Wie Einmischung in Wahlen wirklich aussieht

(www.conservo.wordpress.com)

von floydmasika *)

Seit dem Anti-Trump-Wahlkampf kommen die US-Demokraten aus ihrem destruktiven Modus nicht mehr heraus. Bei genauerer Beschäftigung erscheint vieles in unterhaltsamer Weise lächerlich. Zugleich ist es weiterhin hochgefährlich. Wer die politische Auseinandersetzung auf emotionale Pest (Disqualifizierung des Gegners als empathielos) setzt, hat den Boden des zivilisierten demokratischen Wettbewerbs verlassen und den des Bürgerkriegs beschritten. Oder in den Worten des Großen Vorsitzenden Mao Zedong hat er aus einem „volksinternen Konflikt“ einen „Freund-Feind-Konflikt“ gemacht. Rückkehr wird dann manchmal schwierig, und der Konflikt kann sich zum Flächenbrand bis hin zum Weltkrieg ausweiten.

Parturiunt montes nascetur ridiculus mus, Parturiunt Montes

(lat.: „Die Berge werden kreißen, aber nur eine lächerliche Maus wird geboren werden.“ / Zitat aus der „ars poetica“ von Horaz)

Zu den zahlreichen Beispielen westlicher Interventionen in Wahlen kommt gerade in diesen Tagen eine Aktion israelischer Geheimagenten hinzu, die sich britische Führungspolitiker gefügig gemacht haben und damit angeben. Die Medien skandalisieren das überhaupt nicht. Umgekehrt nimmt die Kampagne zur Delegitimierung, Verhinderung oder Destabilisierung Trumps immer bizzarrere Züge an, und die Glaubwürdigkeit der Vorwürfe schwindet von Tag zu Tag. Was bleibt, wird zunehmend Stoff für Witze. Die angegriffene Plattform Wikileaks hat bislang anders als die gegen Trump konzertiertagierenden Kräfte nicht gelogen. Die Berichterstattung deutscher „Haltungsjournalisten“ unterbietet noch einmal die der Amerikaner, wie Hans-Herrmann Tiedje feststellt:

Zuerst wurden die Meinungsforscher beschimpft, dann hielten unsere Kommentatoren Trump-Wähler für dumme, weiße, ältere Männer. Das ist zwar erkennbar Nonsens, eigentlich gar nicht diskutabel, aber so war es. Dann kam die Sache mit den Bots und Algorithmen, und als sich auch dieses als nicht belastbar erwies, fand man den wahren Schuldigen: Putin. Das ist der böse Bube vom Dienst, der ist schuld an allem, jetzt auch an Trump. Und neuerdings fürchten sich die gleichen Kommentatoren davor, dass Putin auch für Sigmar Gabriel die Wahl gegen Frau Merkel gewinnt. Das ist eine deutlich bessere Comedy als die von Böhmermann. Fehlt eigentlich nur noch ein Kommentator, der behauptet, Putin habe was gegen Frauen, siehe Clinton, siehe Merkel. Wladimir, was tust Du mir?

Wie Einmischung in Wahlen wirklich aussieht

Um zu verstehen, warum Behauptungen substanzlos sind, dass sich Russland in die US-Wahlen eingemischt hat, ist es hilfreich, sich anzusehen, wie tatsächliches Eingreifen aussieht. Dieser Tage wurde bekannt, dass der israelische Diplomat Shai Masot mit Maria Strizzolo, einer Mitarbeiterin des jüdischen konservativen britischen Bildungsministers Robert Halfon vereinbarte, Vizeaußenminister Alan Duncan zu stürzen. „Maybe a little scandal?“ heisst es in einem mit versteckter Kamera aufgenommenen Video und dass Außenminister Boris Johnson Israel freundlich gesonnen, aber auch „an idiot“ sei.

Der „Senior Political Officer“ an der israelischen Botschaft in London hat sich auch damit gebrüstet, über mehrere politische Gruppen auf die Labour Party einzuwirken. Nun musste er seinen Posten aber verlassen: „Meanwhile, Masot is being sent back to Israel in disgrace, and a civil servant and Conservative official who was also filmed discussing ways to discredit MPs has resigned from her post. Masot and Maria Strizzolo, a manager with the Skills Funding Agency and aide to Robert Halfon, an education minister, were filmed by a man they knew as Robin, who they believed to be an LFI (Labour Friend of Israel) activist but who was actually an undercover reporter with al-Jazeera’s investigative unit.“ Ein Schelm, wer da Parallelen zum Wühlen der SPÖ mit ihrem israelischen Berater Tal Silberstein in der Vergangenheit von Außenminister Sebastian Kurz sieht.

