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Von Peter Helmes
Eitelkeit, Neid, Rechthaberei
Das Bild, das die AfD – vor allem in Baden-Württemberg – derzeit abgibt, ist wahrlich keine Werbung für die „Alternative“. Sie kesseln sich wie ungezogene Kinder und streiten um Posten und Pfründen.
Mir steht es – vor allem als Nicht-Mitglied dieser Partei – nicht zu, mich in die interne Auseinandersetzung einzumischen, ich komme aber gerne meiner Chronistenpflicht nach. Dr. Jörg Meuthen, (bisheriger) Chef der AfD im Stuttgarter Landtag, hat allen Mitgliedern einen erläuternden Brief geschrieben, den ich – ergänzt um eine „gemeinsame Erklärung” von Frau Petry mit Meuthen – gerne weitergebe:
Betreff: Offener Brief an die Mitglieder der Alternative für Deutschland
(Von: Prof. Dr. Jörg Meuthen MdL (Fraktion der Alternative für Baden-Württemberg im Landtag von Baden-Württemberg) [mailto:joerg.meuthen@afd.landtag-bw.de], gesendet: Dienstag, 12. Juli 2016 22:01)
Liebe Mitglieder der AfD,
wir, die Abgeordneten der Fraktion Alternative für Baden-Württemberg (in Gründung) im Landtag von Baden-Württemberg, wenden uns heute mit dieser Nachricht an Sie. Wir möchten Ihnen darlegen, warum wir so gehandelt haben, wie wir es getan haben, und warum wir so handeln mussten.
Mitte Mai wurde über die Medien der Vorwurf erhoben, dass der Abgeordnete Dr. Wolfgang Gedeon in seinen 2009 und 2012 erschienenen Büchern antisemitisches Gedankengut vertreten würde. Diese Vorwürfe wurden auch mit einer Vielzahl von Zitaten aus Gedeons Büchern belegt.
Die Fraktion beriet Anfang Juni über einen Ausschluss Gedeons und brachte den Antrag hierzu auf den Weg. Die Abstimmung selbst wurde schließlich für den 21. Juni anberaumt. Hierzu meldete sich auch der Landesvorstand mit einer Erklärung zu Wort:
Sehr geehrte Damen und Herren,
nachfolgend der Beschluss des AfD Landesvorstandes Baden-Württemberg von der Sitzung vom 18.06.2016:
Der Landesvorstand hat heute entschieden, der einstimmig erfolgten Bitte des Bundesvorstandes zu entsprechen und in die Prüfung von Ordnungsmaßnahmen gegen Dr. Wolfgang Gedeon einzutreten. Dies ist noch nicht die Einleitung eines Parteiausschlußverfahrens, sondern die Prüfung der Einleitung eines solchen Verfahrens.
Zugleich fordert der Landesvorstand Herrn Dr. Gedeon auf, im Interesse der Gesamtpartei aus eigener Entscheidung noch vor der Fraktionssitzung am kommenden Dienstag die Landtagsfraktion zu verlassen.
Für den Fall, dass Herr Dr. Gedeon dies nicht tut, empfiehlt der Landesvorstand der Landtagsfraktion, am kommenden Dienstag in der Fraktionssitzung Herrn Dr. Gedeon per satzungsgemäßem Beschluss aus der Fraktion auszuschließen.
Auf der Fraktionssitzung am 21. Juni überraschte Wolfgang Gedeon die Fraktionskollegen mit dem Angebot, seine Mitgliedschaft in der Fraktion bis Anfang September ruhen zu lassen, um so der Fraktion Zeit zu geben, Gutachten über seine Bücher im Hinblick auf die erhobenen Vorwürfe einzuholen. Fragen, ob ein Ruhenlassen der Fraktionszugehörigkeit überhaupt rechts- und satzungsmäßig möglich wäre, wurden von Teilen der Fraktionsführung bejaht. Die Fraktion stimmte daraufhin dem Vorschlag Dr. Gedeons zu.
Schon kurz darauf stellte sich jedoch heraus, dass es ein Ruhenlassen der Fraktionszugehörigkeit gemäß der Geschäftsordnung des Landtags nicht gibt und dass auch die Satzung unserer Fraktion dies nicht vorsieht. Dr. Gedeon war somit aus rechtlicher Sicht weiterhin volles Mitglied der Fraktion, saß im Parlament bei der AfD-Fraktion, äußerte sich über die Presse und schloss nicht aus, sich auch weiterhin mit Redebeiträgen im Parlament zu beteiligen. Außerdem gestaltete sich die Suche nach Gutachtern weitaus schwieriger als vermutet.
