(www.conservo.wordpress.com)
Ein Thema, das Deutschlands Konservative spaltet
Es gibt kaum ein Thema, das innerhalb der Konservativen unseres Landes so umstritten ist wie „Russland“ und „Putin“ auf der einen Seite, „USA“ auf der anderen. Die unterschiedlichen Meinungen prallen zuweilen brutal aufeinander.
conservo wird in nächster Zeit in loser Folge ganz unterschiedliche Meinungen zu Wort kommen lassen. Ein Dialog darüber ist ausdrücklich gewünscht.
Es ist die alte Streitfrage, die weit in die Jahrhunderte unserer Geschichte zurückgreift. Sehr verkürzt lautet sie: Pro West oder Pro Ost – oder beides? Bei den Putin-Befürwortern finden sich eine Reihe großer Namen, denen man eher eine westliche Orientierung zugeschrieben hätte.
Ich versuche einmal, das Dilemma an meinem eigenen Beispiel zu verdeutlichen:
Ich wurde 1943 in eine zutiefst konservative Familie geboren, Vater und Mutter waren vor dem 2. Weltkrieg aktiv in der Zentrumspartei engagiert (und gehörten nach dem Krieg zu den „Männern und Frauen der ersten Stunde“ der CDU). Meine Eltern verloren ihre Geschwister im Russland-Feldzug, ein in Berlin wohnhafter Onkel wurde von der Stasi drangsaliert und inhaftiert; er verlor Hab und Gut. Verwandte meines Großvaters kämpften 1923 gegen das protestantische Preußen und nahmen an der „Revolution“ zur Gründung der ersten „Rheinischen Republik“ teil (ein Großonkel von mir wurde dabei füsiliert).
Unsere schulische Erziehung war durch und durch pro-amerikanisch und pro-westlich geprägt. Adenauers Rhöndorf liegt bei mir „um die Ecke“, Walter Hallstein – der erste Kommissionspräsident der EWG – und der legendäre Familienminister F. J. Würmeling waren „meine“ Bundestagsabgeordneten. Das Bekenntnis zu Bundeswehr, NATO und EWG wurde mir sozusagen mit der Muttermilch eingeflößt – ebenso ein ausgeprägter Anti-Kommunismus. Das alles hat meine Jugend geprägt. Und mit diesem gar nicht vorurteilsfreien Blick bin ich in die Welt gestartet.
Durch meine politische Arbeit besonders im Jugendbereich lernte ich aber sehr bald, daß recht verstandene Toleranz eine Tugend ist. Für mein über die Landes- und Parteigrenzen hinausgehende Engagement für ein friedliches Miteinander erhielt ich schon früh den „Pour le Mérite Européen“ (aus den Händen von Gaston Thorn, dem damaligen Vorsitzenden der EU-Kommission). Auch meine Bemühungen um einen (Jugend-)Dialog Ost/West wurden gewürdigt. Viele Jahre nahm ich teil oder leitete internationale Konferenzen, an denen Verbände völlig unterschiedlicher Ausrichtung teilnahmen, z. B. Kommunisten, Sozialisten, Liberale, Konservative, Christdemokraten, aber auch Freizeit- oder Kirchenjugendverbände.
Heute, im hohen Rentenalter, blicke ich zum Teil amüsiert, aber auch besorgt, auf die wachsende Intoleranz unserer Gesellschaft, die in besonderem Maße von Linken und Linksradikalen geschürt wird.
So führt mich das Thema Toleranz heute auch zur Ost-West-Problematik. Ein besonderes Beispiel Putin-kritischer Haltung spricht aus folgendem Beitrag:
Warum die Putin-Versteher in Deutschland komplett daneben liegen.
Russland fühlt sich bedroht, behauptet die russische Regierung. Die Nato sei aggressiv, habe Russland umzingelt. In Deutschland findet sie damit viel Verständnis: Linke, AfD und neuerdings auch SPD plappern den Moskauer Unsinn brav nach – Stichwort “Säbelrasseln”. Höchste Zeit, einen Blick auf die Fakten zu werfen.
Ein Fakt ist: Seit 1991 sind der Nato zwölf ehemals kommunistische Länder beigetreten – auf eigenen, dringenden Wunsch wohlgemerkt, nicht unter Zwang, wie seinerzeit beim Warschauer Pakt. Aufgenommen wurden sie von einer Nato, die Russland damals als engen Partner ansah, nicht als Gegner, den man einkreisen wollte.
