Wer will noch den Nobelpreis? – Nicht mal Bob Dylan!

(www.conservo.wordpress.com)

Von altmod *)

Bob Dylan
Bob Dylan

Nobelpreis für “den größten Nutzen”?

Gemäß seinem Testament sollen die von Alfred Nobel gestifteten Preise „denen zugeteilt werden, die der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben“. Als Oberschüler glaubte ich noch, der Nobelpreis – gleich in welcher Kategorie – sei die höchste Auszeichnung, welche einem Mensch für seine wissenschaftliche, kulturelle oder politische Arbeit zugesprochen werden könnte. In Hinsicht auf den „größten Nutzen für die Menschheit“.

Als teilweise im alten Humboldtschen Ideal bildungsmäßig geformter Mensch interessiert man sich natürlich für alle Facetten des Menschheitsnutzens. Zugegebenermaßen, bin ich durch Studium und Beruf eher naturwissenschaftlich orientiert, und so fand ich grundsätzlich wenig zu mäkeln an der Wahl von Trägern der Preise für Physik, Chemie oder Medizin. Fälscher und Täuscher sind hier wohl bisher nicht auszumachen gewesen und „linke“ oder „rechte“ Wissenschaft gibt es in diesem Kontext nicht.

Etwas anders ist es, wenn es Geistes- bzw. Gesellschaftswissenschaften betrifft. Der Wirtschafts-Nobelpreis ist ohnehin eine späte Erfindung der Schwedischen Reichsbank, ist mithin nicht aus dem Vermächtnis von Alfred Nobel abzuleiten und wurde 1969 erstmals verliehen. Seither steht er auch in der Kritik – mal von linker oder rechter, mal von planwirtschaftlich oder libertärer Sicht. Den Nutzen, den dieserart ausgezeichnete Wissenschaftler für die Menschheit geliefert haben sollten, wird man meines Erachtens nie eruieren können.

Der Friedensnobelpreis ist gewiss das fragwürdigste Sachgebiet, das dem Alfred Nobel heute ganz gewiss sauer aufstoßen würde. Fragwürdige Personen mit fragwürdigen Antrieben wurden „ausgezeichnet“: von Theodore Roosevelt bis Barack Obama, Menachem Begin bis Yassir  Arafat, Al Gore bis Malala Yousafzai (siehe hier: Malal – der Nobel-Bluff).

Die Weisheit der Schwedischen Akademie in Stockholm hat nun mit der Verleihung des Literatur-Nobelpreises 2016 an Bob Dylan einen weiteren Beweis geliefert, dass vielleicht tiefsinnige oder gar zölestische Eingebungen bei der Findung von würdigen Kandidaten auch auf dem Gebiet der Dichtung keine Rolle spielen, sondern wie sonst auch, eher transatlantische Triebkräfte.

Der Liedermacher werde für seine poetischen Neuschaffungen in der großen amerikanischen Gesangstradition geehrt, heißt es zur Begründung. „Dylan ist eine Ikone“, erklärte die Akademie. „Sein Einfluss auf die zeitgenössische Musik ist groß.“ Die Chefin der Schwedischen Akademie, Sara Danius, sagte nach der Bekanntgabe, Dylan sei ein großartiger Dichter. „Seit 45 Jahren erfindet er sich immer wieder neu.“

Der Spiegel textet:

„Damit, dass es diese Texte würdigt, beweist das Nobelpreis-Komitee einen erweiterten und zeitgemäßen Literaturbegriff – den es mit dem Verweis auf die antiken Griechen, die ihre Dichtung ebenfalls zu Musik vortrugen, auch literaturhistorisch verwurzelte.“

Irgendwie gibt man da zu, dass da in dessen Oeuvre doch nicht alles so recht originell war. Na ja, auch Brecht plagiierte. Und was ist das für eine Legitimation, dass er seit 45 Jahren sich immer „wieder neu erfinde“. Da kenne ich etliche Zeitgenossen, die das nolens volens seit mehr als 45 Jahren betreiben (müssen).

Wie es sich gehört, waren die Stimmen zu dieser Wahl (es geht ja um den Literatur-Preis) in den Qualitätsmedien durchaus disparat. Aber plötzlich zeigen sich alle, die Applaudierer wie Aporetiker verstört, denn der Geehrte reagiert gar nicht auf seine Ehrung, ignoriert sie offensichtlich. Flehentlich heißt es nun landauf-landab in unseren Kulturträger-Medien: „Bob Dylan, bitte melde Dich!

Aber anscheinend geht das alles unserem Nobel-„Literaten“ am Allerwertesten vorbei.

guenter-grass-tanzErinnern wir uns mal an unseren letzten deutschen Literatur-Nobel-Träger Günter Grass, wie er im Frack nach der Verleihung des Literaturnobelpreises ausgelassen mit seiner Tochter Helene tanzte. Na, das war noch „Kultiviertheit“.

Bob Dylan ist Träger der Presidential Medal of Freedom, eines „Oscar“, eines Ordens der französischen Ehrenlegion und u.a. Ehrendoktor Universität Princeton. Da konnte Grass nicht gegen anstinken. Auch sonst kein anderer aus der großen Riege der Welt-Literaten. Möge Bob Dylan seinen Vogelscheuchen-Habitus ablegen, den er bei seinen bisherigen Ehrungen pflegte, dass man ihm angeblich „europäische“ Honneurs zugestehen kann? Nö…bob-dylan

Dieser „Song“ von Dylan bringt wahrscheinlich nicht nur mich – das muss ich zugestehen – immer doch noch zum Sinnieren: Blowin in The Wind. Mehr noch:  The Times They Are A Changin Ist das schon „Literatur“? Der determinative Zeitgeist von 1963 bis 1968 hat sich gewandelt. Und das registrierte vielleicht auch Bob Dylan und sagt sich: „Kiss my ass, fuck committee“.

Also sollen sie doch ihren Literaturpreis ohne ihren Laureaten begehen; diese Tartüffs vom Nobel-Kommitee. Das hätte aus verschiedensten Perspektiven etwas Anregendes –  nicht nur für mich.

*) „altmod“ ist Blogger (altmod.de), Facharzt und Philosoph sowie regelmäßiger Kolumnist bei conservo
www.conservo.wordpress.com 19.10.2016
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