Einige der angefragten Gutachter lehnten es ab, überhaupt für die AfD tätig zu werden, andere lehnten ab, weil sie es für sinnlos hielten, ein Gutachten für einen Sachverhalt zu erstellen, der ohnehin bereits hinreichend klar sei. Nach mehr als einer Woche war noch kein Gutachter gefunden. In der Fraktion setzte sich die Ansicht durch, dass wegen der unveränderten Zugehörigkeit Dr. Gedeons zur Fraktion und der scheinbaren Unmöglichkeit, renommierte Gutachter zu finden, nun doch zeitnah über den Verbleib Dr. Gedeons in der Fraktion abzustimmen sei. Die Fraktion entschied mit deutlicher Mehrheit, dass bis Montag, den 04.07.2016, drei Gutachter benannt sein müssten, sonst würde man am nächsten Tag über den Ausschluss Dr. Gedeons abstimmen. Aus diesem Grund wurde Dr. Gedeon auch zu der anberaumten Fraktionssitzung am 05.07.2016 eingeladen.
Zuvor gelang es zwei Abgeordneten, immerhin noch Kurzgutachten in Auftrag zu geben. Diese wurden den Fraktionskollegen einen Tag vor der Abstimmung zugeleitet. Es waren die Gutachten von Prof. Dr. Werner Patzelt (TU Dresden, vermittelt durch Claudia Martin) und von Manfred Gerstenfeld (Jerusalem Center for Public Affairs, vermittelt durch Dr. Bernd Grimmer). Sie finden beide Gutachten im Anhang.
Bei der Abstimmung stimmten 13 Abgeordnete gegen den Verbleib Gedeons in der Fraktion, 9 stimmten dafür und einer enthielt sich. Somit war die für den Ausschluss notwendige 2/3-Mehrheit verfehlt worden. Für diesen Fall hatte Prof. Dr. Jörg Meuthen bereits zuvor seinen Austritt aus der Fraktion angekündigt. Es entschlossen sich außerdem die Abgeordneten Anton Baron, Lars Patrick Berg, Dr. Heinrich Fiechtner, Stefan Herre, Dr. Heinrich Kuhn, Claudia Martin, Thomas Axel Palka, Dr. Rainer Podeswa, Daniel Rottmann, Udo Stein, Klaus-Günther Voigtmann und Carola Wolle zu diesem Schritt. Hierzu stellen wir fest:
– Warum haben wir uns zu diesem Schritt entschlossen? Die Gutachten von Herrn Patzelt und Herrn Gerstenfeld ließen keinerlei Zweifel mehr an der antisemitischen Einstellung Dr. Gedeons. Eine weitere Mitgliedschaft Dr. Gedeons in der Fraktion war damit gleichbedeutend mit der Duldung antisemitischer Einstellungen in der Fraktion und damit in der gesamten AfD. Wir waren daher mehr als entsetzt, dass sich dennoch außer Dr. Gedeon selbst noch 9 weitere Abgeordnete gefunden haben, die seinen Verbleib in der Fraktion befürworteten. Ein sofortiger Austritt aus dieser Fraktion war für uns alle selbstverständlich.
– Von einigen Mitgliedern wurde uns vorgeworfen, wir würden demokratische Entscheidungen nicht respektieren, weil wir die Entscheidung zum Verbleib Dr. Gedeons nicht hingenommen hätten und aus der Fraktion ausgetreten sind. Dies ist nicht richtig. Selbstverständlich akzeptieren wir diese Entscheidung. Sein Verbleib in der Fraktion ist demokratisch entschieden worden. Wir haben aber in Ausübung unseres freien Mandats entschieden, dass wir nicht weiter mit Abgeordneten zusammenarbeiten wollen, die Antisemitismus nicht erkennen oder tolerieren. Wir haben nicht die Partei verlassen, sondern lediglich die Landtagsfraktion.
– Die Richtigkeit unseres Vorgehens wurde umgehend vom Bundesvorstand der AfD in einer Telefonkonferenz (bei einer Anwesenheit von 10 von 13 Mitgliedern) mit einem einstimmigen Beschluss bestätig
- Der Bundesvorstand erinnert an seinen Beschluss, dass Antisemitismus keinen Platz in der AfD hat.
- Der Bundesvorstand missbilligt aufs Schärfste die Entscheidung derjenigen Mitglieder der AfD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg, die den Ausschluss von Wolfgang Gedeon aus der Fraktion verhindert haben. Diese Mitglieder akzeptieren den Verbleib eines Abgeordneten in der Fraktion, dessen Schriften eindeutig antisemitische Aussagen enthalten
- Der Bundesvorstand begrüßt die Entscheidung unseres Bundesvorsitzenden Prof. Dr. Jörg Meuthen MdL und weiterer AfD-Abgeordneter, nicht mit diesen Abgeordneten in einer Fraktion zu verbleiben.
- Der Bundesvorstand distanziert sich von denjenigen Mitgliedern der Fraktion, die nicht mit Jörg Meuthen die Fraktion verlassen. Wir anerkennen als Vertreter der AfD im Landtag von Baden-Württemberg ab sofort nur Jörg Meuthen und die Abgeordneten, die sich ihm anschließen.