Heute stehen wir einem anderen Russland gegenüber:
* einem Russland, das den Westen als Feind bezeichnet;
* einem Russland, das in diesem Jahrhundert bereits zwei seiner Nachbarn – Georgien und die Ukraine – offen oder verdeckt angegriffen hat. Dabei hat Moskau sämtliche Friedensbemühungen gezielt unterlaufen und tausende Menschen getötet;
* einem Russland, das mit Lügen, Hetze und Gräuelpropaganda seiner gelenkten Medien sowie seiner Zusammenarbeit mit rechtsradikalen Parteien an der Destabilisierung des Westens arbeitet. Für Militärexperten ist das Teil einer “hybriden (verdeckten) Kriegsführung”. Und die ist gar nicht harmlos. Das kann man an den hysterischen Reaktionen auf die Lüge von der Vergewaltigung der Russlanddeutschen Lisa durch syrische Flüchtlinge sehen;
* einem Russland, das mehrmals im Jahr bei riesigen Militärmanövern ganz offen den Einmarsch in Nato-Länder probt, Scheinangriffe im Gebiet der Ostsee fliegt oder auch mal zur Einschüchterung einen atomaren Angriff gegen Schweden durchspielt;
* einem Russland schließlich, das gerade in Syrien mit Luftangriffen auf Krankenhäuser und zivile Viertel einem der brutalsten Diktatoren der Welt wahrscheinlich zum Sieg verhilft.
Und der Westen? Hört man auf das deutsche Trio AfD, Linke und SPD, muss der Westen ein ganz schlechtes Gewissen haben. Wagt er es doch, 4000 Soldaten als symbolischen Schutz seiner Mitglieder in Polen und dem Baltikum an die russische Grenze zu verlegen.
Dass das eine Reaktion auf die Ankündigung des russischen Verteidigungsministers ist, womöglich mehrere 10.000 Mann auf der gegenüberliegenden Seite zu stationieren – wen interessiert’s? Dass dem angeblichen “Säbelrasseln” der Nato Kanonendonner, Drohungen, Beschimpfungen und ein Mehrfaches an Truppenaufstockungen gegenüberstehen – geschenkt. Hauptsache, der vermeintliche Pazifismus kommt beim Wähler gut an.
Es ist eigentlich überflüssig, das zu sagen, aber hier nochmal zum Mitschreiben: Nein, man darf nicht wieder in das alte Wettrüsten verfallen. Ja, man muss die Gesprächskanäle mit Moskau weiter ausbauen. So wie gerade beim Nato-Russland-Rat. Die Frage ist aber, wie man die Verhandlungen führt. Gespräche sind die Grundlage, doch der Gegendruck darf nicht fehlen.
Beim Thema Russland-Diplomatie mag Deutschland auch über 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg besonders in der Pflicht stehen. Wer sich deshalb aber zum Sprachrohr eines demokratiefeindlichen Moskaus macht, hat wohl irgendetwas falsch verstanden. (Original: 14.07.2016, 11:58 Uhr, Kommentar von Christian Kreutzer, t-online.de)
Nach Attacke gegen Nato-Manöver – Steinmeiers Verständnis für Moskau “unverantwortlich”. Steinmeier-Kritik löst Kopfschütteln aus: “Säbelrasseln und Kriegsgeschrei”
Außenpolitiker und Zeitungskommentatoren fragen sich heute: Was ist mit Frank-Walter Steinmeier los? Der Bundesaußenminister zeigt plötzlich ungewöhnlich viel Verständnis für Moskau und nennt das jüngste Nato-Manöver in Polen “Säbelrasseln und Kriegsgeschrei”.
Der Verdacht mancher Beobachter: Steinmeier übernimmt Aussagen der Linkspartei zu Russland, um ein entsprechendes Bündnis vorzubereiten.
“Was wir jetzt nicht tun sollten, ist durch lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul die Lage weiter anzuheizen”, hatte Steinmeier der “Bild am Sonntag” mit Blick auf das Verhältnis zu Russland gesagt. Wer glaube, mit “symbolischen Panzerparaden” an der Ostgrenze der Nato mehr Sicherheit zu schaffen, der irre, sagte Steinmeier. Es dürften keine Vorwände für eine Konfrontation geliefert werden.
