(www.conservo.wordpress.com)
Von Gundhardt Lässig
Der gleichgeschaltete Einheitsbrei unserer „Leitmedien“
Die Qualitätsmedien sind voll von Berichten über die „Affaire Gauland“: „Beleidigung von Boateng“. Nun hat sich auch die Bundesregierung eingeschaltet. Diese Beleidigung sei “niederträchtig”, ließ Kanzlerin Merkel ausrichten. Der betroffene Nationalspieler reagiert dagegen gelassen auf das “Nachbar”-Zitat des AfD-Politikers. (tagesschau.de)
Der marktkonforme Einheitsbrei
Nahezu täglich kann der aufmerksame Beobachter feststellen, wie da manipuliert wird, wie Fakten zurechtgebogen und Tatsachen ideologisch aufbereitet werden. Alles nach dem Motto: Wenn die Wirklichkeit nicht meiner Einstellung entspricht, umso schlimmer für die Wirklichkeit!
Der gleichgeschaltete Einheitsbrei unserer „Leitmedien“ Die Qualitätsmedien sind voll von Berichten über „Gauland hat Boateng“ beleidigt? Man kann auch sagen: Zeitgeist oder Mainstream, dem sogar ehemals seriöse Zeitungen wie die „Frankfurter Allgemeine“ inzwischen erlegen sind…
Zuvor eine kleine Presseschau:
In Kommentaren deutscher Zeitungen wurde Gauland heftig kritisiert. Hier ein Überblick:
►„Frankfurter Allgemeine Zeitung“: „Gaulands Vorgehen ist niederträchtig, weil er sein völkisch grundiertes Ressentiment hinter einer Maske der Sorge versteckt, allzu menschliche Ängste vor dem Fremden aufnimmt und sie gleichzeitig schürt.“
► „Süddeutsche Zeitung“: „Wenn widerliches Reden per se Straftat wäre, dann wäre Alexander Gauland ein Straftäter. Aber Meinungsfreiheit ist grundsätzlich auch die Freiheit der Rassisten. (…) Saudummes Gerede ist also nicht einfach nur saudumm; es ist gefährlich.“
► „Die Welt“ (Berlin): „Alexander Gauland reagierte auf die breite und massive Kritik an seinen Zitaten in der „FAS“ mit dem gängigen Lügenpresse-Schema. Das habe er so nicht gesagt und schon gar nicht gemeint. Doch in diesem Moment hatte er die Deutungshoheit bereits verloren. Ausgerechnet seine Chefin Frauke Petry hatte sich längst für ihn entschuldigt.“
► „Main-Echo“ (Aschaffenburg): „Unter den national gesinnten AfD-Wählern dürften viele Fans der deutschen Nationalmannschaft sein. Die großen Erfolge von Jogis Jungs sind aber ohne Spieler wie Mesut Özil, Sami Khedira und eben Jerome Boateng nicht denkbar. Anders als Gauland vermutet, hätte wohl mancher AfD-Anhänger solche Stars gern zum Nachbarn.“
► Westfälische Nachrichten“ (Münster): „Es fragt sich, wann die AfD für diese und ähnliche Gedanken vom Wähler die im Fußball gebräuchliche Rote Karte erhalten wird. Die von Lucke gegründete Alternative für Deutschland driftet unter Petry weiter nach rechts. Im Gepäck immer neue Entgleisungen, Phrasen, Angriffe und Hetze.“
► „Schwäbische Zeitung“ (Ravensburg): Das Gerede von AfD-Vize Gauland ist schlichtweg rassistisch. (…) Wenn sich Gauland dann auch noch hinter „den Leuten“ verschanzt, die angeblich dieser Meinung seien, so ist das anmaßend, feige und dumm.
► „Neue Osnabrücker Zeitung“: „Die Nationalmannschaft spiegelt eine gesellschaftliche Realität, der sich die AfD beharrlich verweigert: Deutschsein definiert sich nicht über Hautfarbe, Religionszugehörigkeit oder Textsicherheit bei der Nationalhymne. Nun behauptet Gauland zwar, sich nicht derartig über Nationalspieler Jérôme Boateng geäußert zu haben, wie berichtet wird. Aber das hat System bei der AfD: Erst den Skandal entfachen, um sich dann als Opfer einer Empörungsmaschinerie zu inszenieren.“
► „Westfalen-Blatt“: (Bielefeld): Die „Alternative für Deutschland“ wird immer mehr zur Zumutung für ein weltoffenes Deutschland. Die Partei scheint überhaupt keine Schamgrenzen mehr zu kennen.“
►Die Presse“ (Wien): „So perfide wie typisch fiel nun die Rechtfertigung des deutschen Rechtspopulisten aus: Er habe ja nur ‘die Einstellung mancher Menschen beschrieben’. Die übliche Maschinerie: Sorgen aufnehmen, schüren, aufnehmen, schüren – und so immer weiter hochschaukeln.“ (BILD-Online vom 30.05)
Hat Gauland wirklich Boateng beleidigt, oder war´s ganz anders?
