(www.conservo.wordpresss.com)
Von Peter Helmes
Hilfloses Hin und Her – Einerseits Flüchtlinge „welcome!“, andererseits: Wie kann man sie verhindern?
Wir sind von der Politik der Etablierten (Union, SPD, Grüne), aber auch der noch hilfloseren EU, zum Thema Flüchtlinge einiges gewohnt – Abstruses bis Vernünftiges. Daß das Vernünftige erkannt und beschlossen wird, ist eher die Ausnahme. Die Norm ist ein fragwürdiges Hin und Her. Türkei (Flüchtlingsabkommen), Marokko (Aufnahmevereinbarung für Abgeschobene), schnellere (und leichtere), aber generell zu wenig vollzogene Abschiebungen mögen als Stichworte hierzu genügen.
Trotzdem geht der Druck der Flüchtlingswelle weiter und ist kein Ende abzusehen. Also geht die Suche nach einer „nachhaltigen Lösung weiter. Plötzlich ruft der deutsche Innenminister de Maizière „Heureka!“ und zaubert ein Kaninchen aus dem Hut:
Flüchtlingslager
Europas Afrikagrenzen sollen jetzt unter Federführung der Italiener durch Flüchtlingslager – vorerst in Niger und Tschad geplant, in Libyen schon Wirklichkeit (aber ein Faß ohne Boden) – undurchlässiger werden, wie „german-foreign-policy“*) berichtet (*)siehe unten „eigener Bericht“).
conservo spottet: „Nun werden wir in der Weltpolitik unter der Führung der mondialen Globalisten Merkel und v.d. Leyen eine noch bedeutendere Rolle spielen – vom Hindukusch bis zur Sahara, von Asien bis Afrika: Deutschland, Deutschland, überall in der Welt… Fehlt noch – wegen der nötigen Erholung – ein „recreation center“ auf den Malidiven, strategisch günstig zwischen Afrika und Asien gelegen. Und wenn der legale und illegale Zuzug nicht endet, werden wir wohl einen Zaun bauen müssen von Namibia bis Rhodesien – quer durch Südafrika.“ (Spott aus.)
Derweil unsere Politiker unsere Truppe in alle Welt schicken, lassen sie zu, daß die Soldaten als Mörder beschimpft werden dürfen – mit höchstrichterlicher Zustimmung. So verrottet wie unsere Politik ist auch die politische Moral: Gut ist, was mir gefällt. Die anderen beißen die Hunde…
(Eigener Bericht) – Im Rahmen der EU-Flüchtlingsabwehr bereitet Italien die Einrichtung von Flüchtlingslagern in Niger und im Tschad vor.
Die Maßnahme ist Teil einer Übereinkunft, die der italienische Innenminister Marco Minniti am Sonntag gemeinsam mit seinen Amtskollegen aus Niger und Tschad sowie mit dem “Innenminister” der sogenannten libyschen Einheitsregierung getroffen hat.
Minniti stimmt sich in der Flüchtlingsabwehr eng mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière ab; beide haben unlängst ausdrücklich die Entsendung einer EU-Grenzschutzmission an die südlibysche Grenze gefordert.
Hintergrund ist, dass nach dem Sturz der Regierung von Muammar al Gaddafi durch die NATO Libyen komplett zerfallen und auf absehbare Zeit nicht in der Lage ist, der deutsch-europäischen Forderung nach einer möglichst umfassenden Flüchtlingsabwehr eigenständig zu entsprechen.
Italien, das als ehemalige Kolonialmacht eine exponierte Rolle im Rahmen der EU-Libyenpolitik spielt, hat bereits zuvor einen Deal mit südlibyschen Stämmen geschlossen, um diese in die EU-Flüchtlingsabwehr einzubinden. Die neuen Flüchtlingsabwehrpartner der EU sowohl nördlich als auch südlich der libyschen Grenze werden schwerer Menschenrechtsverletzungen beschuldigt.
Umfassend gescheitert
Hintergrund der Bemühungen, die libysche Südgrenze gegen Flüchtlinge aus Afrika südlich der Sahara abzuschotten, ist das umfassende Scheitern der bisherigen Libyenpolitik Berlins und der EU.