Grüner Nouripour spricht von Populismus
Bei CDU und Grünen greifen sich manche an den Kopf. Ist es doch Russland, das mit der völkerrechtswidrigen Besetzung der Krim und dem Krieg in der Ostukraine an Europas Grenzen laut mit dem Säbel rasselt.
Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt, erklärt, die westliche Außen- und Verteidigungspolitik müsse gegenüber Russland von Dialogbereitschaft, aber auch von Entschlossenheit geprägt sein, militärischem Druck nicht nachzugeben. “An der Verteidigungsfähigkeit und Verteidigungsbereitschaft des Nato-Bündnisses darf es keinen Zweifel geben.”
Die Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Europaparlament, Rebecca Harms, bezeichnete Steinmeiers Äußerungen als “unverantwortliches Signal” angesichts der Weigerung Moskaus, Waffen aus der Ostukraine zurückzuziehen. Ihr Fraktionskollege Omid Nouripour sprach auf Twitter gar von Populismus.
“Hatte Putin vielleicht Geburtstag?”
Deutlicher werden Presse-Kommentatoren. So heißt es in der “Welt”: “Dass ein deutscher Außenminister dem westlichen Verteidigungsbündnis in den Rücken fällt, ist ein beispielloser Akt von Illoyalität. Inhaltlich übernimmt Steinmeier damit die demagogische Logik der Linkspartei. Diese wird nicht müde, bei den Spannungen mit Russland das Ursache-Wirkungs-Verhältnis auf den Kopf zu stellen.”
Und die FAZ kommentiert: “Hatte Putin vielleicht Geburtstag, und es fehlte noch das Geschenk? Man muss sich wirklich die Augen reiben. Es ist nicht der russische Außenminister, der dem westlichen Verteidigungsbündnis wegen dessen Manöver auf dem Gebiet der östlichen Nato-Staaten ‘lautes Säbelrasseln’, Kriegsgeheul’ und das ‘Anheizen’ der Lage vorwirft, sondern der deutsche.”
Gnädiger kommentiert die “Stuttgarter Zeitung”: “Die Kritik Russlands am jüngsten Militärmanöver in Polen namens ‘Anakonda’ war zwar dreist, weil der Kreml selbst intensiv an der russischen Westgrenze Krieg spielen lässt, aber gleichwohl hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier recht, wenn er beklagt, dass militärische Muskelspiele die Lage nicht beruhigen helfen.”
Die Nato hatte in den vergangenen Tagen in Polen mit dem Großmanöver “Anakonda 2016” ihre Verteidigungsfähigkeit demonstriert. Die Militärübung, an der 31.000 Soldaten aus 24 Nato-Staaten teilnahmen, war auf einen möglichen verdeckten Angriff wie bei der russischen Besetzung der ukrainischen Halbinsel Krim im Frühjahr 2014 ausgerichtet.
(Original: t-online.de mit Material von AFP und dpa)
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Russland: Gegner und Partner
So sind die Beziehungen zwischen der NATO und Russland noch lange nicht zur Normalität zurückgekehrt. Aber wir haben es auch nicht mit einer klassischen Wiederholung des Kalten Krieges zu tun. Moskau ist der Gegner des Westens in Osteuropa, wo Russland mit Gewalt die Grenzen verändert hat und nach wie vor die Rebellen im Donbass unterstützt. Doch gleichzeitig ist Russland in anderen Regionen ein Partner. So spielte Moskau eine Schlüsselrolle in den Verhandlungen mit Teheran über das iranische Atomprogramm. Die EU nennt Russland jetzt einen ‚strategischen Partner‘, doch die Suche nach einem Gleichgewicht zwischen Partnerschaft und Feindschaft wird in den kommenden Monaten eine der schwierigsten Diskussionen in Europa sein.
Ich habe aus der Geschichte gelernt, daß die Einteilung der Welt in Gut und Böse nicht weit führt. Was dem einen sein Vietnam, ist dem anderen sein Afghanistan. Was bei dem einen Drogen anstellen, bewirkt beim anderen ein hemmungsloser Suff. (Dergleichen Beispiele gibt´s noch viele.)
Menschen sind sie alle. Oder um es mit Machiavelli auszudrücken: Politik entzieht sich der Kategorie Moral. Politik ist zweckgebunden, und der Zweck heiligt die Mittel. Wer damit nicht leben kann, der werfe den ersten Stein.