Das in England einflussreiche Israel hat sich inzwischen für das Verhalten von Masot entschuldigt, den manche Kommentatoren dem Mossad zuordnen. Dem ging aber voraus, dass Al Jazeera ein halbes Jahr undercover recherchiert hat und Mitarbeiter Robin sich als Aktivist ausgab. Craig Murray, lange im diplomatischen Dienst und jetzt WikiLeaks-Mitarbeiter, redet wie erwartet Klartext: „There is no starker proof of the golden chains in which Israel has entangled the British political class, than the incredible fact that “diplomat” Shai Masot has not been expelled for secretly conspiring to influence British politics by attacking Britain’s Deputy Foreign Minister, suggesting that he might be brought down by ‚a little scandal‘. It is incredible by any normal standards of diplomatic behaviour that immediate action was not taken against Masot for actions which when revealed any professional diplomat would normally expect to result in being ‚PNG’d‘ – declared persona non grata.“

Und er verweist auf Obamas Verhalten: „Obama has just expelled 35 Russian diplomats for precisely the same offence, with the exception that in the Russian case there is absolutely zero hard evidence, whereas in the Masot case there is irrefutable evidence on which to act.“ Man muss im Übrigen Al Jazeera gratulieren: „Al Jazeera should be congratulated on their investigation, which shames the British corporate and state media who would never have carried out such actual journalism. By contrast, the British media has parroted without the slightest scrutiny the truly pathetic Obama camp claims of Russian interference, evidently without reading them. When I was sent the latest ‚Intelligence report‘ on Russian hacking a couple of evenings ago, I quite genuinely for several minutes thought it was a spoof by the Daily Mash or similar, parodying the kind of ludicrous claims that kept being advanced with zero evidence. I do implore you to read it, as when you realise it is supposed to be serious it becomes still more hilarious.“

Ex-CIA-Mitarbeiter Larry Johnson, hatte ähnliche Gedanken, denn er fragte sich, ob Analytiker bei russischen Geheimdiensten davon ausgehen, dass ihr US-Gegenüber etwas in der Hinterhand haben muss, weil man sich ja nicht so dumm anstellen kann. Den Russian-Hack-Hoax nimmt der Fake News-Mainstream aber für bare Münze, dient er doch der Kriegstreiberei im Interesse der scheidenden US-Administration. Murray rät, den Geheimdienstbericht als politische Satire zu betrachten: „The fact that Russia did not criticise the electoral process after the result is somehow evidence that Putin personally ordered electoral hacking. Oh, and the fact that Russia Today once hosted a programme critical of fracking is evidence of a Russian plot to destroy the US economy. Please do read it, I promise you will be laughing for weeks.“ Dabei gibt es auch Verbindungen nach Großbritannien, weil laut „New York Times“ der erste Hinweis auf Russlands angebliche Einflussnahme von dort kam.

Shai Masot arbeitete nach neueren Recherchen für ein Ministerium: „Now the Guardian has put two and two together and gotten closer to key elements of the story.  He worked for the Strategic Affairs ministry headed by ambitious Likud pol, Gil Erdan.“ Al Jazeera wird in den nächsten Tagen weiter berichten, sodass also für Spannung gesorgt ist. Masot sprach auch davon, „unabhängige“ Gruppen zu gründen, die auf Labour-Chef Jeremy Corbyn einwirken sollen: „At a meeting filmed last July, Masot describes how he had an idea to set up a Young Conservative Friends of Israel in 2015 and wanted to do the same for Labour, but was thwarted by party infighting at the time. In clips released by Al Jazeera, he describes Corbyn as ‚a crazy leader‘ and his supporters as “weirdos” and ‚extremists‘ adding: ‚When I tried to do the same in Labour they had a crisis back then with Corbyn.’“ Ein Sprecher von Außenminister Boris Johnson meinte, Israel habe klargemacht, dass Masots Aussagen nicht die Ansichten der Regierung widerspiegeln: „The Israeli ambassador has apologised and made it clear to us that these comments do not represent the views of the Israeli Embassy or government.“

Man kann sich fragen, wer abseits offizieller und offener Politik wohl wie Einfluss nehmen wird auf die Politik anderer Staaten wenn nicht Geheimdienste. Dies gilt auch für den Berater zahlreicher Parteien in mehreren Ländern Tal Silberstein, den die SPÖ nicht zum ersten Mal engagiert hat. In einem kritischen Artikel über Botswana und Präsident General Ian Khama lesen wir: „Contrary to earlier reports that the BDP (Botswana Democratic Party) had engaged Israeli company – Nikuv, the Israeli group inside Khama’s War Room, Timor Consultancy is headed by Adi Temor who first made international headlines as second in command at GCS International which was branded a Mossad front by the Romanian media during the 2012 Romanian election campaign. Timor personally worked with President Traian Basescu of Romania during the campaign, alongside GCS Chief Executive Officer Tal Silberstein reported to be a Mossad agent.

