(www.conservo.wordpress.com)
von Freddy Kühne *)
„Die Briten beanspruchen eine Sonderrolle. Ihre lange Tradition der Freiheitsrechte haben für einen Geschichtsmythos und ein emotionales Überlegenheitsgefühl gesorgt.“
(Historiker Roland G. Asch*1:frei zitiert)
Doch auch wir Deutschen haben eine lange historische Tradition in Europa: Das heilige römische Reich deutscher Nation begann im 9. Jahrhundert und währte bis 1806.
Bis dahin regierten gewählte Kaiser (aus Ostpreußen, den Niederlanden, Burgund, Luxembourg, Bayern und dem Haus Habsburg) aus den deutschsprachigen Fürstentümern und Adelshäusern über den Großteil Europas und auch über Rom.
Aus einem solchen Geschichtsbewusstsein heraus, braucht sich auch der Deutsche nicht verstecken und kann einen neuen gesunden auf historischen Tatsachen basierenden Patriotismus aufbauen.
Zumal moderne Historiker wie Christopher Clark (Die Schlafwandler) klar belegen, dass
die einseitige Kriegsschuldzuweisung an Deutschland nach dem ersten Weltkrieg historisch nicht nur nicht zu halten ist – sondern dass sie auch schlichtweg vollkommen falsch ist: der erste Weltkrieg war das Ergebnis miteinander verketteter politischer Ziele und Fehleinschätzungen der Nationalstaaten und ihrer Koalitionen: das nationalistische Serbien wollte ein Großserbien werden und die Habsburger aus Mazedonien vertreiben: daher bekamen sie Finanzhilfen und Waffenlieferungen aus Frankreich.
Denn die Franzosen wollten Habsburg und Deutschland kleinhalten – und suchten daher Unterstützung in Russland und England.
Deutschland wollte eigentlich keinen Krieg und gestaltete seine Aussenpolitik nach der Maxime, dass man die Beziehungen der Länder zu Deutschland und untereinander so gestalten müsse, dass sie automatisch dazu führen sollten, dass kein Land gegen Deutschland ins Felde ziehen könnte, ohne dabei die eigenen Interessen oder die Interessen eines Dritten zu tangieren.
Doch der Nationalismus der Serben und die Ausdehnungspolitik des Hauses Habsburg und dessen Annexion Mazedoniens (genehmigt durch den russischen Aussenminister Iswolski, der dies jedoch nicht mit anderen Moskauer Politikern abgestimmt hatte) führten unweigerlich zur Radikalisierung der serbischen Nationalisten und infolgedessen zur Ermordung des Wiener Thronfolgers – mit der bekannten Kettenreaktion die zum ersten Weltkrieg führte.
Der Versailler Vertrag – mit welchem Deutschland nach dem ersten Weltkrieg wider besseren Wissens die alleinige Kriegsschuld aufgebürdet wurde – ist ein Vertrag zur politischen und wirtschaftlichen Einhegung Deutschlands gewesen.
Genau dieselbe Aufgabe hatte die Einführung einer Eurowährung aus der Sicht Frankreichs.
Doch auch dieses Mal trifft Deutschland nicht die alleinige Schuld. Das Scheitern des Europrojekts liegt in seinen Anfängen begründet – als politisches Projekt zur Einhegung der Dominanz der deutschen Währung und der deutschen Wirtschaft: aus diesem Grunde forderten die Franzosen die Einführung einer Eurowährung als Bedingung zur Zustimmung zur deutschen Einheit.
Gleichzeitig mussten Griechenland und Italien mit in die Währungszone, damit wollte Frankreich die Mehrheitsverhältnisse in den EZB-Gremien zugunsten Frankreichs und zuungunsten Deutschlands gestalten.
Während der – von den meisten Deutschen zurecht als ungerecht empfundene – Versailler Vertrag in Kooperation mit der Weltwirtschaftskrise die Auflehnung Deutschlands und damit den Aufstieg der nationalen Sozialisten beförderte wird die Eurowährung ebenso zu großen politischen-ökonomischen Turbulenzen in Europa führen , bei der andere europäische Völker Deutschland gerne die größte politische Schuld und finanzielle Last werden abladen wollen:
27 Prozent der Verluste der EZB und der Eurorettungsfonds werde die Deutschen mindestens bezahlen müssen – plus die Anteile für Staaten, die überschuldet in die Insolvenz rutschen werden und die dann ihre eigentlich von ihnen zu tragenden Anteile nicht mehr zahlen werden können.
