(www.conservo.wordpress.com)
Von altmod *)
Intellektuelle Hochleistungen auf dem Niveau des jeweiligen Zeitgeistes
Die Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels wird von der polit-medialen Klasse der Bundesrepublik jährlich als eine Art kulturelles Hochamt zelebriert. Ich habe es mir abgewöhnt, die Reden der Laureaten wie der Laudatoren vor der Glotze anzuhören. Bei Bedarf können diese Ausflüsse intellektueller Hochleistungen auf dem Niveau des jeweiligen Zeitgeistes auch im Internet nachgelesen werden.
Bei „Friedens“preisen bin ich grundsätzlich skeptisch (geworden). Zu Recht meine ich, wenn man z.B. bestimmte Preisträger des „Friedensnobelpreises“ betrachtet. Seit 1967, mit der Verleihung des deutschen „Friedenspreises“ an den Edel-Marxisten Ernst Bloch, häuften sich die bundesdeutschen Besonderheiten dieses Preises, auszumachen nicht nur an den jüngsten Preisträgern.
Vor der diesjährigen Preisverleihung an die „Publizistin“ und Journalistin Carolin Emcke war im Berliner Tagesspiegel ein Interview mit der Preisträgerin zu finden, in dem sie bekannte: „Lieber politisch inkorrekt als moralisch infantil“. Ich hatte nicht mehr die Zeit, ihr dort gerühmtes Buch „Gegen den Hass“ mir noch einzuverleiben und beschränke mich als Quellen für meine Betrachtungen der Person und ihren Background auf dieses Interview und den Text der Rede, die sie am 23. Oktober vor einem illustren Publikum (u.a. mit BuPrä Gauck und JuMi Maas) in der Paulskirche gehalten hat. Die Laudatio auf die Preisträgerin trug Seyla Benhabib, eine amerikanische Professorin vor, deren Themengebiete die sozialpolitische Ideengeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts und – wer ahnt es nicht – feministische Theorie und die Frankfurter Schule (!) sind. Dies als Anmerkung. In der Begründung des Stiftungsrats für die Preisverleihung an Carolin Ecke heißt es:
„Den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verleiht der Börsenverein im Jahr 2016 an Carolin Emcke und ehrt damit die Journalistin und Publizistin, die mit ihren Büchern, Artikeln und Reden einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Dialog und zum Frieden leistet. Ihre Aufmerksamkeit gilt dabei besonders jenen Momenten, Situationen und Themen, in denen das Gespräch abzubrechen droht, …“
Als ein Kernsatz der von Carolin Ecke gehaltenen Rede wurde von etlichen Postillen ihre Aussage „Wir dürfen Reden halten in der Paulskirche, aber heiraten dürfen wir nicht“ als Titel gewählt. Ihre Homosexualität nimmt sie denn auch als Aufhänger für eine Kernformel ihres Vortrages, der gesellschaftlichen Zugehörigkeit“ oder „Angehörigkeit“. Sie beklagt, dass unter anderem die (ihre) sexuelle Orientierung immer noch „abgelehnt“ oder „pathologisiert“ werde.
Von wem noch – wer traut sich noch, werfe ich mal ein?
Sie spinnt den Faden weiter:
„Manchmal scheint mir das bei der Beschäftigung der Islamfeinde mit dem Kopftuch ganz ähnlich. Als bedeutete ihnen das Kopftuch mehr als denen, die es tatsächlich selbstbestimmt und selbstverständlich tragen. So wird ein Kreis geformt, in den werden wir eingeschlossen, … Wir dürfen Bücher schreiben, die in Schulen unterrichtet werden, aber unsere Liebe soll nach der Vorstellung mancher Eltern in Schulbüchern maximal „geduldet“ und auf gar keinen Fall „respektiert“ werden? Wir dürfen Reden halten in der Paulskirche, aber heiraten oder Kinder adoptieren dürfen wir nicht? Manchmal frage ich mich, wessen Würde da beschädigt wird: unsere, die wir als nicht zugehörig erklärt werden, oder die Würde jener, die uns die Rechte, die zu uns gehören, absprechen wollen?“
Und:
„Das ist die soziale Pathologie unserer Zeit: dass sie uns einteilt und aufteilt, in Identität und Differenz sortiert, nach Begriffen und Hautfarben, nach Herkunft und Glauben, nach Sexualität und Körperlichkeiten spaltet, um damit Ausgrenzung und Gewalt zu rechtfertigen.