The duo has worked with some of the world’s top political leaders, including Prime Minister Sergei Stanishev of Bulgaria, Prime Minister Jirí Paroubek of Czech Republic, and Chancellor Werner Faymann of Austria. Before joining GCS, Adi served for over five years as a Foreign Service Officer based in Washington DC. Mossad has been known to use diplomatic positions as cover for its international agents. The largest department of the Mossad is Collections, tasked with many aspects of conducting espionage overseas. Employees in the Collections Department operate under a variety of covers, including diplomatic.“ Zu ergänzen ist, dass auch das Directorate of Intelligence and Security Services (DISS), also ein Geheimdienst Botswanas, in Wahlkampf und PR-Strategie mitmischte. 1999 war Tal Silberstein Wahlkampfmanager von Ehud Barak, als im Watergate-Stil in das Büro des Labour-Beraters Stanley Greenberg in Washington (weimal) eingebrochen wurde. „Watergate-style burglaries put Netanyahu on the defensive“ nannte es damals der „Guardian„.

Wie eine Meldung aus dem Jahr 2008 zu einer Kontroverse zwischen Verteidigungsminister Ehud Barak und Premierminister Ehud Olmert zeigt, muss Silberstein sehr einflussreich sein: „But an adviser to Mr Olmert, Tal Silberstein, told Israel’s Army Radio today that the prime minister had no intention of stepping aside. ‚I can tell you, based on a recent conversation with him, that he has no intention of announcing that he is taking a leave of absence or declaring anything at this stage – not as long as he is trying to prove his innocence,‘ Mr Silberstein said.“ Unter Labour stellt man sich in Israel offensichtlich etwas anderes vor als bei uns, denn wie Uri Avneri 2007 schrieb, kamen in jener Zeit nur Personen mit Militär- oder Geheimdiensthintergrund für den Parteivorsitz in Frage.  In Rumänien beschäftigte Silberstein die Gerichte, wie man letztes Jahr Medienberichten entnehmen konnte: „Romanian National Anti corruption Directorate (DNA) has asked for the temporary arrest of group of Israeli businessmen including Beny Steinmetz, Tal Silberstein and Moshe Agavi. The group could face charges of money laundering, fraud and bribery.

Another Israeli linked to this case Shimon Sheves will not be charged. In April, the High Court of Cassation and Justice refused to approve the Israelis temporary detention, which had been demanded by DNA. In the large scale corruption probe also involves the nephew of Romania’s King Carol II, Paul Lambrino, local businessman Remus Truica, and media owner Dan Andronic for the illegal restitution of conducting illicit real estate deals that cost the state nearly $150 million.“ Was Wahlen betrifft, findet man Silberstein auch bei den Global Intelligence Files von Stratfor bei Wikileaks im Kontext Serbien. Nach dem Putsch in der Ukraine wurde Silberstein übrigens von Julia Timoschenko angeheuert, die sich Hoffnungen machte, wieder Präsidentin zu werden. In einer Analyse über Rumänien wird Silberstein so beschrieben: „A specialist in the art of ‘selling’ politicians, a kingmaker of sorts – Tal Silberstein helped Ehud Barak become Israeli Prime Minister in 1999 with resounding victory over Benjamin Netanyahu.

Since then, he had clients in Austria, Bolivia, Israel, Hungary, Romania, Bulgaria, Serbia and Italy. In 2002 he helped Gonzalo Sanchez de Lozada become President in Bolivia, and later played a role in the successful elections of Bulgarian PM Sergei Stanișev and Serbian ex-President Boris Tadic. Tal Silberstein teamed up with another renowned Israeli strategist, Arthur Finkelstein. The latter was nicknamed the ‚Merchant of Venom‘ by the American press after his favorite electoral tactic: negative campaigning. Finkelstein and Silberstein have a motto for their formula: ‚Keep it simple! Keep it relevant! Repeat!‘ Their technique is based on identifying an adversary’s flaw, which is then systematically attacked through repeated messages, even if the flaw is nonexistent.“ 2003 haben Silberstein und Co. es aber mit ihren Methoden übertrieben, wie eine Untersuchung in Israel wegen fiktiver NGOs zum Spendensammeln für Labour zeigte.