Seit die NATO im Jahr 2011 mit Hilfe einheimischer Milizen die missliebige Regierung von Muammar al Gaddafi gestürzt hat, ist der libysche Staat immer weiter zerfallen; eine Chance zur Konsolidierung ist zur Zeit nicht in Sicht.
Der von der Bundesregierung forcierte Versuch, mit der Einsetzung der sogenannten Einheitsregierung ein den westlichen Mächten loyales Marionettenregime in Tripolis zu installieren (german-foreign-policy.com berichtete [1]), ist misslungen; die “Einheitsregierung” kontrolliert bis heute nur Teile der libyschen Hauptstadt.
Zu Monatsbeginn wurde in westeuropäischen Medien noch als Hoffnungsschimmer gelobt, dass der Chef der “Einheitsregierung”, Fayez al Sarraj, Gespräche mit General Khalifa Haftar aufgenommen hatte; Haftar kommandiert die Truppen des gewählten, ins östliche Tobruk geflohenen Parlaments und operiert militärisch recht erfolgreich.
Die Verhandlungen zwischen Al Sarraj und Haftar, die als Voraussetzung für jegliche weitere Stabilisierung gelten, sind jedoch umgehend sabotiert worden:
Ende vergangener Woche überfiel eine für Al Sarrajs Einheitsregierung kämpfende Miliz Soldaten der Haftar-Truppen, die unbewaffnet von einer Militärparade heimkehrten, und brachte mehr als 140 von ihnen um. Eine Fortsetzung der Gespräche wird damit zumindest massiv erschwert.
Libyens Küstenwache
Hatten Berlin und die EU die libysche “Einheitsregierung” vor allem installiert, um einen Partner für die Flüchtlingsabwehr zur Verfügung zu haben, so zeichnet sich jetzt immer deutlicher ab, dass daraus nichts wird.
Lediglich Training und Ausrüstung derjenigen Milizen, die als “Küstenwache” firmieren, schreiten voran; vergangene Woche hat Italien ihnen vier Patrouillenboote übergeben, nachdem es die Ausbildungsmaßnahmen für die Besatzungen abgeschlossen hatte. Sechs weitere Boote sollen folgen, sobald auch deren Besatzungen hinlänglich trainiert worden sind.[2]
„Konzentrationslager“
Dabei zeichnet sich allerdings inzwischen ab, daß die “Küstenwache”, gegen die schwere Vorwürfe wegen gravierender Menschenrechtsverletzungen erhoben werden [3], nicht die erwünschte Wirkung bei der Flüchtlingsabwehr erzielt.
Zudem ist nicht klar, wie auf Dauer mit den von ihr abgefangenen Flüchtlingen verfahren werden soll; die von libyschen Milizen unterhaltenen Flüchtlingslager, in denen furchtbare Zustände herrschen und in denen die Flüchtlinge gewöhnlich interniert werden, sind von Mitarbeitern der deutschen Botschaft in Niger als “Konzentrationslager” eingestuft worden.[4]
Griffe die EU zu Zwecken der Flüchtlingsabwehr umfassender auf sie zurück, wäre mit einem verheerenden Imageschaden zu rechnen. Die Bundesregierung weist das Ansinnen deshalb offiziell zurück.
In der Sahara
Ersatzweise dringen Bundesinnenminister Thomas de Maizière und sein italienischer Amtskollege Marco Minniti nun darauf, Libyens Südgrenze abzuschotten und zu diesem Zweck möglichst rasch eine EU-Grenzschutzmission dorthin zu entsenden (german-foreign-policy.com berichtete [5]).
Die Vorarbeiten dazu hat zuletzt Italien entschlossen vorangetrieben; die aktuelle interne Arbeitsteilung in der EU sieht vor, dass die einstige Kolonialmacht eine besonders aktive Rolle in der operativen Libyenpolitik einnimmt.
Ende März ist es der italienischen Regierung gelungen, rund 60 Stammesführer aus Südlibyen auf einem Treffen in Rom zu einer Übereinkunft zu bewegen, die eine Abschottung der Grenze als machbar erscheinen lässt.