Jetzt kommt es aber dicke an die von ihr in Visier genommene Adresse:
„Zurzeit grassiert ein Klima des Fanatismus und der Gewalt in Europa … Sie stehen vielleicht nicht selbst auf der Straße und verbreiten Angst und Schrecken, die Populisten und Fanatiker der Reinheit, sie werfen nicht unbedingt selbst Brandsätze in Unterkünfte von Geflüchteten, reißen nicht selbst muslimischen Frauen den hijab oder jüdischen Männern die Kippa vom Kopf, sie jagen vielleicht nicht selbst polnische oder rumänische Europäerinnen, greifen vielleicht nicht selbst schwarze Deutsche an – sie hassen und verletzen nicht unbedingt selbst. Sie lassen hassen. Sie beliefern den Diskurs mit Mustern aus Ressentiments und Vorurteilen, …“
Carl Carolin Emcke ruft dann aus humanitär erhöhter Sicht „zum Dialog, zum Zuhören“ auf – für eine „freie, säkulare, demokratische Gesellschaft“. Aus Interview und Rede wird klar, wen sie als Feind erkennt – den angeblich ideologisch wahren Feind der Freiheit, der Demokratie und einer exklusiv säkularen Gesellschaft oder Ordnung. Der politische Islam oder die kriminell und militant verfranzte „Antifa“ kommt bei ihr nicht vor. Die Populisten und die von ihr nebulös definierten „Fanatiker der Reinheit“ sind diese Feinde, wozu sie auch den „salafistisch geprägten Islamismus“ hinzurechnet.
„Die neue Friedenspreisträgerin Carolin Emcke hat angesichts des gegenwärtigen Hasses und Fanatismus in der Gesellschaft zur Zivilcourage aufgerufen“, textete die FAZ. Hass und Fanatismus werden von der Friedenspreisträgerin in Einmütigkeit mit der „Elitenpresse“ natürlich nur auf bestimmter Seite des ausgespähten gesellschaftlichen Spektrums verortet. In dem erwähnten Interview für den Tagesspiegel ist C. Emcke deutlicher in ihren Attacken, als in ihrer „Paulskirchenrede“:
„(Wir) erleben … derzeit nicht nur im Internet, sondern auch auf der Straße eine Form von Entgrenzung und Selbstbewusstsein, die schon erstaunlich ist. Da sind Leute nicht nur der festen Überzeugung, selbst im Recht zu sein, sondern sie sind sich auch sicher, andere Menschen grundsätzlich angreifen zu können. … Das geschieht nicht mehr ausschließlich in randständigen Bereichen, sondern ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen.“
Das ist die inzwischen typisch links-elitäre Abgrenzung zu dem, was man als „Mitte“ versteht oder einst verstanden hat. Nicht nur Pegida oder AfD sind das Ziel ihrer „Sorge“, die Mehrheit des Volkes, die sich eher konservativ denn als „links“ versteht. Und so wertet sie auch gleich die Sorgen oder gar Ängste, welche die Masse der Bevölkerung in unserer Zeit bewegen links-kultiviert herab:
„Dabei wird die Sorge, die manche Menschen berechtigterweise angesichts von sozialen und politischen Missständen oder prekären Arbeitsverhältnissen empfinden, vorgeschoben, um die Grenzen des Sagbaren zu verrücken und dahinter Ressentiments zu verbergen. Es ist doch bemerkenswert: Man tut so, als ob ein Gefühl an sich bereits ein politisches Argument darstellte. … Das hat auch etwas leicht Infantiles.“
Das ist schon eine perfide Dialektik. Liege ich daneben, wenn ich mich bei den letzten Sätzen an die Methode und Herangehensweisen z.B. einer Claudia Roth gemahnt fühle, die sicher nicht zu den Verdächtigen von Emcke zählt?
