Islam und “Das Elend der Christdemokraten”

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Von altmod ***)

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Politiker der AfD haben mit ihren islamkritischen Aussagen im Vorfeld zu ihrer Programmfindung wohl einen Nerv der regierenden – oder nur noch „mitregierenden“ – CDU getroffen. Sowohl Frau Merkel und ihr Laletiker*) Peter Tauber sahen sich aktuell genötigt, hierzu Stellung zu nehmen.

„Die Praxis hat gezeigt, dass die übergroße Mehrzahl der Muslime hier im Rahmen des Grundgesetzes ihre Religion ausübt.“ Wenn das nicht der Fall sei, würden die Sicherheitsbehörden über eine Beobachtung entscheiden. „Aber der Regelfall und die übergroße Mehrheit entsprechen genau dem, was wir im Grundgesetz verankert haben“, betonte Merkel laut SZ (http://www.sueddeutsche.de/news/panorama/religion-cdu-weist-anti-islam-vorstoss-der-afd-scharf-zurueck-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-160418-99-630279).

So, so … Frau Merkel verlässt sich auf die Beobachtung der „Sicherheitsbehörden“ und den „Regelfall“. Beobachtung durch die Sicherheitsbehörden wird aber hiesig wohl von der Regierung angeordnet, und die Vorstellung, die jemand vom Wesen des Menschen hat,wird im „Regelfall“ von ihr definiert.

Ihr Schwindelhelfer Peter Tauber hat sich dazu im Morgenmagazin des Staatsfunks äußern dürfen (http://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/morgenmagazin/videos/cdu-generalsekretaer-tauber-grenzt-union-klar-von-afd-ab-100.html).

Er beteuerte: „Wir haben viele Millionen Deutsche, die muslimischen Glaubens sind. Denen zu unterstellen, sie können nicht beides sein: Muslime sein und gute deutsche Bürger, das, finde ich, ist schon ein starkes Stück.“. Dennoch, beim Thema innere Sicherheit sei eine „offensive Auseinandersetzung“ zu führen, „ohne dass die Union einen neuen Standort suchen muss“…

„Der Platz der CDU ist und bleibt in der Mitte“ und „über allem steht das christliche Menschenbild.“

Wie sagte einst Franz Josef Strauß: „Es gibt eine normative Kraft des Faktischen. Sie ist mächtig und unter Umständen gefährlich. Aber es gibt keine faktenersetzende Kraft des Phraseologischen.“

Was die AfD in ihren Programmerwägungen ausdrückt, unterstellt nach meiner Ansicht nicht per definitionem, dass Muslime nicht „gute deutsche Bürger“ sein könnten. Dass der Islam nicht nur als Religion, sondern als ein politisches System und Ideologie gesehen werden muss, wird aber von der CDU wie von vielen angeblich „christlichen“ Amtskirchensprechern ausgeblendet.

Tauber gibt ein Eingeständnis, indem er ausführt, dass beim Thema Innere Sicherheit eine „offensive Auseinandersetzung“ zu führen sei. Das bestätigt uns, dass man hier im angeschnittenen Kontext wohl Versäumnisse notieren darf. Bei den von Merkel zitierten „Sicherheitsbehörden“ oder bei der CDU-geführten Regierung?

Es sei der CDU und ihrem Sprecher gestattet, ihre Position als die der Mitte selbst zu definieren, auch wenn die Fakten im politisch-historischen Kontext etwas anderes belegen und darum bleibt es Wortgeklingel.

Bleiben wir beim sonstigen Wortgeklingel des „Generals“: „ … über allem steht das christliche Menschenbild.“

Wo ist denn in Programmatik und in der Tagespolitik der CDU noch erkennbar, was unter dem „christlichen Menschenbild“ – im Gegensatz zum marxistischen oder einem säkular humanistisch geprägten Menschenbild – verstanden werden kann jenseits des “Phraseologischen”?

Die CDU umwirbt – aus wahltaktischen Gründen – angeblich „deutsche“ Muslime und hat solche bereits als Mandatsträger in ihren Kreisen. Sie sollen, folgt man den Ansichten des frommherzig Tauben, natürlich sich mit den „christlichen Werten“ identifizieren, so in einem Interview mit dem evangelischen Magazin Idea geäußert: (https://www.cdu.de/artikel/interview-von-cdu-generalsekretaer-peter-tauber-mit-ideaspektrum) .

Da bleibt trotzdem die Antwort offen, was ein gläubiger oder auch säkularer Muslim mit dem christlichen Menschenbild „am Hut haben“ kann und muss?

Ob die Vorstellungen, welche muslimisch geprägte Subjekte vom Wesen des Menschen haben, kompatibel sind mit den europäisch christlichen oder auch europäisch humanistisch geprägten?

Der angeblich christlich geprägte, sich meist nur akklimatisierend religiös gebende Generalsekretär sollte endlich zusammen mit seiner Partei das noch mutmaßlich werbewirksame Attribut „Christlich-Demokratisch“ endlich ablegen.

