Sexismus und Neosexismus

(www.conservo.wordpress.com)

von altmod *)

„Ein Auge sieht, das andere ist fest geschlossen“ (Sprichwort der Berber)

Bei meinen Nachforschungen betr. „Gina-Lisa“ bin ich zwangsläufig auf Verlautbarungen aus dem Wahrheitsministerium des Heiko Maas gestoßen. Im April des Jahres hatte er in angeblich besorgter Reaktion auf die Silvesterereignisse in Köln und andernorts angekündigt, „sexistische Werbung“ zu verbieten. Eines der Wahrheitsorgane der Republik, „Die Welt“, mahnte jetzt Verzug an und nimmt nebenbei die bundesdeutsche „Wirtschaft“ in eine kritische Würdigung.

Wenn man von „sexistischer Werbung“ spricht, liegt dem natürlich „Sexismus“ zugrunde – Entschuldigung, eine banale Entsprechung. Aber was hat es mit der Phrase des „Sexismus“ auf sich, die in der linken Agitationsterminologie gleichbedeutend mit „Rassismus“ zu einer mächtigen rhetorischen Waffe geraten ist?

Arbeiten wir uns einmal aufgliedernd vom Einfachen zum Komplexeren in der Begrifflichkeit hoch.

Schon in der Schule werden unsere Nachkommen auf den Umgang mit bestimmten Begriffen eingeschworen. Der Schülerduden »Sexualität«, ist ein Buch, mit dem junge Leute heutzutage in „Geschlechterfragen“ unterrichtet werden. »Sexismus« wird dort wie folgt definiert:

»Die Diskriminierung des weiblichen Geschlechts durch das männliche Geschlecht. … Ausdruck findet der S. beispielsweise in frauenfeindlichen Witzen und Redewendungen, Darstellungen der Frau als Sexualobjekt z. B. in der Werbung oder in Pornofilmen, aber auch in politischen Zusammenhängen wie z. B. schlechterer Bezahlung bei gleicher Arbeit, unbezahlter Hausfrauenarbeit und schlechteren Aufstiegschancen. Dieses Verhalten entstammt der jahrtausendealten Überzeugung der Männer, den Frauen körperlich und geistig überlegen zu sein, wovon ein Teil der Männer selbst heute noch überzeugt ist«.

Das versteht jeder, was da knapp über Hauptschulniveau vermittelt wird.

Aber es gibt noch eine andere Dimension in diese Begrifflichkeiten und da möchte ich eine differenziertere Betrachtung anfügen. Manfred Klein-Hartlage schreibt in seinem Buch „Die Sprache der BRD“:

„Ähnlich wie beim Begriff »Rassismus« findet ein zielstrebig herbeigeführter Bedeutungswandel statt. Ursprünglich bezeichnete »Sexismus« die Benachteiligung oder Geringschätzung einer Person aufgrund ihres Geschlechts, heute gilt als »sexistisch« bereits die offen kundig wahre Feststellung, daß die Geschlechter unterschiedlich veranlagt sind, jedenfalls im statistischen Durchschnitt, ferner die Feststellung, daß es überhaupt so etwas wie Geschlechter gibt und es sich dabei um biologische Vorgaben, nicht etwa um soziale Konstrukte handelt. … Die Bezeichnung eines Andersdenkenden als »Rassist« oder »Sexist« soll dem Publikum suggerieren, der Betreffende betrachte Angehörige fremder Rassen oder eines Geschlechts (meist des weiblichen) als minderwertig oder behandle sie unfair und im negativen Sinne des Wortes diskriminierend, selbst wenn dies keineswegs der Fall ist und seine einzige »Sünde« darin besteht, hanebüchene linke Theorien nicht anerkannt zu haben.“

Da ich mich auch als Partikülier noch für den Wissenschaftsbetrieb in unseren Landen interessiere, fallen mir immer wieder und immer häufiger Absonderlichkeiten aus den geistigen Produktionsstätten der noch-deutschen Universitäten in die Hände. Im „Unireport“ der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt war nun ein akademischer Zickenkrieg einiger Gender- und Feminismus-“Forscherinnen“ über die Folgen der Kölner Ereignisse ausgebrochen. Auf eine möglicherweise im Glauben ketzerische Betrachtung von Frau Prof. Dr. Susanne Schröter – Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam (FFGI), Direktorin des Instituts für Ethnologie, Principal Investigator im Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“, Direktorin im Cornelia Goethe Centrum für Geschlechterforschung und Vorstandsmitglied des deutschen Orient-Instituts (!!!!) – antworteten eine Geschlechter- und eine Islam-“Forscherin“ mit einem emendierenden Artikel. Der Leser möge sich an folgenden Aussagen erfreuen:

„In der Geschlechterforschung gilt Sexismus als ein globales Phänomen … Sexismus naturalisiert die Dominanz sowie die strukturelle Herrschaft von Männern über Frauen und legitimiert so die Geschlechterhierarchie. Neosexismus, der sich vornehmlich in westlichen Ländern findet, bestreitet die Fortexistenz der Diskriminierung von Frauen mit dem Hinweis auf die erfolgreiche Umsetzung der Gleichberechtigung. Im deutschen Kontext etwa wurde die Entgleisungen des Politikers Brüderle gegenüber einer Journalistin, als ‚harmlos‘ abgetan. Problematisch ist diese Sichtweise deshalb, weil sie den Zusammenhang zwischen verbalen Formen des Sexismus und manifesten Handgreiflichkeiten sowie sexueller Nötigung bagatellisiert und ignoriert. Sexismus und sexuelle Gewalt sind in Deutschland keine Ausnahme, sondern Normalität. Eine vom Bundesfamilienministerium herausgegebene Studie (Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit in Deutschland, 2013) berichtet, dass 95% der Frauen, die Opfer sexueller Gewalttaten wurden, diese nicht zur Anzeige brachten; angesichts der Lücken im Sexualstrafrecht – die Verurteilungsquote liegt bei 8,4% (kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachen 2012) – scheint diese Zurückhaltung nachvollziehbar . Seit Jahrzehnten haben Aktivistinnen auf diese Missstände hingewiesen und eine Verschärfung des Sexualstrafrechts gefordert. ‚Köln‘ hat nun dazu geführt, dass die Strafrechtsreform im Eilverfahren durchgeführt wird. Das ist begrüßenswert, jedoch auch problematisch, da eine spezifische Tätergruppe in besonderer Weise markiert wird, während andere Täter im Schatten bleiben. Erklären lässt sich dies nur mit der von Kira Kosnick als Kulturalisierung bezeichneten Dynamik: Hier wird mithilfe der Diskursfigur des fremden, schwarzen Mannes, der die weiße Frau vergewaltigt, eine koloniale und rassistische Rhetorik aktiviert, die das Problem sexistischer Gewalt als gesamtgesellschaftliche Frage externalisiert und medial inszeniert: pornografisch inszenierte Körper von weißen, blonden jungen Frauen, auf die schwarze Hände zugreifen (siehe Titelseite Focus 2/2016 sowie das Cover des polnischen Magazins wSieci mit der Schlagzeile „Die islamische Vergewaltigung Europas“), bedienen und schüren gleichzeitig Angstszenarien. Im Faschismus galten Juden als potentielle Täter, im Ersten Weltkrieg schwarze Soldaten, heute Muslime. Der Kulturbegriff, der dieser Argumentation zugrunde liegt, konstatiert die Unvereinbarkeit zwischen einem (weißen, christlichen) homogenisierten ‚Kulturkreis‘ (WIR) und ‚fremden‘ Kulturen (SIE). Dass ein solches Kulturverständnis Elemente früherer Diskurse enthält, hat bereits Theodor W. Adorno weitsichtig im Jahre 1955 festgestellt, als er davor warnte, „das vornehme Wort Kultur“ an die Stelle des verpönten Ausdrucks ‚Rasse‘ zu setzen, da mit diesem nominalen Austausch oft Vergleichbares gemeint sei.

Ich habe aus gutem Grund so ausführlich zitiert, beweisen diese Aussagen doch, mit welch verquerer Grundeinstellung man in dieser Republik in akademische Stellungen geraten kann und die öffentliche Meinung beeinflussen möchte. Auch die semantischen Wendungen sind exemplarisch, wie mit dem Zitat von Adorno der Nexus von Sexismus und Rassismus hergestellt wird. Frankfurter Schule eben.

Wer sich weiter über „Sexismus“ informieren mag, bei Wikipedia oder z.B. hier: „Gendertalk“, gerät zwangsläufig in einen üblen Wirrwarr verschiedener Denkweisen, aber nicht an wirklich wissenschaftlich gesicherte Fakten. Was bei einer Ideologie nicht zu erwarten ist. Da wird u.a. auch ein „Genderforscher“ folgendermaßen zitiert: „Das gemeinsame Element des Sexismus besteht darin, dass eine Festlegung auf eine sozial definierte Geschlechtsrolle und damit eine Einengung erfolgt“. Also, warum nimmt die eine (männliche) Seite das nicht endlich auf und hält nicht nur nicht einfach die Klappe?

Zum Schluss zur Anstachelung noch ein paar glasharte „Wahrheiten“* aus der sexistischen Kochstube:

«Wir Frauen befinden uns immer in der Situation potentieller Vergewaltigung. Häufig genügt die Gewaltanwendung auf der verbalen Ebene. Schon hier können wir nicht mit Gegengewalt antworten.»

«Die Folge der männlichen Allergie gegen das Femininum ist dessen nahezu vollständige Verdrängung aus der Sprache, mit anderen Worten: die sprachliche Vernichtung der Frau.»

«Selbst mit übereinandergeschlagenen Beinen verstehen es Männer, sich breiter zu machen als Frauen, … das heißt der Mann macht sich breit und nimmt allgemein für sich wesentlich mehr Raum in Anspruch als die Frau.»

«Männlichkeit ist Krieg, Umweltzerstörung, Profit, Massentierhaltung – kein Wunder, dass gesunde Rinder dabei wahnsinnig werden …!»

«Wenn Antisemitismus vorwiegend eine Über-Ich-Krankheit ist, so hat sie mehr mit der typischen Entwicklung des männlichen als mit der des weiblichen Über Ichs zu tun. Ihre Über-Ich-Strukturen prädestinieren die Frau nicht zum Antisemitismus … Der Antisemitismus der Frauen entwickelt sich über die Anpassung an männliche Vorurteile …»

«Die Armut ist weiblich.»

Es reicht, ich beende damit meine natürlich männlich gefärbte „Grausamkeitsarbeit“ (Margarete Mitscherlich) als potentieller Vergewaltiger.

**) nachzulesen bei: „Frauen und Kinder zuerst – Denkblockade Feminismus“ von Paul-Hermann Gruner, rororo-Sachbuch – 2000 Hamburg, S. 21 ff

*) „altmod“ ist Blogger (altmod.de), Facharzt und Philosoph sowie regelmäßiger Kolumnist bei conservo
www.conservo.wordpress.com  6. September 2016
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