Am Nachmittag nach der Abstimmung traf unerwartet Bundessprecherin Dr. Frauke Petry in Stuttgart ein. Nachdem der Druck auf Dr. Gedeon durch den Austritt der 13 Abgeordneten bereits extrem zugenommen hatte, gelang es im weiteren Verlauf des Abends, dass Dr. Gedeon sich aus freien Stücken zum Austritt aus der Fraktion entschloss, ohne sich von seinen Aussagen zu distanzieren. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass dieser Schritt von den in der Fraktion verbliebenen Abgeordneten begrüßt wurde; von jenen also, die noch wenige Stunden zuvor gegen seinen Ausschluss votiert hatten.
Der Austritt Gedeons war für uns kein Signal für eine Rückkehr in diese Fraktion. Diese war und ist noch immer geprägt von einigen Abgeordneten, welche nicht bereit sind, sich inhaltlich klar gegen Antisemitismus abzugrenzen.
Inzwischen werden bereits Forderungen laut, die AfD vom Verfassungsschutz beobachten zulassen. Es ist nicht das erste Mal, dass dies in der Öffentlichkeit gefordert wird. Allerdings ist es das erste Mal, dass es mit konkreten Belegen geschieht. Noch richtet sich die Kritik nicht auf die gesamte Partei, sondern auf einzelne Abgeordnete, nämlich nicht zuletzt diejenigen, die gegen den Ausschluss Dr. Gedeons gestimmt hatten. Auch deshalb ist für uns eine Rückkehr in die bisherige Fraktion ausgeschlossen.
Wir haben unmittelbar nach unserem Austritt aus der Fraktion am 6. Juli eine eigene Fraktion im Landtag gegründet, da wir uns sehr zu unserem eigenen Bedauern mit den verbliebenen Abgeordneten der alten Fraktion in einer existentiellen Frage im politischen Dissens befinden. Die Landtagsverwaltung prüft derzeit die Rechtmäßigkeit einer zweiten AfD-Fraktion, wir sind diesbezüglich zuversichtlich. Da es vom Namen her keine zwei AfD-Fraktionen im Landtag geben darf, mussten wir uns vorübergehend für einen anderen Namen entscheiden, die Fraktion Alternative für Baden-Württemberg.
Wir stellen abschließend fest:
Wir sind weiterhin unverändert Mitglieder und Abgeordnete der AfD im Landtag
Wir stehen unverändert zu den Zielen der AfD und werden diese nach Kräften verfolgen.
Wir haben keine neue Partei gegründet und haben dies auch nicht vor.
Unser Ziel ist nicht und war nie die Spaltung der AfD. In voller Übereinstimmung mit dem Parteiprogramm ist es unser Ziel, die Partei unmissverständlich gegen jede Form von Antisemitismus abzugrenzen.
Stuttgart, den 12.07.2016
Dr. Rainer Balzer MdL, Anton Baron MdL, Lars Patrick Berg MdL, Dr. Heinrich Fiechtner MdL, Stefan Herre MdL, Dr. Heinrich Kuhn MdL, Claudia Martin MdL, Prof. Dr. Jörg Meuthen MdL, Thomas Axel Palka MdL, Dr. Rainer Podeswa MdL, Daniel Rottmann MdL, Udo Stein MdL, Klaus-Günther Voigtmann MdL, Carola Wolle MdL
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Gemeinsame Erklärung von Frauke Petry und Jörg Meuthen
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder und Förderer,
da uns in diesen Tagen viele besorgte Briefe erreichen, haben wir am Wochenende gemeinsam folgendes erklärt:
Wir sind uns einig, die “Alternative für Deutschland” weiterhin gemeinsam führen zu wollen, so wie wir uns dazu am 4. Juli 2015 auf dem Bundesparteitag in Essen den Mitgliedern und Wählern gegenüber verpflichtet haben.
Die Einheit der “Alternative für Deutschland” zu bewahren, Sachpolitik im Sinne unseres Landes und seiner Bürger zu machen und diesem Auftrag persönliche und interne Belange unterzuordnen, ist uns gemeinsam wichtig.
Wir sind uns in der Frage der klaren Abgrenzung gegen Antisemitismus, Rassismus und Extremismus jeglicher Art immer einig gewesen, und wir werden gemeinsam dafür sorgen, dass derlei Ansichten in der AfD auch weiterhin keinen Platz haben.
Wir haben die Ereignisse der letzten Tage und Wochen im Kreis von Bundes- und Landesvertretern aufgearbeitet, und wir werden intensiv daran arbeiten, dass die parteiinterne Kommunikation unter allen Funktionsträgern auf Bundes- und Landesebene weiter verbessert wird.
Ihre Frauke Petry und Ihr Jörg Meuthen, Bundessprecher der Alternative für Deutschland (Gemeinsam für Land, Bürger und Partei),
Alternative für Deutschland, Schillstraße 9, 10785 Berlin, Tel: 030 – 22 05 69 60 Fax: 030 – 2 20 56 96 29, www.alternativefuer.de https://facebook.com/alternativefuer.de