach zwei Stunden um 16.00 Uhr.
An den jeweilige Haltepunkten kamen die Veranstalter, hier insbesondere Wolfgang Graetz als Initiator und Dr. Wolfgang Mayer (Speyer, Forum FLUCHT und AUSREISE) zu Wort. Letzterer hatte es sich trotz schwerer Erkrankung nicht nehmen lassen, eigens zur Demo aus Speyer anzureisen. Der Vorsitzende der Vereinigung 17. Juni hielt ebenfalls kurze Ansprachen, wie auch Teilnehmer persönlich zu Wort kamen. Ernst O. Schönemann hatte zu Beginn der Demo den Vorsitzenden der UOKG, Dieter Dombrowski, entschuldigt, der aus Krankheitsgründen verhindert war und betont, dass der Dachverband diese Demonstration und das dahinter stehende Anliegen voll unterstütze.
Kommentar: Außer Spesen nichts gewesen? Wenn man das Echo in den Medien einbezieht, könnte man diesen Eindruck haben. Nur der KURIER berichtete mit der Anführung persönlicher, durch den Rentenbetrug besonders betroffener Schicksale und zahlreichen Fotos über die Demo der sich als betrogen fühlenden ehemaligen DDR-Bürger. Andere Zeitungen, wie z.B. Berliner Zeitung oder TAGESSPIEGEL, berichteten zwar in großer Aufmachung über die neue „Rentenkrise“, der praktizierte Betrug an den einstigen Flüchtlingen war den Autoren ebenso keine Zeile wert wie der SPD ein Wort der Erklärung oder des Bedauerns über ihren rüden Wortbruch. Da verwundert es nicht, wenn solcherart Betrogene sich von den bisher etablierten Parteien abwenden und ihr Heil womöglich bei der AfD suchen.
Die Verbände allerdings sind an dieser Entwicklung nicht ganz unschuldig. Statt sich dieser Themen zu einer Zeit anzunehmen, als diese noch zahlenmäßig Kampagne-fähig und -willens waren, stürzten die sich lieber in Auseinandersetzungen untereinander, verwickelten sich in Skandale um fragwürdige Äußerungen und den dubiosen Umgang mit anvertrauten Geldern. Die VOS hatte wenigstens einen Bus für Gehbehinderte organisiert und zuvor in ihrem Vereinsblatt für eine Teilnahme ihrer Mitglieder geworben.
Die behauptete Unterstützung z.B. durch den Dachverband stellte sich anders dar. Auf der UOKG-Seite wurde lediglich die Presseerklärung der Veranstalter eingestellt. Einen Aufruf zur Beteiligung an die über 30 Mitgliedsverbände suchte man vergebens. Unterstützung sieht anders aus. Auf der Strecke ob solcher internen Unstimmigkeiten blieben (wieder einmal) die Anliegen der Betroffenen, die auf diese Art zweimal betrogen wurden: Von der Politik und ihren eigenen Funktionären.
Außer Spesen also nichts gewesen? Wer die Zustimmung durch vor allem junge Leute bemerkt hat, die den Demonstranten unverhohlen und offen vom Rande aus Beifall zollten, wer die Freude unter vielen Beteiligten registrierte, die diese Solidarität untereinander wie kurz vor dem Verdursten Stehende einsogen, der mochte den Eindruck mitnehmen, dass derartige demokratische Proteste gerade auch durch die einstigen Flüchtlinge wichtig, ja unverzichtbar sind. Solange sich Menschen für Anliegen gegen alle Widerstände engagieren, ist die Demokratie nicht verloren. Und damit auch nicht der Kampf gegen den Rentenbetrug. V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Tel.: 030-30207785 (1.102) https://17juni1953.wordpress.com/2016/04/14/ddr-fluechtlinge-kreativer-protest-gegen-rentenbetrug/ *********************
„text030“ kommentiert: DDR-Flüchtlinge demonstrierten am 13. April 2016 in Berlin gegen den Rentenbetrug der Bundesregierung
Auch 27 Jahre nach der sog. Wende(hälsezeit) sind die FRG-Ansprüche von DDR-Flüchtlingen und -Übersiedlern ungeklärt // So hieß es denn u.a. auch:„SbZ/DDR-Flüchtlinge: Vermerkelt und verschäubelt“
Der Umgang mit DDR-Flüchtlingen und -Übersiedlern in Bezug auf die FRG-An(Ab)erkennung ist derzeit nicht das einzige Armutszeugnis der Bundesregierung, aber ein besonders beschämendes, wenn man es im Kontext der aktuellen Flüchtlingspolitik betrachtet. Denn am Geld kann es ja nicht liegen…, vielmehr fehlt der politische Wille. Worum geht es? Dazu schreibt die Vereinigung 17. Juni 1953 e.V.:
“Die damalige Kohl-Regierung hatte ohne Einschaltung des Parlamentes in einer Anweisung über das Sozialministerium an die Rentenversicherung festgelegt, das Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) vom 18. Mai 1990 auch auf alle ehemaligen DDR-Bürger anzuwenden sei, die vor dem Mauerfall in den Westteil Deutschlands geflüchtet oder übergesiedelt waren. Nach den Zusicherungen gegenüber diesem Personenkreis bei deren Eintreffen im freien Teil Deutschlands wurden deren Rentenansprüche nach dem Fremdrentengesetz (FRG) bewertet. Danach wurden alle Anwartschaften rentenrechtlich so behandelt, als ob diese im Freien Teil Deutschlands entstanden seien…” (Quelle: Vereinigung 17. Juni 1953 e.V.)