Bereits in den 70er Jahren beschäftigten sich konservative Denker mit der Position des Christlichen im Kontext sich solcherart sich nennenden Parteien. „Das Elend der Christdemokraten“**) hieß schon seinerzeit eine Publikation des Herder-Verlags. Der ingeniöse Herausgeber Gerd-Klaus Kaltenbrunner schrieb damals in einem nachdenkenswerten Editorial:

„Im Unterschied zum Brahmanismus, Judentum und Islamenthält die christliche Religion kein Gesellschaftsmodell und auch keinen ausgearbeiteten Kodex präziser sozialer Vorschriften. Auch aus der Bergpredigt läßt sich keine konkrete gesellschaftspolitische Ordnung ablesen; sie ist zu verstehen als Aufruf zu einer bestimmten Gesinnung und Haltung, nicht aber als Gesetzgebungsakt. Der Christ ist insofern, wie es immer wieder in den Briefen des heiligen Paulus heißt, „von der Knechtschaft des Gesetzes befreit”; er ist mündig und freigelassen, berufen zur Freiheit der durch Teilhabe an Christi Erlösungswerk befreiten Kinder Gottes. Detaillierte Vorschriften sozialer Pflichten, gar eine Verpflichtung zu einer bestimmten Staatsform widersprechen dem Geiste des Christentums; solches wäre, in einem religionsgeschichtlichen, nicht polemischen Sinne verstanden, eine Neuauflage des Pharisäertums.

So läßt die christliche Botschaft den Menschen einen weiten Spielraum bei der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten, der Wahl von Staatsform, Verfassung, Organisation der Wirtschaft. Es gibt keinen christlichen Staat, wie es auch keine christliche Ökonomie gibt; es gibt nur christliche Politiker und wirtschaftende Christen. Dies bedeutet eine ungeheure Entlastung: Weite Bereiche des gesellschaftlich-politischen Lebens sind freigegeben der menschlichen Vernunft und Aktivität. Diese Freigabe bedeutet aber auch eine ungeheure Belastung, da sie die Menschen auf sich selbst verweist, ihnen die Einsicht in die Kontingenz aller ihrer Schöpfungen zumutet, einschließlich der politischen. Wenn es sich aber so verhält, dann können die Umrisse einer vom Geist des Christentums inspirierten Politik nur ganz allgemein bestimmt werden. Zentral ist ihr personalistisches Menschenbild, wie es bereits im Schöpfungsbericht der Bibel aufleuchtet. Damit verbunden ist die Absage an jede totalitäre Denkweise und Praxis, an jede Vergötzung eines hypostasierten „Ganzen”, sei dieses Rasse, Klasse, Nation oder Staat. Verneint werden der Kollektivismus, die Utopie eines selbstherrlichen menschlichen Schöpfertums und die Vorstellung eines zwangsläufig ablaufenden geschichtlichen Prozesses. Diesen Verneinungen entspricht die grundsätzliche Anerkennung der elementaren moralischen Gebote, wie sie im Dekalog niedergelegt sind, auch für den Bereich politischen Handelns.“

Bei der Anbiederung an den Islam sollten angeblich christliche Politiker bedenken, welchen „Spielraum bei der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten, der Wahl von Staatsform, Verfassung, Organisation der Wirtschaft“ und „ welche Absage an jede totalitäre Denkweise und Praxis, an jede Vergötzung eines hypostasierten „Ganzen” nicht nur die anvisierten Parteigänger mit zu tragen bereit sind.

Man sieht bei der CDU keine Persönlichkeiten mehr, welche noch willens sind, in aufrechter und charakterstarker Weise eine wirklich vom Geist des Christentums inspirierte Politik zu leiten. Dazu ist es generell ein Problem in der Politik geworden, dass (besonders bei der CDU) keine charismatischen und intellektuell überzeugenden Führungspersönlichkeiten mehr zu finden sind.

„Keine Partei kann als bloßer Selbsterhaltungsverein auch nur eine Generation überdauern. Immer muß auch ein Glaube da sein, eine Idee, andernfalls auch auf den eindrucksvollsten politischen Erfolgen der Fluch innerer Nichtigkeit lastet. Zur Politik großen Stils gehört, was Alexis de Tocqueville „les croyances” genannt hat, Glaubenskraft, ideale Orientierungen und Überzeugungen. Ohne sie gibt es keine Autorität, und ohne Autorität keine Zukunft, die mehr wäre als eine öde Fortsetzung dessen, was ohnehin passiert.“

Gerd Klaus Kaltenbrunner.**                                                                                                              Das Zitat stammt von 1976 – von vor bald zwei Generationen. Erstaunlich, dass sich die CDU ohne „Glaubenskraft, ideale Orientierungen und Überzeugungen“ noch bei einer Wählergunst von etwa 30% halten kann und konnte.

Abstieg und letztendlicher Untergang dieser extremen, ja extremistischen Opportunistenpartei sind aber nicht nur für mich unübersehbar.

———————————————————————————————————- * Laletik: Sprechkunde                                                                                                                           ** „Das Elend der Christdemokraten“, Herderbücherei INITIATIVE 21,     Herder  München, 1977                                                                                                                       ***) „altmod“ ist Blogger (altmod.de), Facharzt und Philosoph sowie regelmäßiger Kolumnist bei conservo

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  1. April 2016
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