Beteiligt sind Clans der Tuareg, die Libyens Südwestgrenze de facto kontrollieren, Clans der Tubu, die die Südostgrenze beherrschen, sowie Clans der Awlad Suleiman, die in der südlibyschen Stadt Sabha eine starke Stellung innehaben.
Die Übereinkunft sieht vor, dass die jeweiligen Clans in Zukunft nicht mehr von Schmugglern jeglicher Art, sondern von der EU finanziert werden und dass sie dafür, anstatt gegen Bezahlung die Weiterreise von Flüchtlingen zu organisieren, Flüchtlinge vielmehr aufgreifen sowie sie festsetzen.[6]
Zu den Versprechungen der EU gehört es, jungen Menschen in der Region, deren bislang fast einzige Perspektive die Abwicklung legalen und illegalen Handels war, Ausbildungsgelegenheiten und eine berufliche Zukunft zu verschaffen. Die Realisierbarkeit dieses Versprechens ist ungewiss.
Ein Schwarzes Loch
Unklar ist aber vor allem, wie die EU einen Mißbrauch von Flüchtlingen unter dem Schirm ihres Abkommens mit den südlibyschen Clans verhindern will. Bereits jetzt warnen Beobachter, die Flüchtlinge seien im Süden des Landes Gewalt jeglicher Art ausgesetzt.
Dabei seien “wenige Orte schlimmer als Sabha”, die Großstadt mit rund 200.000 Einwohnern, die durchqueren müsse, wer aus Niger über Libyen ans Mittelmeer reisen wolle, heißt es in einem aktuellen Bericht.[7]
Dort tobten immer wieder mörderische Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans und bewaffneten Banden; zudem gebe es keinerlei funktionierende Polizei. Bewaffnete Banden operierten faktisch ungehindert – und begingen zahlreiche Verbrechen an Migranten. Diese würden entführt, um ihren Verwandten Geld abzupressen, sie würden misshandelt, müssten Zwangsarbeit leisten oder würden an andere Banden weiterverkauft.
“Die Flüchtlinge verlassen Niger in ein Schwarzes Loch”, urteilt Giuseppe Loprete, Missionschef der International Organization for Migration (IOM) in Niger, über das von den künftigen Flüchtlingsabwehrpartnern der EU kontrollierte Gebiet.
Lager
Am Sonntag hat nun der italienische Innenminister, die besondere Rolle Italiens im Rahmen der EU-Aktivitäten in Libyen wahrnehmend, eine weitere Übereinkunft mit seinen Amtskollegen aus Niger und Tschad sowie mit dem “Innenminister” der sogenannten Einheitsregierung getroffen.
Demnach werden die vier Länder nicht nur ihre Zusammenarbeit in der Terrorbekämpfung und im Vorgehen gegen illegale Grenzübertritte intensivieren und dazu unter anderem neue Kontaktnetze zwischen den jeweiligen Grenzschutzeinheiten aufbauen. Sie erklären darüber hinaus, für die Bevölkerung in den Grenzregionen attraktive Erwerbsalternativen zum Schmuggel zu entwickeln.
Zuletzt kündigen sie an, Lager für in der Wüste aufgegriffene Flüchtlinge zu errichten. Dies soll in Niger und Tschad geschehen.[8] Eine Stellungnahme der Bundesregierung dazu liegt noch nicht vor; doch hat Berlin bislang lediglich den Bau von Flüchtlingslagern in Libyen ausgeschlossen.
In Niger sind hingegen auch deutsche Stellen schon jetzt damit befasst, Flüchtlinge von der Reise in Richtung Mittelmeer abzuhalten.[9] Sowohl die nigrischen wie auch die tschadischen Repressionsapparate sind nicht nur allgemein für schwere Menschenrechtsverletzungen, sondern insbesondere auch für ihr brutales Vorgehen gegen Flüchtlinge berüchtigt. Sie werden nun – ebenso wie die südlibyschen Clans – zu offiziellen Flüchtlingsabwehrpartnern der deutsch dominierten EU.