„Gauland hat Boateng“ beleidigt? Das habe ich anders verstanden.
Gauland wird zitiert, „…die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben“.
Es kommt darauf an, über wen er hier spricht. Aber ich fürchte, dass er einfach Recht hat. Wenn hier jemand beleidigt wurde, dann doch wohl eher Leute, die angeblich nichts gegen Boateng als Nachbarn hätten und denen hier rassistische Ressentiments unterstellt werden. Die Wirklichkeit ist vermutlich ernüchternder.
Was „eigentlich“ gesagt wurde
Als die FAS die Schlagzeile gestern veröffentlichte, blieb allerdings völlig unklar, in welchem Kontext der Satz Gaulands stand. Über welche Leute wurde geredet? Über „das Volk“, auf das sich die AfD so gerne beruft? Über „die Deutschen“? Haben die FAS Leute nachgehakt und gefragt, was er eigentlich genau sagen will, wen er meint und welche Konsequenzen er aus seiner Beobachtung zieht?
Erst in der heutigen FAZ (30.5.) wird klarer, was da in einem Redaktionsgespräch gesagt wurde. Gauland äußerte sich – so heißt es heute – „zur Angst mancher Menschen vor dem Fremden“. Mit Blick auf diese Leute sagte er den Satz, in den dann alles Mögliche hineingedeutet wurde. Vom DFB bis zu Regierungsmitgliedern geht alles auf die Palme und bedient genau den Mechanismus, auf dem das politische Geschäftsmodell der AfD beruht: Es werden semantische Grauzonen aufgemacht, die in verschiedene Richtungen ausgedeutet werden können. Medien und Politik empören sich. Bei den PEGIDA-Leuten bleibt genau das hängen, was sie hören wollen. Und die AfD-Spitze kann mit bestem Gewissen klarstellen, dass sie doch etwas ganz anderes gesagt haben. In diesem Fall – so fürchte ich – haben sie Recht. Und zwar in jeder Hinsicht
FAS rudert zurück, und – etwas kleinlaut: ich auch
Unfassbar! Die FAS-Redakteure rudern zurück, nun gibt es wohl doch keine Bandaufnahme, sondern nur noch handschriftliche Notizen der umstrittenen Gauland-Äußerungen.
Auch ich rudere zurück. Ich hatte mich über Gauland empört, wie wahrscheinlich die halbe Nation. Jetzt empöre ich mich über den versuchten Rufmord zweier übereifriger Redakteure auf der Jagd. Ich hatte bisher felsenfest auf die Seriosität der FAS gebaut. Auch diese Gewissheit ist dahin.
Hierzu der Kommentar eines Facebook-Lesers:
„Ich hoffe, der BuVo (AfD) geht rechtlich generalstabsmäßig gegen die FAS vor. Die haben eine Bilderbuch-Kampagne zum Erfolg geführt mit ihrem falschen Zitat: Die EM wird mit der AfD verknüpft, des Deutschen liebstes Kind wurde besudelt. Bei jedem Spiel mit deutscher Beteiligung wird man dieses Zitat auspacken, und sicher lässt sich der bunte DFB schöne Aktionen im Stadion einfallen, irgendwelche Choreographien, die Boateng und AfD beinhalten, zum Beispiel. Das alles passiert aber nicht, wenn wir eine einstweilige Verfügung erwirken – am besten gestern schon…”
Schlußkommentar von conservo:
Ich stimme in weiten Teilen der Meinung des Autors Gundhardt Lässig zu.
Zu fragen bleibt allerdings A. Gauland, warum er sich überhaupt auf das Gespräch mit der FAS eingelassen hat – ohne Zeugen und ohne Aufzeichnung! Wenn es ein „offizielles“ Interview war, hätte Gauland sich den Text vorlegen lassen können. Ohne elektr. Aufzeichnung wäre das Unterbleiben eins Mitschnitts sonst äußerst fahrlässig, zumindest aber naiv. Aber Gauland ist ein gewiefter Polit-Fuchs, der es wissen müße.
War es aber ein in der Politik übliches „Hintergrundgespräch“ – was ich vermute –, dann hat die FAS gegen den Ehrenkodex, der bei solchen Gesprächen besonders gilt, grob und nahezu sträflich verstoßen: „Hintergrundgespräche“ sind grundsätzlich vertraulich, aus ihnen wird nicht zitiert. Würde dies hier zutreffen, käme dies dem journalistischen Offenbarungseid einer international ausgezeichneten Zeitung gleich, und die betroffenen Journalisten sollten sich (öffentlich!) entschuldigen.