- Emcke beklagt ein verengtes Weltbild bei ihren Studienobjekten zum Thema „Hass“. Sie möchte herausstellen, „wie die Ressentiments der Hassenden geformt werden, dass sie andere nur als „Kriminelle, “Invasoren“ oder „Terroristen“ wahrnehmen“. Dazu ist sie in den „rechten Internetforen“ fündig geworden und erkennt dort „eine sehr aufgeregte Welt im permanenten Ausnahmezustand.“ Die „Neo-Rechten und islamistische Fanatiker“– die funktionieren für sie wie eine „Spiegelfigur“, beide seien „Ideologen der Reinheit“ und sie haben eine „apokalyptische“ Weltsicht, wegen der „Erzählung der permanenten Bedrohung, (des) Herbeisehnen von etwas Bürgerkriegsähnlichen“, es herrsche „ein Dauerbombardement mit Schreckensnachrichten“.
Ich mache mal eine Kommutierung: Erleben wir nicht ebenfalls ein „Dauerbombardement“ mit Unterstellungen, Verdächtigungen und Ressentiments durch die „Eliten“, durch die den Emckes Beifall-spendenden Politiker, wie Gauck, Maas und deren Konsorten in Politik und Medien. Emcke ist eine Stichwortgeberin für diese Bekämpfer der neu ausgedachten sog. „Hassverbrechen“ – im Internet oder bei Pegida. Die richtige Vorgehensweise bei den von C. Emcke gesellschaftlichen und gesinnungsmäßigen festgestellten Disparitäten liege beim „ … Zuhören aufeinander. Im Nachdenken über einander. Im gemeinsamen Sprechen und Handeln. Im wechselseitigen Respekt vor der Vielfalt der Zugehörigkeiten und individuellen Einzigartigkeiten. Und nicht zuletzt im gegenseitigen Zugestehen von Schwächen und im Verzeihen.“
Das klingt toll, man stimmt zu und man möchte rufen: Tut es, zeigt wechselseitigen Respekt… Doch wie wird es getan werden? Sicher nicht mit Zugestehen von Schwächen und Verzeihen, gewiss nicht puristisch durch offen „diskursiv begründete Verfahren“ der „Frankfurter Schule“, wie man Glauben machen möchte. Da stehen die Erfahrungen des Volkes mit der politischen Klasse dagegen mit den inzwischen geschaffenen Institutionen staatlich etablierter und auch sich privat ermächtigender Gesinnungswächter unter der Ägide des Wahrheitsministeriums des Holger Maas. Das Recht wird weiter als „Erziehungsmittel“ ausgestaltet werden und man wird noch intensiver bestrebt sein, die Moral des Bürgers zu steuern und ihn über sein richtiges Verhalten belehren (Johann Braun – Soziale Lenkung, Sezession 69). Man hat es inzwischen gelernt, je dräuender die Probleme, je offensichtlicher das Verderben als eigene Schuld erkannt wird, um so strikter wird mit Kritikern und Zweiflern, mit dem „Pack“ umgegangen. Opposition findet in der real agierenden Politik der Bundesrepublik ohnehin nicht mehr statt. Das linke – gar nicht mehr so liberale – „juste Milieu“ hat endgültig die Moral für sich okkupiert und in eine fast unüberwindbare Hypermoral transformiert. C. Emcke hat die Frankfurter Paulskirche einmal mehr als Schaubühne für das Theater der ausgrenzenden Hypermoralisten und der bundesdeutschen Tugendbolde stupriert. Bei Günter Zehm (in „Gesunder Menschenverstand“ – 2009) fand ich folgende Sequenz zum Thema Tugendbold und Moral