Im Zuge der Wiedervereinigung wurden die ehemaligen DDR-Flüchtlinge und -Übersiedler, ohne sie darüber zu informieren, wieder zu “DDR-Bürgern” gemacht und die FRG-Ansprüche aberkannt.
Etwa 200 Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet nahmen trotz Alters und Krankheit an der Demonstration, die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales zum Kanzleramt führte, teil. Der Unmut der Betroffenen war ebenso präsent wie auch die Entschlossenheit, das Unrecht endlich zu beenden. Die Medien wie auch Vertreter der Politik zeigten erneut die bekannte klassische Abstinenz. Lediglich der GRÜNE-Bundestagsabgeordnete Markus Kurth übermittelte den Demonstranten ein Grußwort, das die Teilnehmer leider aber nicht mehr erreichte. Markus Kurth schreibt:
„Den Altübersiedlern wurde damals zugesichert, dass ihre durch den Wohnortwechsel in die Bundesrepublik verloren gegangenen DDR-Rentenansprüche, über das Fremdrentengesetz kompensiert würden. … Darauf haben sie vertraut.“
Er versicherte, sich weiterhin für die DDR-Flüchtlinge und -Übersiedler einzusetzen.
Die Enttäuschung der Betroffenen durch die Rententäuschung fand klare Worte wie: „SbZ/DDR-Flüchtlinge: Vermerkelt und verschäubelt“
Ein Teilnehmer brachte seinen Zorn als DDR-Flüchtling auf den Punkt: “Frau Merkel kommen Sie raus, hier können Sie Selfies mit Flüchtlingen machen“. Weder Vertreter vom Bundesmisterium für Arbeit und Soziales, dem Bundesministerium der Finanzen noch vom Kanzleramt suchten das Gespräch mit den Betroffenen. So blieben sie auch an diesem Tag Flüchtlinge 2. Klasse. Der Hubschrauber der Kanzlerin landete während der Kundgebung am Kanzleramt – vielleicht hatte Frau Merkel aus luftiger Höhe Gelegenheit, diejenigen zu sehen, die ihr die Kanzlerschaft ermöglicht haben. Denn ohne die streitbaren politisch Verfolgten der DDR, Flüchtlinge und Übersiedler und ihren Kampf gegen die DDR-Diktatur hätte es weder die Wiedervereinigung noch eine Kanzlerin Merkel gegeben. Darauf machten auch zahlreiche Transparente mit klaren Ansagen an die ehemalige FDJ-Agitatorin der DDR aufmerksam.
Das gebrochene Recht ist weit mehr als nur beschämend. Es hat Protagonisten, die der Öffentlichkeit und den Betroffenen erklären müssen, was seinerzeit offenbar politisch gewollt zu dem Rechtsbruch führte – und es besteht die Pflicht, das Unrecht endlich zu beenden. Das betrifft über das FRG-Thema hinaus auch die Entschädigungs- und Rehabilitierungsverfahren.
Ja, schämt Euch! Insbesondere vor dem Hintergrund notwendiger Debatten zum Asylmissbrauch, sollte der Rechtsstaat Menschen, die ihre Heimat aus politischen Gründen verlassen mussten – oder aktuell müssen – zustehendes Recht auch gewähren. Rechnet man den Missbrauch dagegen, kann die Gesellschaft nur gewinnen, auch der Finanzminister. (Quelle: https://text030.wordpress.com/2016/04/15/ddr-fluechtlinge-demonstrierten-am-13-april-2016-gegen-den-rentenbetrug-der-bundesregierung/ )
Weiterführende Links:
Aufruf zu einer Demonstration am 13. April 2016
Veranstaltung der CDU: 25 Jahre nach dem Mauerfall: Wie erinnern wir? // Berlin, 04. November 2014
“Verborgene Wunden” // Von Dr. Karl-Heinz Bomberg (Hg.)
Vereinigung 17. Juni 1953 e.V. // DDR-Flüchtlinge: Kreativer Protest gegen Rentenbetrug
- April 2016