Damit werden wieder einmal die Schuldigen in Deutschland gesucht werden: seitens der Südländer werden die hohe Arbeitslosigkeit und die schlecht laufende Wirtschaft auf die zu niedrigen Lohnstückkosten und den zu hohen Export Deutschlands geschoben.
Das ist zwar nicht falsch – aber das ist noch nicht mal die halbe Wahrheit.
Denn aus der deutschen Brille sieht die Welt genau spiegelverkehrt aus.
Die Verträge zu den dauerhaften Eurorettungsfonds EFSF, ESM , die dauerhafte Niedrigzinspolitik der EZB, die sich aufsummierenden Targetsalden zwischen den nationalen Notenbanken, usw. werden beim Zusammenbruch dieses Systems für Deutschland als Nettozahler den gleichen finanziellen Effekt haben, wie der Versailler Vertrag: der deutsche Steuerzahler wird Milliarden ins Ausland transferieren oder besser gesagt transferiert haben; bzw. die Transfers wurden bereits getätigt – aber dann werden die offenen Forderungen zerplatzen. Finanziell gesehen ist das dasselbe wie Kriegsreparationen – nur jedoch halt ohne einen Krieg geführt zu haben.
Die Problematik des Scheiterns eines Währungsraumes liegt einerseits an der vertraglichen Seite und den schon vor Einführung einer Einheitswährung vorhandenen ökonomischen großen Differenzen der Staaten der Währungsunion – andererseits aber auch in den absolut unterschiedlichen finanzkulturellen Gewohnheiten und Traditionen der Völker: die Spanne reicht von Weichwährung bis zur Hartwährung, von Staatsfinanzierung durch die Notenbank bis zur Ablehnung desselbigen Prinzips und zieht sich auch hinein bis in die unterschiedlichen Geldanlagekulturen und die unterschiedlichen Risikofreudigkeiten der Menschen in Nord- und Südeuropa.
Sprich: in der Eurozone existieren seit ihres Beginns völlig unterschiedliche Wirtschafts- und Fiskaltheorien und -philosophien sowie -Traditionen und -Kulturen und -Mentalitäten, die absolut nicht zueinander passten und passen.
Mit dem Euro wollten die Franzosen und Italiener aus den Deutschen also über Nacht währungs-, wirtschafts- und fiskalpolitisch Südländer machen – und die Deutschen wollten umgekehrt aus den Weichwährungs-Südländern stabilitätsorientierte und sparsame Deutsche bzw. Nordländer machen.
Das Projekt Euro als Währungsraum mit festen Wechselkurseinheiten ist daher von Anbeginn zum Scheitern verurteilt. Das Scheitern ist nur eine Frage des Zeitpunkts.
Je später der Euro scheitert – desto heftiger wird das finanzielle und wirtschaftliche Erdbeben ausfallen, da sich die Schuldensalden zwischen den nationalen Notenbanken immer weiter addieren und immer größere zwischenstaatliche Forderungen bzw. Verbindlichkeiten angehäuft werden.
Wenn der Euro scheitert, dann wird Europa nicht scheitern. Aber es wird dann zu einer heftigen finanziellen und wirtschaftlichen sowie politischen Schockphase für die beteiligten Nationen kommen.
Je eher das Projekt bzw. Experiment Euro beerdigt wird, desto geringer und kürzer wird diese Phase ausfallen. Je länger dieses Experiment dauert, desto heftiger wird die Schockphase dauern.
Ein Weiterwursteln und ein Fortführen des Experiments aus politischen Gründen führt zu weiteren Nebenwirkungen – durch zu lange Niedrigzinsphasen, durch direkte Staats- und Unternehmensfinanzierungen durch die EZB – und führt damit zu weiteren Verlusten von ökonomischer und finanzieller Freiheit – sowohl für die öffentliche Hand als auch für den Privatsektor.
Doch besser ein Euro-Ende mit Schrecken als ein Euro-Schrecken ohne Ende. Der Brexit könnte dabei der Anfang vom Ende der Eurozone und auch der EU in seiner jetzigen Form werden.
Das gäbe nach der Schockphase eine Chance für ein neues und freieres , ordoliberaleres Europa der kooperierenden Nationen.
(Quellennachweis: *1 http://www.wiwo.de/…/historiker-ronald-g-asch…/13684388.html
*) Freddy Kühne betreibt das Blog http://99thesen.com und regelmäßig Kolumnist bei conservo
www.conservo.wordpress.com 5. Juni 2016