Silberstein fungierte als Berater für den Film „Our Brand Is Crisis“ („Die Wahlkämpferin“) und erklärte, dass man den Konkurrenten in der Wahlauseinandersetzung von einem sauberen zu einem schmutzigen Kandidaten machen muss. Aktuell schreibt die „Kronen Zeitung„: „Bundeskanzler Christian Kern hat mit Tal Silberstein einen prominenten Kampagnen-Guru engagiert. Der Politikberater, der auch für die ehemalige ukrainische Regierungschefin Julia Timoschenko tätig war, gilt als einer besten seiner Branche, aber auch als nicht gerade zimperlich. Einer seiner PR- Sätze wurde legendär: In Wahlkämpfen gebe es keine Demokratie.“ Basierend auf einer Meldung der APA meldete der „Kurier„:  „Von Nachforschungen in der ehemaligen Schule der ÖVP-Zukunftshoffnung sowie in der Disco- und Party-Vergangenheit des früheren Junge ÖVP-Chefs ist die Rede. Laut Presse steckten SPÖ-Spindoktor Tal Silberstein sowie eine Mitarbeiterin von Kerns Kabinett hinter den Aktivitäten.“

Dazu äußerte sich Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter am 8. Jänner 2017 kritisch: „Diese Art von New Deal macht mich grantig und stört mich unheimlich“, denn es wird „ohnehin immer schwieriger junge Menschen für Ehrenämter oder die Politik zu begeistern“. Daher ist es „neue Stufe, wenn Spezialisten für Dirty Campaigning gezielt im Privatleben des politischen Gegners herumstöbern und nach alten Schulgeschichten oder Partyfotos suchen.“ Gegen „eine harte inhaltliche Auseinandersetzung“ ist nichts einzuwenden, „aber es ist kontraproduktiv und eine Unkultur, wenn diese neue Form des Dirty Campaigning, für die Tal Silberstein steht, auch bei uns Einzug hält. Und es ist eine dramatische Entwicklung, wenn der Bundeskanzler so etwas unterstützt. Das ist nicht der New Deal. Ich kann nur appellieren, das einzustellen.“

Die SPÖ bestreitet alle Vorwürfe: „Das ist eine völlig substanzlose Geschichte, die jeder Grundlage entbehrt.“ Silberstein hat bei der Wiener Gemeinderatswahl 2015 nicht die SPÖ, sondern die NEOS beraten; seine damalige Mitarbeiterin ist heute im Kabinett des Bundeskanzlers zu finden und soll in die Causa Kurz involviert sein. Die „Presse“ meinte am Ende ihres Berichts übrigens: „In der Flüchtlingspolitik vertritt Christian Kern als Kanzler jene Linie, die mittlerweile als Common Sense gilt. Der TV-Auftritt des ÖBB-Chefs Christian Kern als ‚Refugees Welcome‘-Proponent auf dem Westbahnhof (‚Das ist nicht die Zeit für Dienst nach Vorschrift‘) vom Spätsommer 2015 scheint hingegen aus dem Internet verschwunden. Böse Zungen in der Gegnerbeobachtungsstelle der ÖVP behaupten, auch damit hätte Tal Silberstein zu tun.“ Starkes Interesse für Sebastian Kurz wird in der SPÖ nämlich als „Gegnerbeobachtung“ verkauft, da man den Vorwurf zurückweist, im Privatleben anderer herumzuschnüffeln.

Was bleibt, sind wie so oft Fragen: Warum muss die SPÖ jemanden mit dieser Biografie anheuern? Wie hoch ist Silbersteins Salär, da seine Dienste als teuer gelten? Was ist vom zitierten Artikel zu Botswana und Rumänien zu halten, in dem von Geheimdienstverbindungen die Rede ist? Und schliesslich muss man sich fragen, ob es keine Alternativen gibt zu negative Campaigning und dazu, Konkurrenten „dreckig“ erscheinen zu lassen. Für die SPÖ stellt sich die Frage, ob sie sich wirklich selbstbewusst und auf dem Weg in die Zukunft präsentiert, wenn sie es nicht schafft, mit eigenen (Personal-) Ressourcen politische Strategien zu entwickeln und umzusetzen. Als Detail am Rande sei bemerkt, dass Silberstein in Israel stets die Gegner von Premierminister Benjamin Netanjahu unterstützt hat, den der neue US-Präsident Donald Trump als Verbündeten in der Region betrachtet. Und wenn der SPÖ Kopfzerbrechen bereitet, dass Sebastian Kurz durch den turnusmäßigen OSZE-Vorsitz mehr Öffentlichkeit hat, könnte sie einmal mit Außenpolitik (nicht als Diktat von Obama und Entourage) beginnen.

* (https://bayernistfrei.com/2017/01/11/einmischung-wirklich/ – Ursprünglich veröffentlicht auf Ceiberweiber)
www.conservo.wordpress.com   16.01.2017
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