„… es sind bei weitem nicht alle Tugendbolde Heuchler, vielleicht sogar die meisten führen die Tugend nicht nur im Mund, sondern praktizieren sie durchaus, zeigen den anderen Wesen immer wieder, wie moralhaltig und wahrheitsliebend sie sind. Nietzsche hat diese Spezies in seiner Schrift Zur Genealogie der Moral boshaft-treffend charakterisiert. Es sind natürlich keine Heuchler, sagt er, sondern Darsteller, und zwar schlechte Darsteller, die in schier unerträglicher Weise übertreiben, dick auftragen. Diese Leute, schreibt Nietzsche, sind krank vor lauter Moral. »Die Gerechtigkeit, die Liebe, die Weisheit, die Überlegenheit wenigstens darstellen – das ist der Ehrgeiz dieser Kranken. Und wie geschickt macht ein solcher Ehrgeiz! Man bewundere namentlich die Falschmünzer-Geschicklichkeit, mit der hier das Gepräge der Tugend, selbst der Goldklang der Tugend, nachgemacht wird. Sie haben die Tugend jetzt ganz und gar für sich in Pacht genommen […]. >Wir allein sind die Guten, die Gerechten<, so geben sie uns zu verstehen, >wir allein sind die Menschen guten Willens<. Sie wandeln unter uns herum als leibhafte Vorwürfe, als Warnungen an uns.«
Neben ihrer „Erzählung“ zum Hass sollte die eigentliche Intention von Emcke noch einmal genauer herausgestellt werden. Ihrer „Rede“ ist unzweideutig zu entnehmen, dass das, was von der Mehrheit von uns – dem deutschen Volk – als verbindendes Ganzes angesehen wird, aufzulösen ist in eine ihrerart „offene Gesellschaft“, welche aus der „Diversität“ lebt und schöpft und welche als Patriotismus allein den „Verfassungspatriotismus“ (Habermas) gelten lassen kann. „Vielfalt“ sei nach Emcke „nicht nur zu tolerieren, sondern zu feiern.“ Für sie ist demgemäß kein Platz mehr für Nation, deutsches Volk oder deutsche Leitkultur. Was für die Mehrheit der Deutschen noch zählt: Gemeinsame Kultur, Sprache, Geschichte und Verbundenheit, hat nichts zu gelten. Die Paulskirchen-Laureatin macht sich damit auch zum Sprecher der immer aggressiver auftretenden und krakeelenden Minderheit unseres Volkes (oder nur „Bevölkerung“?), die von einem Hass auf das Eigene, alles Deutsche beseelt ist. Ihre Einstellung begründen diese Leute als Lehre aus der angeblichen Diskreditierung des Nationalstaates durch die Kriege des 20. Jahrhunderts und aus der besonderen Erfahrung des Nationalsozialismus. Dieser Hass ist gesund in diesen Kreisen, für welche die Selbstaufgabe der deutschen Nation das Ziel ist. Durch vorbehaltlosen Humanitarismus und Kosmopolitismus als das einzig Hüllende möchte man den angeblichen Makel der eigenen, deutschen Identität beseitigen.
Frau Emcke erträumt für Zuhörer ihrer „Klasse“ das Hirngespinst von einer heilen Weltgesellschaft, in der alle Menschen Brüder/Schwestern geworden sind. „In der jeder die Bedürfnisse und Interessen jedes anderen berücksichtigt als wären es die eigenen.“ interpretierte dies u.a. schon der bekannte Staatsrechtler Josef Isensee.
Wie riefen die Jakobiner der Französischen Revolution: „La fraternité ou la mort!“, zu Deutsch „Brüderlichkeit oder Tod!“, oder wie man auch sagt: „Und willst du nicht mein Bruder sein, so schlag ich dir den Schädel ein!“ Soweit zu den Friedenserfahrungen unter dem Einfluss real gelebter Utopien. Und so schließt sich der Kreis – vom „Friedensnobelpreis“ bis zum „Friedenspreis des Deutschen Buchhandels“, die als jährliche „Kistengaukelei“ (= Ehre oder Ehrung) in Oslo und Frankfurt mit „Gepräge und Goldklang der Tugend“ inszeniert werden.