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Von Peter Helmes
Wohlfeile Worte, leere Versprechungen
„Her Majesty´s“ Premierministerin Theresa May hielt die erste große Rede des Jahres. Viele hatten einen großen Wurf erwartet, wurden aber bitter enttäuscht. Wohlfeile Worte, leere Versprechungen, z. B. wie diese, in der sie einen „starken Staat“ verspricht: Was soll das heißen? Wird sie den staatlichen roten Teppich wirklich ausrollen – anstatt ihn wieder einzupacken?
Es klingt ja erst einmal gut, wenn sie sagt, daß die Menschen eine aktive Regierung brauchen, eine, die dafür sorgt, daß das System sie unterstützt. Je näher man Mays Redetext allerdings studiert, desto mehr rieseln einem die Worte durch die Finger. Übrig bleibt absolut nichts. Fragen Sie nicht, welche Behörde wem welche Hilfe zukommen lässt – denn es gibt nicht den Hauch eines konkreten Vorschlags.
Vom Brexit blockiert
Auf die offenen Worte müßten aber ebenso beherzte Taten folgen. Müßten… Aber davonist wenig zu sehen. Wie auch sonst?. Selbst wenn es die neue Premierministerin ernst meinte, so fehlen ihr die Mittel für rasche Abhilfe. Die politischen Energien von Mays hauchdünner Mehrheit im Parlament werden über Jahre vom Brexit absorbiert werden. Nach dessen Vollendung, vielleicht izehn oder zwanzig Jahren, werden Mays Nachfolger mit großer Wahrscheinlichkeit wieder dieselbe Rede halten
Die Probleme, die der Brexit verursacht, werden sehr viel größer sein als gedacht und gehen „ans Eingemachte“ des UK. Der Brexit wird den britischen Staat entscheidend verändern. Aber auch hier tritt immer deutlicher in Erscheinung, daß die Politik des Landes ganz offenbar noch immer keine Strategie für den Brexit hat. Zum Beispiel fehlen von vorne bis hinten tüchtige Fachleute, die Gespräche über neue Handelsabkommen führen könnten.
Die britische Regierung, so scheint es, übt in der causa Brexit seit über sechs Monaten eine Art Luftskat. Aber es wird von Tag zu Tag klarer, daß sie möglicherweise über keine Karten verfügt, ganz gewiß aber über keine Strategie.
Sir Ivan Rogers, der zum Jahreswechsel 2016/17 überraschend seinen sofortigen Rücktritt als britischer Botschafter bei der Europäischen Union einreichte, bestätigte diesen Befund, der sich bisher weitgehend auf Verdachtsmomente gestützt hatte. Sir Ivan sprach von „wirrem Denken“ und von „wenig fundierten Argumenten“ auf Seiten seiner Dienstherren in London, mit denen er sich herumschlagen mußte.
Kein „raffiniertes Kalkül“, sondern Ratlosigkeit
Das Rätselraten über die Fernziele der britischen Europapolitik entspringt demzufolge nicht dem raffinierten Kalkül einer Premierministerin, die sich nicht in die Karten schauen läßt, sondern der Ratlosigkeit. Diese „Strategie“ können wir auch in Deutschland bei Merkel feststellen – es sei denn, ihre Strategie hieße „Sterben des deutschen Vaterlandes“.
Es ist bedenklich, daß der bisherige britische Chefdiplomat in Brüssel noch immer nicht weiß, welche Strategie seine Regierung in Brüssel verfolgt. In ihrer Grundsatzrede lüftete sie, wie bereits oben dargestellt, auch noch immer nicht den Schleier, der über dem Brexit schwebt, und läßt weiterhin Spekulationen üppig ins Kraut schießen.
Die nur notdürftig verschleierten Klagen des britischen Botschafters zeugen von einem kritischen Realismus, den die britische Regierung bitter nötig hätte. Minister schwafeln unbekümmert über widersprüchliche Austritts-Optionen, über ein Ende der Freizügigkeit und vollen Zugang zum Binnenmarkt, über rosige Wirtschaftsaussichten nach einem Austritt aus dem Binnenmarkt und der Zollunion. Man braucht kein Vollblut-Europäer zu sein, um zu erkennen, daß da etwas nicht stimmt.
Die Kühnheit des Diplomaten, der sich erlaubte, auf die Nacktheit des Kaisers hinzuweisen, führt sofort zu persönlichen Attacken, zu Zweifeln an der Integrität und gar Loyalität. Und da sind wir wieder bei Merkel:
Wer gegen der Kanzlerin undurchsichtige Strategien aufmuckt, sieht sich unversehens in die Ecke gestellt, abgekanzelt und letztlich isoliert. Das ist keine britische Tugend – und sollte erst recht keine deutsche sein.
Theresa Mays Politik ist sehr verwandt mit der der Merkel: Wohlfeile Worte und leere Versprechungen.